Hochzeit, Todesfall & Co.

Das Recht auf Sonderurlaub

Der beste Freund heiratet, ein Umzug steht an, das Kind ist krank: Wann steht einem Mitarbeiter Sonderurlaub zu?

Ohne Arbeit kein Lohn oder wie es das Gesetz, Paragraf 614 BGB, formuliert: „Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten.“ Doch es gibt Ausnahmen. Die zwei bekanntesten sind der Anspruch auf bezahlten Urlaub und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Rechtlicher Ausgangspunkt ist Paragraf 616 BGB. Dort heißt es: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“

Der Arbeitnehmer muss einen persönlichen Grund haben

Aus dem Juristensprech übersetzt heißt das: Erstens muss ein Verhinderungsgrund des Arbeitnehmers vorliegen. Hier sind insbesondere familiäre Ereignisse anerkannt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) schränkt das allerdings dahingehend ein, dass ein persönlicher Umstand vorliegen muss, der die Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer unzumutbar macht. Die Interessen des Arbeitgebers sind dabei gegen die Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen (BAG, Urteil vom 18. Dezember 1959, GS 8/58). Anerkannt sind beispiels­weise folgende Fälle:

  • die eigene Hochzeit (standesamtlich und kirchlich)

  • die Hochzeit der Kinder

  • die eigene Silberhochzeit

  • die Goldene Hochzeit der Eltern

  • die Niederkunft der Ehefrau oder Lebensgefährtin

  • die Beerdigung von engen Angehörigen (Eltern, Kinder, Geschwister) oder im Haushalt lebenden Personen

  • religiöse Feste der eigenen Kinder (Erstkommunion, Konfirmation)

  • Umzug (aus dienstlichen Gründen)

In Betracht kommen aber auch persönliche Unglücksfälle wie Einbruch, Brand sowie Termine bei Behörden und Gerichten oder eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter.

Die Gründe müssen allerdings immer persönlicher Natur sein. Fällt zum Beispiel wegen eines Streiks die Bahn aus, kann der Arbeitnehmer zwar womöglich nicht oder nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen. Das ist aber keine persönliche Verhinderung, sondern eine die Allgemeinheit treffende Situation. In diesem Fall fehlt der Arbeitnehmer zwar am Arbeitsplatz, verliert aber für die Ausfallzeit seinen Vergütungsanspruch.

Zweitens darf die Verhinderung nur „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bestehen. Was bedeutet das? Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses: Bei Beschäftigungszeiten bis zu drei Monaten gilt ein Tag als unerheblich, bei Beschäftigungszeiten von drei bis sechs Monaten drei Tage, von sechs bis zwölf Monaten eine Woche, ab einem Jahr und darüber hinaus höchstens zwei Wochen pro Jahr.

Entscheidend ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses

Drittens darf die Verhinderung nicht schuldhaft herbeigeführt worden sein. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Arbeitnehmer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat. Das wird nur in ganz wenigen Ausnahmefällen der Fall sein und würde übrigens sogar eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verhindern (§ 3 EntgFG).

So wurde ein Verschulden für Verletzungen wegen der Ausübung einer gefährlichen Sportart bisher nur für Kickboxen angenommen. Anerkannt ist auch, dass ein Unfall, der auf Alkoholkonsum zurückzuführen ist, selbstverschuldet ist. Und auch wenn sich Arbeitnehmer im Hinblick auf Krankheiten grob leichtsinnig oder sogar regelwidrig verhalten, kann dies ein Verschulden begründen.

Sind die genannten Voraussetzungen gegeben, kann die Mitarbeiterin also dem Dienst fernbleiben und behält ihren Vergütungsanspruch. Das Fehlen muss sie allerdings unter Angabe der Begründung ihrem Chef so rechtzeitig wie möglich mitteilen. In Zweifelsfällen sollte fachkundiger Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht eingeholt werden.

Der Ausfall darf nicht selbstverschuldet sein

Achtung: § 616 BGB ist kein zwingendes Recht. Im Arbeitsvertrag kann die Vorschrift ausgeschlossen werden. Viele Musterarbeitsverträge sehen das auch so vor. Ob man als Praxisinhaber damit allerdings erfolgreiche Personal­akquise betreiben kann, steht auf ­einem anderen Blatt. Das regelt letztlich der Arbeitsmarkt. Wo Tarifverträge anzuwenden sind, gelten die dort vorgesehenen Regelungen. Ist § 616 BGB ausgeschlossen oder liegen die oben genannten Voraussetzungen nicht vor, bleibt nur noch die Möglichkeit, unbezahlten Sonderurlaub zu vereinbaren. Einfaches unentschuldigtes Fehlen ist Arbeitnehmern nicht zu empfehlen. Dies kann nach entsprechender Abmahnung zur fristlosen Kündigung führen.

Ergänzend erwähnt sei, dass es noch eine ganze Reihe spezialgesetzlich geregelter Fälle gibt, in denen Lohn auch ohne Arbeit gezahlt wird. Das sind bekanntermaßen die gesetzlichen Feiertage, aber auch eine Betriebsratstätigkeit, ärztliche Untersuchungen von jugendlichen Mitarbeitern, Beschäftigungsverbote und ärztliche Untersuchungen für werdende Mütter, Berufsschulunterricht und Prüfungsteilnahmen, ein Einsatz als Helfer im Katastrophen- und Zivilschutz oder bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Sonderfall Kinderkrankengeld

Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer haben Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenkasse, wenn sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Der Anspruch auf Kinderkrankengeld umfasst aktuell als Nachwirkung der Pandemie für das Jahr 2023 für jedes Kind maximal 30 Arbeitstage (60 Arbeitstage bei Alleinerziehenden), insgesamt für alle Kinder zusammen aber nicht mehr als 65 Arbeitstage jährlich (130 Arbeitstage bei Alleinerziehenden). Ab 2024 sollte dies auf den Zustand vor der Pandemie auf 10 Arbeitstage pro Kind (20 Arbeitstage bei Alleinerziehenden) und insgesamt 25 Arbeitstage jährlich (50 Arbeitstage bei Alleinerziehenden) reduziert werden. Der Bundestag hat allerdings bereits ein Gesetz verabschiedet, das die Grenze von 10 Arbeitstagen auf 15 Arbeitstage ab 2024 anpasst. Der Bundesrat muss dem noch zustimmen.

Ohne zeitliche Begrenzung besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld bereits jetzt in Palliativfällen mit einer begrenzten Lebenserwartung des Kindes von nur noch Wochen oder wenigen Monaten.

Eine weitere Gesetzesinitiative wurde von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt: War bislang für den Bezug von Kinderkrankengeld bereits ab dem ersten Erkrankungstag eine ärztliche Bescheinigung erforderlich, soll dies auf den vierten Krankheitstag angepasst werden, um insbesondere die Kinderarztpraxen zu entlasten. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordert sogar einen kompletten Verzicht auf das ärztliche Attest, da die Voraussetzungen vom Kinderarzt häufig gar nicht überprüft werden könnten. Es bleibt abzuwarten, was aus der Gesetzesinitiative wird.

Bernhard Kinold

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht
HASLER KINOLD - Rechtsanwälte

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