Praxisführung in Corona-Zeiten

So halten Sie Ihr Team bei der Stange!

Die Impfpflicht ist ein Reizthema, der ausbleibende staatliche Corona-Bonus wirkt wie eine Absage seitens der Politik und die teils immens herausfordernde Arbeit in den Praxen ist zum Dauerzustand geworden. Jetzt heißt es Schritt für Schritt den Alltag gemeinsam bewältigen, wertschätzen und in Verbindung bleiben.

Die Situation für Praxisinhaber ist im Augenblick besonders herausfordernd. Im März könnte es aufgrund der Impfpflicht zu Mitarbeiterverlusten kommen und auch der Arbeitsmarkt ermöglicht zurzeit wenig Neueinstellungen. Verständlicherweise führt diese Lage auch bei den Beschäftigten zu starker Verunsicherung, zu Frustration und zum Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Wie kann man in dieser Situation sein Team noch einigermaßen bei der Stange halten?

Psychologisch gesehen gibt es verschiedene Faktoren, die die Arbeitsmotivation beeinflussen. Einige liegen in den Menschen selber – sie haben mit der Persönlichkeit und der Fähigkeit zur Selbstregulation zu tun. Andere sind durchaus von außen beeinflussbar und es lohnt sich, diese zu nutzen, um die Situation für alle Beteiligten erträglicher zu machen. Die Motivation erhöhen zum Beispiel positive Emotionen, Optimismus, Selbstwirksamkeitserwartung und positive Beziehungserfahrungen. Natürlich liegt es nahe, in dieser Situation als Chef selber frustriert zu sein. Und es ist hier auch nicht sinnvoll, seine Gefühle zu unterdrücken, denn das Team wird die Verunsicherung und Verärgerung sowieso bemerken. Sinnvoller ist, das Thema und die zugehörigen Gefühle offen anzusprechen, um den Mitarbeitenden zu verdeutlichen, dass sie nicht die (Mit-)Verursacher dieser Emotionen sind.

Bei solchen Botschaften sollte der Fokus vor allem hierauf liegen:

  • Dem „Wir“-Gefühl – das Gefühl der Gemeinsamkeit steigert die Motivation, auch gemeinsam etwas zu tun.

  • Dem Benennen und Anerkennen der vorhandenen Emotionen bei allen Beteiligten – Emotionen, die angemessen wahrgenommen und artikuliert werden, flauen schneller wieder ab.

  • Den gemeinsamen Aufgaben – die Aufmerksamkeitslenkung darauf, was jetzt zu tun ist, reduziert das Gefühl der Verunsicherung.

  • Einer Sprache, die die zeitlich Begrenzung der Situation deutlich macht.

Formulieren lässt sich das etwa so: „Es ist im Moment wirklich sehr schwierig.“ Oder: „Ich finde die Situation auch frustrierend. Ich verstehe da auch ihre Sorgen und ihren Ärger. Deswegen hilft es uns jetzt erstmal nur ‚auf Sicht‘ zu fahren.“ Oder: „Lassen Sie uns jetzt fürs Erste von Tag zu Tag zusammen schauen, dass wir das hier gemeinsam so gut wie möglich hinbekommen. Für heute haben wir folgende Herausforderungen vor uns.“ 

Vermeiden Sie Jammerschleifen

Vermeiden Sie, sich in verallgemeinernden „Jammerschleifen“ zu verlieren. Das verstärkt nur das negative Erleben und das Gefühl der Machtlosigkeit im Team.

Forschungen der letzten Jahre [Neff, 2012] haben auch gezeigt, dass Selbstmitgefühl ein effektiver Ansatz ist, um solche belastenden Situationen zu überwinden. Dafür wird die Situation explizit angesprochen und die zugehörigen Gefühle werden konkret benannt. Auch die Mitarbeitenden erhalten die Gelegenheit ihre Gefühle auszudrücken. Das bedeutet, das Gefühl zu benennen, nicht es auszuleben.

Oft hilft auch anzuerkennen, dass die Situation im Moment nicht verändert werden kann. Danach wird geschaut, was gerade jetzt getan werden könnte, um sich in diesem Moment ein klein wenig besser zu fühlen. Das können durchaus so kleine Dinge sein, wie erst einmal gemeinsam einen Kaffee zu trinken und trotz allem kurz eine Pause zu machen. Dieser Ansatz ist wesentlich wirkungsvoller als das klassische „Wir müssen uns jetzt zusammenreißen“. 

Jetzt einen Kaffee und kurz lüften!

Die Forschung hat gezeigt: Negative Gefühle nehmen viel schneller ab und die Leistungsfähigkeit geht schneller wieder nach oben, wenn das Gefühl entsteht, sich wenigstens ein bisschen um sich gekümmert zu haben. Das ist vor allem dann hilfreich, wenn neue schwierige Nachrichten in der Praxis ankommen, wie „Jetzt ist auch noch Frau Meyer krank, die dritte diese Woche. Ich werde gerade richtig wütend, obwohl sie ja gar nichts dafür kann! Aber wütend bin ich trotzdem. Wie ist es denn bei Euch? Kommt mal alle mit rüber, wir holen uns jetzt einen Kaffee und machen ganz kurz Pause und lüften. Dann kriegen wir das danach wieder besser hin“.

Durch ein derartiges Vorgehen artikuliert und teilt man gemeinsame Emotionen. Darüber hinaus wird die Solidarität des Chefs mit dem Team spürbar. Das beugt schlechter Stimmung vor und intensiviert die Bindung an die Praxis. Dabei kommt es darauf an, den Mitarbeitenden in der neuen Situation erst einmal Rückhalt anzubieten. Eine Chefin oder ein Chef, der in solchen Situationen jeweils Lösungsansätze entwickeln kann, gibt dem Team Vertrauen und Sicherheit. Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Aber es geht an dieser Stelle nicht darum, sofort langfristige Problemlösungen aufzuzeigen. Zu sagen, wie es an diesem einen Tag laufen soll entlastet die Mitarbeitenden und erhöht das Vertrauen in eine wirksame Führung der Praxis. 

Solidarität mit dem Team gegen miese Stimmung 

Bei plötzlichen infektionsbedingten Ausfällen von mehreren Teammitgliedern zur gleichen Zeit kann es nützlich sein, täglich eine kurze Team-Besprechung im Sinne eines Morgengrußes oder Tagesplans durchzuführen. Dazu wird vor Beginn der Behandlungszeit in zehn Minuten grob der geplante Tagesablauf besprochen und abgesichert, wer welche Leistungen erbringen kann und was gegebenenfalls auch unterbleiben muss. Erleben die Mitarbeitenden, dass die Führenden in schwierigen Situationen zuverlässig da sind, sinkt der Stress. Das gesteigerte Sicherheitsgefühl wiederum führt zu einer stärkeren Bindung an die Praxis.

Gerade in dieser belastenden Zeit sollte man positive Zielbilder für gemeinsame Erlebnisse in der Zukunft skizzieren, auf die sich die gesamte Gruppe freuen kann: So kann man jetzt schon den nächsten Praxisausflug ins Visier nehmen. Solche Planungen verdeutlichen implizit auch, dass die schwierige Situation zeitlich begrenzt ist. Gerade in der aktuellen Pandemie-Lage wird es vermutlich auch täglich zu einer Veränderung der Lage kommen. Dann bietet es sich an, zum Abschluss des Tages noch einmal zu schauen, wie die Umsetzung der Planung gelungen ist. Dabei wird bewusst das Gelungene hervorgehoben, das trotz der widrigen Bedingungen erreicht wurde. Das kann die Stimmung noch einmal stabilisieren. Die Teammitglieder erhalten dabei das Gefühl, dass es dem Chef wirklich wichtig ist, dass alle mit im Boot sind. Sie merken, dass sie wahrgenommen werden und dass es nicht selbstverständlich ist, was sie in dieser extremen Zeit leisten.

Natürlich heben auch materielle Vorteile die Motivation. Wenn Mitarbeitende jetzt zusätzliche Arbeitszeit auf sich nehmen, ergibt sich daraus in der Regel ein Vergütungsanspruch. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit mit Boni zu arbeiten. Dabei ist es nicht sinnvoll, einen Bonus in Aussicht zu stellen, weil dadurch die intrinsische Motivation, die Praxis und das Team zu unterstützen, eher beschädigt wird. Wirkungsvoller ist, einen solchen Bonus in Form eines Dankes für das Engagement und die zusätzliche Leistung zu vergeben. Dadurch entsteht Freude und das Gefühl von Dankbarkeit. Die Kombination aus einer spürbaren emotionalen Beteiligung der Führung, dem Mitgefühl für die schwierige Lage der Mitarbeitenden und dem Bemühen, die Probleme gemeinsam zu lösen, kann dann sogar zu einer Verstärkung der Motivation und des Wir-Gefühls in der Praxis führen. 

Literaturliste

Neff, K.D. (2012). Selbstmitgefühl. München: Random House

Dr. med. dent. Anke Handrock

Praxiscoach, Lehrtrainerin für Hypnose (DGZH), NLP, Positive Psychologie,
Coaching und Mediation,
Speakerin und Autorin

Dipl.-Psych. Maike Baumann

Psychotherapeutin und Mediatorin, Coach, Autorin und Dozentin

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