Zahnärztekammern setzen auf Influencerinnen

Kampagne zur ZFA-Ausbildung geht bundesweit an den Start

Nachwuchs für die ZFA-Ausbildung zu finden, wird immer schwieriger. Viele Berufe werben um junge Menschen. Die Zahnärztekammern wollen deshalb ab 2024 mit einer bundesweiten Kampagne gemeinsam neue Wege gehen, um Jugendliche und deren Eltern anzusprechen. Ihren Ursprung hat die Kampagne bei der Zahnärztekammer Nordrhein.

Auch wenn die Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) nach wie vor unter den Top Ten der Ausbildungsberufe in Deutschland liegt, so merken doch Zahnärztinnen und Zahnärzte immer stärker, wie schwierig es geworden ist, junge Menschen für diesen Berufsweg zu finden. Schließlich gibt es den Fachkräftemangel in vielen Branchen, die alle auf sich aufmerksam machen wollen. Wichtig ist deshalb, die Ausbildung zur/zum ZFA überhaupt erst mal ins Bewusstsein zu bringen. Doch wie kann das gelingen?

Um die Jugendlichen zu erreichen, arbeiten die Zahnärztekammern Nordrhein, Hessen, Berlin und Niedersachsen seit einiger Zeit gemeinsam an einer Ausbildungskampagne – in Nordrhein hatte man bereits 2017 damit begonnen. In diesem Jahr hat man nun die Kampagne zusammen mit einer Düsseldorfer Agentur neu ausgerichtet. Zentrales Element ist diesmal die direkte Ansprache der Zielgruppe über Influencerinnen bei TikTok. Hintergrund: 44 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen das Videoportal mindestens einmal pro Woche (ARD/ZDF-Onlinestudie). Im Durchschnitt kommt diese Altersgruppe auf 155 Minuten Videokonsum täglich.

Die TikTok-Videos wurden 2,7 Millionen Mal aufgerufen

Damit die richtige Ansprache gelingt, hat man vier Influencerinnen für die Kampagne gewonnen – darunter mit Jule Nagel (@julesboringlife) die TikTokerin mit den meisten Followern unter allen deutschsprachigen Accounts im vergangenen Jahr (6,5 Millionen Follower). Alle vier Influencerinnen haben einen Tag in einer Zahnarztpraxis verbracht und im Anschluss ihren Followern in zwei Videos (Praxisbericht und Beantwortung von FAQ) über die Arbeit einer/eines ZFA berichtet.

Ausgespielt wurden die TikTok-Videos Ende Februar – mit durchschlagendem Erfolg: Die höchste Reichweite erreichte Jule Nagel mit knapp zwei Millionen Aufrufen, insgesamt kam man auf eine Reichweite von 2,7 Millionen. Dass sich dieser Aufwand lohnt, zeigen die Ausbildungszahlen in Nordrhein, die seit 2017 um 25 Prozent gesteigert werden konnten (siehe Interview mit Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler).

Ergänzend werden die Eltern adressiert

Aber nicht nur die Jugendlichen selbst sind als Zielgruppe wichtig. Eine große Rolle spielen auch die Eltern. Denn diese sind bei der Berufswahl oft die wichtigsten Berater ihrer Kinder. Deshalb habe die Kampagne über diverse Online-Anzeigen in Eltern-relevanten Medien im vergangenen Dezember und Januar mehrere hunderttausend Personen erreicht und mehrere tausend Interessierte auf die Internetseite der Kampagne gelenkt, berichtet die Zahnärztekammer Nordrhein.

„Influencerinnen übersetzen unsere Inhalte für Jugendliche“

Die Zahnärztekammer Nordrhein versucht seit 2017, mit einer speziellen Kampagne junge Menschen für die ZFA-Ausbildung zu begeistern. Inzwischen kommen Influencerinnen zum Einsatz. Ab dem nächsten Jahr soll die Kampagne unter der Koordination der Bundeszahnärztekammer bundesweit laufen. Wir sprachen mit dem Präsidenten der ZÄK Nordrhein, Dr. Ralf Hausweiler, über die Kampagne und deren Erfolge.

Herr Dr. Hausweiler, an der Kampagne für die ZFA-Ausbildung beteiligen sich inzwischen die Zahnärztekammern Hessen, Niedersachsen und Berlin. Im nächsten Jahr soll sie bundesweit starten. Was ist das Besondere an der Kampagne?

Dr. Ralf Hausweiler: Das Besondere an unserer Kampagne ist, dass wir von Anfang an die Interessen unserer Zielgruppe in den Mittelpunkt gestellt haben und uns nicht darauf versteift haben, was wir gerne sehen würden. Denn wir sind nicht die Zielgruppe, das müssen wir uns immer vor Augen halten. Als wir 2017 gestartet sind, haben wir deshalb eng mit Berufsschulklassen zusammengearbeitet, um dort zu testen, welche Inhalte gut ankommen und welche nicht. Das führte zu mitunter überraschenden Erkenntnissen, denn der Wurm muss bekanntlich dem Fisch schmecken.

Klar ist aber auch, dass wir als Kammer natürlich inhaltliche Qualitätsansprüche haben, die unverhandelbar sind. Deshalb wird selbstverständlich jeder Inhalt vor der Veröffentlichung von uns abgenommen. Ebenso wichtig ist zudem, dass wir unsere Kampagne regelmäßig weiterentwickeln. So wie sich unsere Zielgruppe verändert hat, haben sich seit 2017 auch unsere Inhalte verändert. Während wir in den ersten Jahren noch mit gecasteten ZFA selbst Videos produziert haben, setzen wir jetzt auf eine Zusammenarbeit mit Influencerinnen bei TikTok. Der Vorteil ist, dass die Influencerinnen das Vertrauen der jungen Menschen genießen und deren Sprache sprechen. Wir geben die Inhalte vor und die Influencerinnen übersetzen diese für die Jugendlichen.

Gibt es schon ein erstes Feedback oder Klickzahlen?

Bislang haben wir überwiegend positive Rückmeldungen bekommen. Die Videos kommen sehr gut bei den TikTok-Nutzerinnen und -Nutzern an, insgesamt 2,7 Millionen Mal wurden unsere Videos dort gesehen und mehr als 240.000-mal gelikt und kommentiert – mehr als 70 Prozent der Kommentare waren dabei positiv. Kurzum: Wir erreichen unsere Zielgruppe. Aber auch die Kollegenschaft unterstützt die Kampagne. Parallel zu unseren Online-Aktivitäten bieten wir unseren Mitgliedern kostenlose Werbe-Flyer und Plakate zum Aufhängen in der Praxis an, die regelmäßig bei uns nachgeordert werden.

Eine weitere positive Rückmeldung haben wir auf Umwegen vonseiten der Ärzteschaft bekommen. Denn die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben vor wenigen Wochen ebenfalls eine Ausbildungskampagne an den Start gebracht – und setzen dabei auch auf die Zusammenarbeit mit Influencern. Auch dort scheint sich der Erfolg unserer Kampagne herumgesprochen zu haben – eine schöne Anerkennung für unsere Arbeit.

Gibt es konkrete Erfolge, die auf die Kampagne zurückzuführen sind?

Wir beobachten seit Beginn der Kampagne einen deutlichen Anstieg unserer Ausbildungszahlen. 2016 – noch vor unserer Kampagne – lagen wir in Nordrhein bei rund 1.600 Auszubildenden pro Jahr. Inzwischen hat sich diese Zahl auf durchschnittlich mehr als 2.000 stabilisiert, was einer Steigerung um rund 25 Prozent entspricht. Zudem waren im Jahr 2018 70 Prozent aller Neuverträge der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen ZFA-Ausbildungsverträge. Das sind ordentliche Erfolge, an die wir nun bundesweit anknüpfen wollen.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwierig, Nachwuchs für die Arbeit in einer Zahnarztpraxis zu begeistern?

Wir stehen bei diesem Punkt vor mehreren Herausforderungen. Einerseits bekommen wir den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel zu spüren. Entsprechend groß ist der Wettbewerb um die Nachwuchskräfte, denn wir sind ja nicht die einzigen, die nach Auszubildenden suchen. Die Situation lässt sich mit einer zu kleinen Tischdecke vergleichen, an der von allen Seiten gezogen wird, um die Tischplatte zu bedecken.

Andererseits müssen wir das Image des Berufsfelds aufwerten. Studien zeigen, dass junge Menschen bei ihrer Jobsuche heute verstärkt Wert auf eine sinnvolle und erfüllende Tätigkeit legen. Demgegenüber steht das – leider noch immer verbreitete – Vorurteil der „Helferin“, die nur den Sauger hält. Da setzen wir an und zeigen, dass der Beruf der ZFA ein vielseitiger und vor allem verantwortungsvoller Job ist, der die Anforderungen junger Menschen an ihren Beruf erfüllt.

Wie soll die Kampagne weiterentwickelt werden?

Wir haben im Frühjahr zusammen mit den Influencerinnen den Arbeitsalltag einer ZFA gezeigt. Das hat sehr gut funktioniert, aber wir können jetzt natürlich nicht ewig auf dasselbe Konzept setzen, da es sich sonst schnell abnutzt. Entsprechend geht es darum, immer wieder neue inhaltliche Ansätze zu finden, die eine positive Botschaft über den Beruf der ZFA vermitteln. Und natürlich müssen wir die Interessen unserer Zielgruppe im Blick behalten. Die Mediennutzung verändert sich insbesondere bei jungen Menschen rasend schnell, so dass es gut sein kann, dass wir irgendwann wieder auf eine andere Herangehensweise setzen.

Wie werden sich die anderen Kammern einbringen können?

Wir werden eine länderübergreifende Arbeitsgruppe bilden, in der wir die Strategie der Kampagne gemeinsam erarbeiten werden. Natürlich werden auch der BZÄK-Vorstand und damit automatisch die 17 Kammern eng eingebunden. Zudem werden wir auf der Kampagnenwebseite die jeweiligen regionalen Unterschiede und Ansprechpartner integrieren.

Neue Auszubildende zu gewinnen ist das eine, sie zu halten das andere. Was müssen Praxisinhaberinnen und -inhaber tun, damit die Ausbildung abgeschlossen wird und die ausgelernte ZFA dann auch in der Praxis bleibt?

Wir gehen mit diesem Problem sehr offen um. In Nordrhein wird rund ein Drittel der angefangenen Ausbildungen nicht beendet. Daher reicht es nicht aus, nur neue Fachkräfte zu gewinnen. Wir sensibilisieren daher die Kollegenschaft fortwährend dafür, mit ihren Mitarbeitenden wertschätzend umzugehen. Talente dürfen in der Praxis zudem nicht nur gefordert, sondern müssen auch gefördert werden. Denn wenn eine ZFA sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlt und die Möglichkeit bekommt, sich weiterzuentwickeln, gibt es keinen Grund, den Beruf zu verlassen.

Das Gespräch führte Sascha Rudat.

Dass eine solche Kampagne aufwendig und auch nicht ganz günstig zu haben ist, liegt auf der Hand. Um die erfolgreiche Kampagne bundesweit auszubauen, haben die 17 Zahnärztekammern der Länder im Juni beschlossen, ab 2024 gemeinsam an den Start zu gehen. Koordiniert werden soll das Ganze über einen Fachbeirat, der bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) angesiedelt ist. Die einzelnen Kammern können sich mit ihren bereits laufenden Projekten einbringen. Die fachliche Führung – so die Zusammenarbeit mit der Agentur – bleibt bei der Zahnärztekammer Nordrhein. BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz hält eine bundesweite Kampagne für den richtigen Weg: „Personalmangel ist eines der drängendsten Probleme in unseren Praxen. Gleichzeitig sehen wir, dass die klassischen Wege für das Berufsbild ZFA zu werben kaum noch zünden. Das Influencerinnen-Konzept der Landeszahnärztekammer Nordrhein dagegen ist neu und funktioniert so gut, dass wir es jetzt gerne bundesweit übernehmen.“

Weiter geht es mit Beauty-Influencerinnen

Aber natürlich will man mit dem Konzept nicht stehen bleiben. So ist beispielsweise für 2024 angedacht, Beauty-Influencerinnen und -influencer einzubinden, um über die Schiene Zahnmedizin und Ästhetik neue Interessierte anzusprechen. Gleichzeitig möchte man Zahnärztinnen und Zahnärzte, die bereits TikTok- und Kamera-Erfahrung haben, ins Boot holen. Glaubwürdigkeit soll dabei im Vordergrund stehen. Außerdem soll die Kampagnenseite modernisiert werden.

Kampagnenseite: www.zfa-beruf.com

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