Interview mit Dr.-Ing. Sandra Sarembe zu Zahnverfärbungen durch Chlorhexidin

Die Milch macht’s

Wer nach der CHX-Mundspülung am Morgen regelmäßig Kaffee trinkt, hat meist mit Zahnverfärbungen zu kämpfen. Wird der Kaffee jedoch mit Milch versetzt, dann sind die anhaftenden Verfärbungen besser durch Zähneputzen zu beseitigen. Dr.-Ing. Sandra Sarembe vom Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle an der Saale erzählt, wie sie und ihr Team zu diesen Ergebnissen kamen.

Bereits seit über 45 Jahren wird Chlorhexidin wegen seiner sehr guten antimikrobiellen Wirkung in der Zahnmedizin zur Keimzahlverminderung im Mundraum eingesetzt. Der Wirkstoff wurde in zahlreichen Studien immer wieder als Goldstandard bestätigt [Varoni und Tarce, 2012; Chye et al., 2019]. Bekannt ist jedoch auch, dass infolge der Anwendung verstärkt Zahnverfärbungen auftreten (können). Welchen Einfluss hat dabei der Konsum bestimmter Getränke? Dieser Frage ging Sarembe in der aktuellen Studie nach.

Frau Dr. Sarembe, Sie waren federführend an der Studie zum Einfluss von Getränken in Kombination mit Chlorhexidindigluconat auf die Zahnverfärbung beteiligt. Wie ist die Idee dazu entstanden und was wurde untersucht?

Dr. Sandra Sarembe: Chlorhexidin gilt als der Goldstandard bei der Bekämpfung von bakteriellen Entzündungen in der Mundhöhle. Zahnverfärbungen sind aber eine der häufigsten Nebenwirkungen dieses Wirkstoffs. Das beeinflusst leider die Compliance negativ. Daher wollten wir herausfinden, wie sich der Konsum bestimmter Getränke in Verbindung mit einer Chlorhexidin-haltigen Mundspüllösung auf die Verfärbungen auswirkt. Wir wollten mit der Studie Daten erhalten, um möglichst eine Empfehlung für Getränke auszusprechen, wodurch Zahnverfärbungen während der Anwendung von Chlorhexidin umgangen beziehungsweise vermindert werden können.

Wie entstehen Zahnverfärbungen überhaupt und warum begünstigt der Wirkstoff Chlorhexidindigluconat deren Entstehung?

Das Thema ist sehr komplex und es gibt verschiedene Theo­rien zur Entstehung von Zahnverfärbungen. Eine gängige Erklärung ist, dass das zweifach positiv geladene Molekül Chlorhexidin an die negativ geladenen Oberflächen im oralen Milieu bindet, also an den Speichel, die Haut oder die Membran­schichten. Dadurch kann der Wirkstoff mehrere Stunden im Mund verweilen. Auf dieser Depotwirkung beruht auch die lang anhaltende antibakterielle Wirkung von Chlorhexidin. Neben Interaktionen mit Bakterien finden auch Interaktionen mit Nahrungsmitteln und Getränken statt. So bleiben die Farbmoleküle aus den Lebens- und Genussmitteln an der Zahnoberfläche leichter haften und führen nach und nach zu Verfärbungen.

Und dann ist es spannend herauszufinden, welche Getränke mehr und welche weniger zu Verfärbungen führen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Getränke ausgewählt?

Bisher wurden die meisten Studien nur mit stark färbenden Lebensmitteln oder Getränken durchgeführt wie zum Beispiel Schwarztee, Kaffee oder Rotwein. Wir wollten die Bandbreite vergrößern und haben elf repräsentative Getränke aus dem europäischen Markt mit einem unterschiedlichen pH-Wert und unterschiedlichem Verfärbungspotenzial ausgewählt.

Wie war das Design Ihrer Studie?

Für die Herstellung geeigneter Proben wurden extrahierte menschliche Backenzähne verwendet. Wir haben die halben Zahnkronen einer zyklischen Behandlung mit künstlichem Speichel und einer 0,2-prozentigen CHX-Mundspülung in Kombination mit einer Reihe von Getränken ausgesetzt. Diesen Zyklus haben wir 28-mal wiederholt, um eine Anwendung der Mundspüllösung über 14 Tage zu simulieren. Zusätzlich zur Lagerung der Proben in den jeweiligen Lösungen haben wir sie in einem Zahnputzsimulator einmal mit Wasser und einmal mit Zahnpasta gebürstet, um auch die Auswirkung der mechanischen Reinigung aufzugreifen. Das Bürsten erfolgte in jedem Zyklus, außer im ersten Zyklus, das heißt es wurde 27-mal gebürstet., um die tägliche Reinigung zu simulieren. Folgende Getränke wurden getestet: Diät-Cola, Diät-Limonade, Weißwein, Rotwein, Lagerbier, schwarzer Tee, Kaffee, schwarzer Tee mit Milch, Milchkaffee, Ingwer-Zitronentee und Wasser. Im Anschluss wurden die Proben fotografisch dokumentiert, es wurde eine Farbmessung durchgeführt und die Oberflächen wurden mittels Rasterelektronenmikroskopie analysiert.

Jetzt kommen wir zum spannenderen Teil, zu den Ergebnissen. Was hat denn die Studie gezeigt?

Zusammenfassend lässt sich zuerst sagen, dass das Protokoll mit und ohne Bürstschritt geeignet war, um die Zahnverfärbungen zu differenzieren. Wir konnten die Getränke nach deren Verfärbungspotenzial einteilen.

Dabei zeigte sich, dass Schwarztee und Rotwein — wie zu erwarten — die intensivsten Verfärbungen hervorrufen. Leichte bis mittelstarke Verfärbungen wurden nach der Behandlung mit dem Ingwer-Zitronentee festgestellt oder auch bei Milchkaffee, Tee mit Milch und Bier. Ein nur sehr geringes Verfärbungspotenzial haben wir bei Weißwein oder Diät-Limonade beobachtet, das im Bereich der Wasserkontrolle lag. Außerdem zeigte sich, dass das Putzen mit Zahnpasta effektiver war als die rein mechanische Reinigung mit Zahnbürste und Wasser, was aber die Reihenfolge der Stärke von Verfärbungen nicht geändert hat.

Nach der Behandlung mit stark färbenden Getränken bestätigte die rasterelektronenmikroskopische Auswertung die Bildung einer Oberflächenschicht. Je nach Getränk war die mechanische Beständigkeit der Verfärbungsschicht unterschiedlich. Die Zugabe von Milch zu Tee und Kaffee veränderte die Struktur der Verfärbungsschicht und verringerte ihr Anhaften an der Zahnoberfläche erheblich.

Welche Erkenntnisse können durch diese Studienergebnisse für die Praxis gewonnen werden?

Aus der Literatur ist bekannt und auch unsere Studie belegt, dass Chlorhexidin an sich kein Verfärbungspotenzial besitzt; Voraussetzung ist immer eine Interaktion mit einer färbenden Komponente. Bei der Anwendung allein passiert also gar nichts. Es sind veränderbare Patientenfaktoren, wie der Konsum von bestimmten Getränken, die zu Verfärbungen führen. Zahnärzte und -ärztinnen können diese Erkenntnisse nutzen und ihre PatientInnen entsprechend aufklären und ihnen wertvolle Tipps geben, um diese Verfärbungen zu vermeiden oder zu reduzieren.

Es gibt Menschen, die lieber auf die Verwendung von Chlorhexidin-haltigen Mundspülungen verzichten würden, weil sie Verfärbungen befürchten. Wie können Zahnärzte und Zahnärztinnen die Compliance ihrer PatientInnen erhöhen?

Am erfolgreichsten ist eine sorgfältige Patientenaufklärung und -instruktion. Eben haben wir von veränderbaren Patientenfaktoren gesprochen; Zahnärzte und -ärztinnen können beispielsweise ihren PatientInnen empfehlen, während einer Chlorhexidin-Therapie stark färbende Lebensmittel oder Getränke zu vermeiden oder auch in dieser Zeit Tee oder Kaffee nur mit Milch zu trinken. Es war interessant für mich festzustellen, dass die Verfärbungsschicht auf den Zähnen bei einer Verdünnung der Getränke mit Milch nicht so hartnäckig und fest war und sich besser entfernen ließ.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, färbende Lebensmittel nicht unmittelbar nach der Anwendung von Chlorhexidin-haltigen Mundspülungen zu konsumieren, das heißt den Abstand bis zur nächsten Mahlzeit möglichst groß zu gestalten und die tägliche mechanische Reinigung nicht zu vernachlässigen. Des Weiteren sollten die PatientInnen zudem aufgeklärt werden, dass selbst hartnäckige Verfärbungen mit einer professionellen Zahnreinigung nach der Behandlung entfernt werden können.

Das Gespräch führte Dr. Nikola Lippe.

REM-Aufnahmen der menschlichen Zahnschmelzproben nach Behandlung mit Chlorhexidin in Kombination mit verschiedenen Getränken, In-vitro-Modell: a: schwarzer Tee (pH 4,7), b: schwarzer Tee mit Milch (pH 4,8)

Sarembe, S., et al. The Impact on Dental Staining Caused by Beverages in Combination with Chlorhexidine Digluconate. European Journal of Dentistry, 2022.
Die Studie war eine Auftragsarbeit der Firma Haleon (ehemals GlaxoSmithKline).

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