Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer

„Seien Sie Influencer für den ländlichen Raum!“

Trotz aller Krisen und Probleme im Gesundheitswesen – die Zahnärzteschaft blickt mit Zuversicht in die Zukunft, wie die Botschaften auf der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer zeigten. Scharfe Kritik äußerten die Delegierten jedoch an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Sie benannten politische Schwachpunkte und legten Lösungsansätze vor. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sein Kommen kurzfristig abgesagt.

Zahnmediziner haben eine wichtige Entscheidung getroffen: Für einen heilenden Beruf, bei dem Einiges auf dem Spiel steht: die Gesundheit, das Wohlergehen, im Extremfall das Leben von echten Menschen.“ Mit diesen Worten begrüßte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz die Delegierten zur diesjährigen Bundesversammlung am 17. und 18. November in Schönefeld bei Berlin. „Die Selbstständigkeit der Freien Berufe ist immer das gewesen, was am besten zu uns als Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern passt: die eigene Praxis, das eigene Team, die eigenen Patientinnen und Patienten.“

Genau diesen Zielen aber lege die Gesundheitspolitik Steine in den Weg, sagte Benz. Was auch vonseiten der Bundesregierung mehr als symbolisch deutlich wurde: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Tag zuvor sein Kommen abgesagt. Stattdessen war Andreas Brandhorst, Referatsleiter Zahnmedizin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), erschienen, um – nicht ohne ein leichtes Augenzwinkern – Lauterbachs Rede im Wortlaut („Ich freue mich sehr, heute zum ersten Mal als Bundesgesundheitsminister auf dem Deutschen Zahnärztetag sprechen zu dürfen.“) vorzutragen.

Der Minister erklärte darin, die wiedereingeführte Budgetierung der neuen Parodontitistherapie-Strecke im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) sei angesichts des Defizits im GKV-Bereich notwendig gewesen. Der Fehlbetrag sei dabei auf mehrere Schultern verteilt worden – auch Ärzte, Apotheker und die Pharmabranche seien in die Pflicht genommen worden. Und diese Maßnahmen halte er nach wie vor für vertretbar. Überdies seien weitere Strukturreformen im Gesundheitswesen in Arbeit – etwa die Krankenhausreform, die digitale Transformation des Gesundheitswesens oder die Entbürokratisierung. Auch das Thema investorenbetriebene MVZ griff der Minister auf. Er stehe dem Modell kritisch gegenüber, neue Regelungen dazu seien in Arbeit, ließ er Brandhorst in seinem Namen verkünden.

Benz: „Ein Euro für die PAR spart 76 Euro an Folgekosten“

Benz unterstützte in seiner Rede das Ansinnen der protestierenden Heilberufler, die im Schulterschluss nach draußen gehen, um ihrem Unmut gegenüber dieser Art von Gesundheitspolitik Luft zu machen. Er verwies auf die großen Protestaktionen im Sommer auf Schalke, in Köln, Berlin oder Hannover, denen regional weitere gefolgt seien und künftig weitere folgen würden. „Noch nie sind so viele von uns auf die Straße gegangen! Unsere Schwarmintelligenz wird nicht ungehört bleiben!“

Große Probleme gebe es bei der Versorgung auf dem Land, wie er weiter ausführte. Deswegen habe der BZÄK-Vorstand in seiner „Warnemünder Erklärung“ Lösungsvorschläge erarbeitet. Die Botschaft: Junge Kolleginnen und Kollegen hätten gute Chancen und Perspektiven bei einer Niederlassung auf dem Land. Die Versorgungsbedarfe seien groß und auch die Verdienstmöglichkeiten gut. Die Delegierten rief er auf: „Seien Sie Influencer für den ländlichen Raum!“ Und: „Geben Sie die Liebe zu Ihrem Beruf weiter und werben Sie damit bei der Jugend!“

Benz kritisierte die mit dem GKV-FinStG wiedereingeführte strikte Budgetierung, die allem voran die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie bedrohe. Entgegen der Darlegungen des Evaluationsberichts des Bundesgesundheitsministeriums (Tenor: Eine Verschlechterung der Versorgung sei nicht festgestellt worden.) seien die PAR-Behandlungen linear zurückgegangen, erklärte er. Hier müsse die Zahnärzteschaft laut werden. „Wir können keine Neupatienten mehr aufnehmen. Und wir müssen der Politik klarmachen: Ein Euro für die PAR spart 76 Euro an Folgekosten für die Gesundheit.“

Monstadt: „Räumen Sie mit den Missständen auf!“

Versöhnliche Worte für die Zahnärzteschaft kamen von der Opposition. Dietrich Monstadt (CDU), Mitglied im Bundestags-Gesundheitsausschuss und Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für den Bereich Zahnmedizin, zeigte Verständnis für den Unmut der Zahnärzte. „Räumen Sie mit den Missständen auf“, ermunterte er den Berufsstand. Monstadt begrüßte die Warnemünder Erklärung der BZÄK. Teuren Doppelstrukturen in der Versorgung – wie den Gesundheitskiosken – erteilte er eine Absage: „Halten Sie dagegen, Sie haben die Sachargumente!“ Auch unterstütze er die Niederlassung junger Zahnmediziner auf dem Land. „Der ländliche Bereich ist für Zahnarztpraxen auch wirtschaftlich erfolgreich“, sagte er. Für ihn sei nicht verständlich, dass die Politik die neue Parodontitistherapie ausgebremst habe. „Bleiben Sie dran und kämpfen Sie“, forderte er die Zahnärzteschaft auf.

Die Gefährdung des Sicherstellungsauftrags in der zahnärztlichen Versorgung griff Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), in seinem Grußwort auf. Angekündigte Reformen würden nicht umgesetzt. Vor allem bedrohe die mit dem GKV-FinStG wiedereingeführte strikte Budgetierung allem voran die neue Parodontitistherapie. Dies führe zur Verschlechterung der Gesundheit im Land. Die Forderung der KZBV: „Weniger Staat, eine Verbesserung der beruflichen Rahmenbedingungen, eine dauerhafte Abschaffung der Budgetierung und praxisnahe digitale Lösungen!“

Von Laffert: „Bei iMVZ ist noch nicht viel passiert“

Nachdem Lauterbach vor knapp einem Jahr angekündigt hatte, investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) stärker zu regulieren, sei bisher nicht viel passiert, kritisierte BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert. Dass das Problem in diesem Jahr nicht kleiner geworden sei, belegte er mit einer Reihe von Zahlen. Er wandte sich auch gegen den Mythos, dass iMVZ familienfreundlichere Arbeitsbedingungen bieten. „Fakt ist: Die Teilzeitquote in den iMVZ ist nachweisbar die niedrigste aller Praxisformen und die Arbeitszeiten inklusive Wochenend- und Nachtschichten sind alles, nur nicht familienfreundlich“, so der Vizepräsident. Kein gutes Haar ließ von Laffert an dem Eckpunktepapier des BMG zum Bürokratieabbau, das einige Tage zuvor veröffentlicht worden war. Er habe in dem Papier keinen einzigen Punkt gefunden, der die Zahnärzteschaft betreffe. „Das Papier ist eine gnadenlose Enttäuschung“, bilanzierte er.

Ein Schwerpunkt seiner Rede war die „Abschließende Wischdesinfektion bei semikritischen Medizinprodukten“. Wie von Laffert erläuterte, sei diese seit über 20 Jahren bewährte Praxis nach Ansicht der obersten Hygienebehörden der Länder und des RKI plötzlich nicht mehr ausreichend (zm 22/2023). Stattdessen solle diese manuelle Praxis nach dem Willen der Behörden künftig regelmäßig validiert werden. „Das, liebe Aufsichtsbehörden und liebes RKI, ist ein bürokratischer Wahnsinn, der seines gleichen sucht“, so von Laffert. Es gelte in einer gemeinsamen Aktion aller Körperschaften und Verbände zu verhindern, dass etablierte Medizinprodukte nicht mehr verwendet werden können, weil es plötzlich völlig neue Vorgaben an die Validierung gibt. Gleichfalls müsse die Pflicht zum Einsatz von externen Validierern verhindert werden.

Ermler: „Die GOZ ist nicht statisch“

BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler sagte, es müsse alles dafür getan werden, die Niederlassungsbereitschaft insbesondere im ländlichen Raum zu stärken und dies mit positiven Botschaften zu unterstützen. „Die Bundeszahnärztekammer ist fest davon überzeugt, dass die qualitativ beste und die Versorgung sicherstellende Lösung nach wie vor die inhabergeführte Hauszahnarztpraxis ist“, sagte sie.

Zum Dauerthema Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ) sagte die BZÄK-Vizepräsidentin, dass alle Versuche, das BMG zu zwingen, „sich mit der aus unserer Sicht katastrophalen Punktwertsituation zu befassen, bis dato nicht erfolgreich waren“. Auch wenn der Gesetzgeber seit Jahrzehnten mauere: „Die GOZ ist nicht statisch. Die GOZ lebt!“ Weitere Themen ihrer Rede waren die aus ihrer Sicht permanenten Fehlentscheidungen des BMG in Sachen Telematikinfrastruktur zulasten der Leistungserbringer sowie die Aufklärungskampagne der BZÄK zur Parodontitisbehandlungsstrecke. Diese Kampagne, deren Zielgruppe zuletzt in Richtung politische Entscheider geändert wurde, sei überaus erfolgreich verlaufen, betonte Ermler.

Einen großen Schwerpunkt auf der Versammlung nahmen die Delegierten-Beratungen über eingebrachte Anträge ein. Einstimmig wurde der Leitantrag des BZÄK-Bundesvorstands zur Stärkung von inhabergeführten freiberuflichen Strukturen angenommen. Diese Praxis hätte Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt, gerade auch weil sie ihre Patienten und Patientinnen nicht nach Rendite selektieren könne, formulierten sie in dem Antrag. Sie sei die Struktur, die sich auch den Bedürfnissen der Bevölkerung, insbesondere des ländlichen Raumes, optimal anpasse.

Intensiv und teilweise auch kontrovers diskutierten die Delegierten über das Thema Fachkräftemangel in den Praxen. Sie forderten infrastrukturelle Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Attraktivität einer Beschäftigung zu fördern. Auch sollten attraktivere Arbeitsbedingungen –einschließlich einer zeitgemäßen Vergütung für die Zahnmedizinischen Fachangestellten – geschaffen werden. Hier müssten der Bundesvorstand und alle zuständigen Körperschaften aktiv werden, den eklatanten Fachkräftemangel in den Praxen zu beseitigen, so das Votum.

Um Digitalisierung drehten sich weitere Beschlüsse. Digitalisierung müsse eine Arbeitsentlastung und Kostenersparnis erzeugen und so einen Mehrwert für die Patientenbehandlung bieten, hieß es. Neben verschiedenen Anträgen zur GOZ forderten die Delegierten die Politik auf, den Ausverkauf der Zahnheilkunde an Investoren zu stoppen. Und dringlich: Es solle weiterer unnötiger Bürokratieaufbau gestoppt werden – so solle die abschließende Wischdesinfektion in den Praxen unverändert beibehalten werden.

Ehrung für Wolfgang Eßer und Lutz Müller

Im festlichen Teil der Versammlung wurden der langjährige ehemalige Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, und Lutz Müller, langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes Dentalhandel (BVD), mit der Goldenen Ehrennadel der BZÄK geehrt. „Alles, was wir erreichen konnten, haben wir auf Initiative der Zahnärzteschaft erreicht“, sagte Eßer in seiner Dankesrede. Seine Botschaft: „Wir alle müssen unsere Komfortzone verlassen und der Politik klare Kante zeigen: Es reicht!“

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.