Zahntechnik

Rechtsgutachten: Das Labor ist Teil der Praxis

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Reinhard Hickel
Seitens des Arbeitgeberverbands Zahntechnik ist der Betrieb von Praxislaboren durch Zahnärztinnen und Zahnärzte immer wieder in Abrede gestellt worden. Der Münchener Rechtsanwalt Peter Knüpper und Prof. Dr. Reinhard Hickel, Dekan der medizinischen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität München, haben für die Bundeszahnärztekammer ein Gutachten erstellt, das der zm vorliegt. Darin kommen sie zu einem klaren Ergebnis. Diese Zusammenfassung der Autoren beleuchtet die wichtigsten Punkte.

George Washington litt zeitlebens unter Zahnproblemen. Er verlor einen Zahn nach dem andern, schreibt Malvin Ring in seiner 1985 unter dem Titel „Dentistry“ in New York erschienenen Darstellung der Geschichte des zahnärztlichen Berufsstands und der Zahnmedizin. Doch der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hatte einen Zahnarzt, der ihm (und sich selbst) zu helfen wusste: John Greenwood, der für seinen prominenten Patienten Zahnersatz anfertigte, bestehend aus Gold (für eine Gaumenplatte), Elfenbein und menschlichen Zähnen, zusammengehalten durch Stahlfedern.

Von Beginn der professionellen Ausübung von Zahnheilkunde bis heute zählt die Anfertigung von Zahnersatz, zählt die Prothetik zum Berufsbild der Zahnärzte. Es waren Zahnärzte, die medizinische wie auch technische Innovationen auf den Weg brachten. Beispielsweise Giusseppangelo Fonzi, der im frühen 19. Jahrhundert Einzelzähne aus Porzellan herstellte und einsetzte, oder John A. Cummings, der 1864 ein Patent für Gummigebisse anmeldete. Oder Charles Henry Land aus Detroit, der sich 1888 das Patent für Porzellan-Inlays sicherte. Zahnärzte waren immer auch Pioniere der Zahntechnik.

Den Pionieren verweigert man nun die Kompetenz

Umso mehr verwundert, wenn Zahnärzten heute die prothetische Kompetenz bestritten wird, Zahnersatz in eigener Praxis für ihre Patienten herzustellen. Als „Vehikel“ der Kritik aus den Reihen der Zahntechniker dient die neue Approbationsordnung für Zahnärzte (ZApprO), die eine Neugewichtung der Ausbildungsinhalte im Fach Zahnmedizin beinhaltet. Dabei folgt die ZApprO den Hinweisen des Wissenschaftsrates (WR), der seit 2005 eine Neuorientierung zahnärztlicher Ausbildungsinhalte gegenüber dem Gesetz- und Verordnungsgeber anmahnt, und den Argumenten zahnärztlicher Berufsverbände und wissenschaftlicher Fachgesellschaften. 

Nachdem die von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und den zahnärztlichen Körperschaften auf Bundesebene vorangetriebene Neubeschreibung der Zahnheilkunde mit einer stärkeren Hinwendung zur Prävention in den vergangenen 20 Jahren in der zahnärztlichen Praxis längst Realität wurde, folgte der Verordnungsgeber, mehr als 60 Jahre nach Erlass der ersten Prüfungs- beziehungsweise Approbationsordnung im Jahr 1955 (26. Januar 1955) nun endlich der Forderung nach zeitgemäßen, am aktuellen Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft orientieren Studieninhalten. 

Dentale Technologie bleibt Studienschwerpunkt

Damit wurde die zahnärztliche Prothetik, anders als es die Kritik glauben macht, im Studium nicht abgeschafft. Dentale Technologie bleibt ein zentrales Lehrfach der Zahnmedizin.

Studieninhalte werden aber nicht alleine durch die Approbationsordnung beschrieben, sondern ebenso durch Studienordnungen der Universitäten auf Grundlage der Länder-Hochschulgesetze wie auch auf Basis eines Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Zahnmedizin (NKLZ), den der Medizinische Fakultätentag 2015 als Richtschnur für das Studium der Zahnmedizin in Deutschland verabschiedet hat. Der NKLZ beschreibt in Kapitel Z 23d vielfältige Kompetenzen, die Studenten in Zusammenhang mit der Behandlung bei Zahnverlust, Zahnentfernung und fehlenden Zähnen im Rahmen des Studiums erwerben.

Zu den Unterrichtsveranstaltungen vor der Ersten Zahnärztlichen Prüfung zählt ein Praktikum der zahnmedizinischen Propädeutik mit Schwerpunkt „Dentale Technologie“. Die ZApprO verlangt außerdem den Nachweis der regelmäßigen und erfolgreichen Teilnahme unter anderem an einem Praktikum der zahnärztlichen Prothetik am Phantom. Im 5./6. Semester des Zahnmedizinstudiums findet künftig ein umfangreicher Kurs Prothetik statt, der die Inhalte der früheren Phantomkurse aufnimmt.

Die neue Schwerpunktsetzung berücksichtigt auch, dass die Herstellung zahntechnischer Produkte heute nicht mehr wie vor 50 Jahren erfolgt. Technisierung und Digitalisierung (zum Beispiel Intraoralscans, CAD/CAM, 3-D-Druck-Verfahren) werfen vielmehr die Frage auf, ob die Zahntechnik nicht wieder viel stärker in der Zahnarztpraxis zu verankern ist.

In gewisser Weise nimmt die neue Approbationsordnung die Antwort vorweg, soweit sie den Lehr-Schwerpunkt künftig auf zahnärztlichen Behandlungsschritte legt, die ganzheitlich betrachtet werden. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, das zahnärztliche Praxislabor infrage zu stellen.

Erlaubt sind Eigen- und Gemeinschaftslabors

§ 11 S. 1, 2 Musterberufsordnung für Zahnärzte (MBO-Z) erlaubt, ein zahntechnisches Labor zu betreiben, das in den Praxisräumen oder in räumlicher Entfernung zur Praxis eingerichtet werden kann. Diese Regelung ist durch die Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannt. Sie hat den Praxisbetreiber, also den selbstständigen Zahnarzt, im Blick. Die Leistungserbringung durch einen Zahntechnikermeister ist nicht notwendig.

Daneben findet die Zusammenarbeit zwischen zahntechnischen Meisterbetrieben und Zahnarztpraxen auf privatrechtlicher Grundlage (Werkvertrag) statt, wobei ausschließlich der Zahnarzt in Vertragsbeziehung mit den Patienten tritt. Der Zahnarzt haftet stets auch für die erbrachten zahntechnischen Leistungen. Durch die unterschiedliche Kostenstruktur zwischen gewerblichen und praxiseigenen zahntechnischen Labors entsteht den gewerblichen zahntechnischen Labors hier kein Wettbewerbsnachteil. Das stellte die Bundesregierung in einem Bericht über die Wettbewerbssituation zwischen praxiseigenen zahntechnischen Labors und gewerblichen zahntechnischen Labors bereits 1981 fest (Bt.-Drs. 9/811, vom 14. September 1981, S.11).

Berufsrechtlich zulässig ist auch die Beteiligung an einem Gemeinschaftslabor mehrerer Zahnärzte, § 11 S. 1 MBO-Z. Hierzu hat die Rechtsprechung weitere Kriterien entwickelt. Dazu zählt, dass die Laborgemeinschaft zahntechnische Produkte ausschließlich für die beigetretenen Zahnärzte und nicht für Dritte herstellt. Das Gemeinschaftslabor kann auch in Form einer Praxisgemeinschaft betrieben werden. Die Forderung, dass die Anstellung der Zahntechniker dieser Laborgemeinschaft durch je einen Zahnarzt erfolgt, dem ausschließlich dessen zahntechnische Leistungen arbeits- und steuerrechtlich zuzuordnen sind, ist zu weitgehend.

Der Betrieb eines Praxislabors durch ein Zahnmedizinisches Versorgungszentrum (Z-MVZ) wird kontrovers diskutiert. Problematisiert wird insbesondere, dass der im Z-MVZ angestellte Zahnarzt keine „eigenen“ Patienten hat, für die er zahntechnische Produkte herstellt. Das trifft zu. Der Behandlungsvertrag kommt im Z-MVZ nicht mit dem einzelnen Zahnarzt, sondern mit der Trägerorganisation, in der Regel einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), zustande. Diese kann, muss aber nicht zwingend von Zahnärzten betrieben werden.

Wer dem entgegenhält, dass die Berufsordnung auch für angestellte Zahnärzte gelte, übersieht, dass § 11 S. 1 MBO-Z den oder die zahnärztlichen Praxisinhaber im Blick hat, nicht deren Angestellte. Auch der Hinweis auf den Betrieb eines Gemeinschaftslabors durch eine zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) greift nicht, da dort ausschließlich die (selbstständigen) zahnärztlichen Partner Laborbetreiber werden. 

Ein Angestellter ist kein Auftraggeber 

Ein in der Praxis angestellter Zahnarzt steht in keinem Rechtsverhältnis zu dem im Praxislabor beschäftigten Zahntechniker, so dass dessen Eingriffsmöglichkeiten zwar faktisch gegeben sein mögen, rechtlich jedoch ins Leere laufen (Nicht der Angestellte ist Auftraggeber der Laborarbeit, sondern der Praxisinhaber.). Damit wird ein wesentliches Kriterium der Privilegierung des Praxislabors, nämlich der Anleitung und Überwachung der Labortätigkeit, durch den beauftragenden Zahnarzt nicht erfüllt. Es bleibt der Kapitalgesellschaft schließlich unbenommen, ein gewerbliches Labor, das der Handwerksordnung (HwO) und damit Meisterpflicht unterliegt, zu betreiben.

Auch die vertragszahnärztlichen Vorgaben (§ 88 Abs. 3 SGB V) beziehen sich auf den einzelnen zugelassenen Vertragszahnarzt und nicht ein Unternehmen, das zahnärztliche Leistungen (ausschließlich) durch angestellte Zahnärzte erbringt. Die Sichtweise, jedes Labor stelle schließlich Zahnersatz für den Zahnarzt her, differenziert nicht zwischen der Herstellung durch den Zahnarzt (Praxislabor) und der Anfertigung für den Zahnarzt (gewerbliches Labor). Grenzen der Zusammenarbeit zwischen der zahnärztlichen Praxis und dem gewerblichen Labor-Betrieb beschreibt § 2 Abs. 7, 8 MBO-Z. Dabei ist unzulässig, die Grundsätze des Zuweisungsverbots auch auf das Praxislabor oder auf die Praxislabor-Gemeinschaft zu übertragen. Das an die Praxis angegliederte Labor ist kein Dritter im Sinne dieser Regelungen.

Im Übrigen gilt: Die Anfertigung zahntechnischer Arbeiten im praxiseigenen Labor ist kein Handwerk im Sinne der HwO. Eher stellt sich die Frage, ob die Produktion zahntechnischer Werkstücke überhaupt noch Leistungen beschreibt, die ausschließlich dem Zahntechniker-Handwerk zugeordnet werden können. Im Hinblick auf digitalisierte, technische Fertigungsprozesse erscheint doch fraglich, ob diese Leistungen noch wesentlich zum Handwerk zählen. Auch das Argument, die Gefahrgeneigtheit verlange eine Zuordnung aller zahntechnischen Leistungen zum Handwerk, ist vor diesem Hintergrund kritisch zu sehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zählen Tätigkeiten nicht zum Kernbereich des Handwerks, „die ohne Beherrschung in handwerklicher Schulung erworbener Kenntnisse einwandfrei und gefahrlos ausgeführt werden können.“ Das trifft für das Praxislabor zu.

Zahntechnik gehört zum Berufsbild

Würde man einer „Berufsbild-Theorie“ folgen, die alleine auf Ausbildung und Prüfung abstellt, müsste kritisch hinterfragt werden, ob denn Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausbildung ausreichend in digitalen Fertigungsprozessen unterrichtet werden, um nach der Meisterprüfung einen selbstständigen Gewerbebetrieb eröffnen zu dürfen. Die aktuelle Ausbildungsverordnung für Zahntechniker ist mehr als 20 Jahre alt. Der Ausbildungsrahmenplan stammt von 1997.

Alle Zweige der Rechtsprechung, vom Bundesverwaltungsgericht bis zum Bundesgerichtshof, von den Finanzgerichten bis zu den Sozialgerichten haben in den vergangenen Jahrzehnten nie einen Zweifel daran gelassen, dass der Betrieb eines Praxislabors durch Zahnärzte zulässig ist. Erst im März dieses Jahres hat das Landgericht Darmstadt (Entscheidung vom 15. März 2021, Az.: 18 O 33/20) in einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Firma Dentsply Sirona und der Wettbewerbszentrale darauf hingewiesen, dass der Betrieb eines Eigenlabors inklusive der Abrechnung einer Gewinnmarge für Arbeiten auch nicht unlauter ist. Schließlich trage der Zahnarzt in diesem Fall auch das wirtschaftliche Risiko für sein Labor (siehe auch zm 8/2021).

Bleibt noch der Hinweis darauf, dass jede (gesetzliche) Einschränkung der zahnärztlichen Berufsausübung letztlich an Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz zu messen wäre. Insoweit sind keine Gründe des Gemeinwohls erkennbar, die Einschränkungen in Bezug auf die Führung eines Praxislabors erkennen ließen.

Selbst wenn man die Argumentation einiger Kritiker akzeptieren wollte, wonach die künftige Ausbildung von Zahnmedizinern keinen ausreichenden Schwerpunkt mehr im Bereich der Prothetik setze, wäre darauf hinzuweisen, dass Fortbildungen und Berufserfahrung wichtige Indizien dafür sein können, die nötigen Kompetenzen für die Führung eines Praxislabors zu vertiefen. 

Lebenslanges Lernen und Berufserfahrung zählen

Zahnärzte aus anderen EU-Ländern, die den nach dem Zahnheilkundegesetz (ZHG) geforderten zeitlichen Umfang der Ausbildung nicht nachweisen, erhalten die Approbation, wenn sie ihre Ausbildungsdefizite durch lebenslanges Lernen und entsprechende Berufserfahrung ausgleichen. 

Peter Knüpper

Rechtsanwalt
Ratzel Rechtsanwälte PartGmbB, München

Prof. Dr. med. dent. Reinhard Hickel

Dekan der Medizinischen Fakultät
Ludwig-Maximilians-Universität München

Peter Knüpper

Rechtsanwalt
Ratzel Rechtsanwälte PartGmbB,
München

Prof. Dr. Reinhard Hickel


Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Goethestr. 70,
80336 München\r\n

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