Pläne des Verteidigungsministeriums stoẞen auf Widerstand

Selbstverwaltung gegen Umstrukturierung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

Ärzte- und Zahnärzteverbände sind geschlossen gegen die Pläne des Verteidigungsministeriums, den Sanitätsdienst der Bundeswehr als eigene Einheit aufzulösen. Sie warnen vor dem Verlust an Fachlichkeit und Effizienz. Auch die chirurgischen Fachgesellschaften sehen die Pläne kritisch.

Offenbar will das Bundesverteidigungsministerium (BVMG) die Bundeswehr neu strukturieren. So soll der Sanitätsdienst der Bundeswehr (SanDstBw) nicht mehr als eigenständige Organisation weitergeführt werden, sondern zusammen mit der Streitkräftebasis in einem Unterstützungsbereich zusammengeführt werden. Die Streitkräftebasis ist ein Dienstleister, der auch für die Logistik der Bundeswehr zuständig ist.

Verbände der Ärzte und Selbstverwaltung – die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) – warnen vor einer Abkehr der bisherigen schlagkräftigen und effizienten Strukturen des Sanitätsdienstes.

Organisatorische Abwertung der Gesundheitsversorgung

Die Zusammenführung von Sanitätsdienst und Streitkräftebasis kommt einer organisatorischen Abwertung der Gesundheitsversorgung gleich, da die eigenständige Hoheit des Bereichs entfallen soll. An der Spitze soll nur noch ein Kommandeur stehen, der unterhalb des Dienstgrades der Inspekteure angesiedelt ist.

In einem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vom 27. Februar betonen die Verbände daher, dass „ein auf fachlich höchstem Niveau in eigenständigen Strukturen unter durchgehend sanitätsfachlicher Leitung arbeitender Sanitätsdienst nicht nur von hohem Wert für die Aufgabenerfüllung der Bundeswehr" sei. Er habe auch „elementare Bedeutung für die zivil-militärische Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich“. Das betreffe sowohl die Bewältigung von nationalen Krisensituationen wie die Aus- und Weiterbildung militärischen und zivilen Personals.

Nur ein eigenständiger Dienst unter fachlicher Leitung könne die Aufgaben im Krisenfall bewältigen, wie die Zusammenarbeit mit zivilen Einrichtungen zur Versorgung von Verletzten. Die etablierten Strukturen hätten sich in der Vergangenheit bewährt und sollten nicht verändert werden.

Die Verbände sind besorgt, dass die bisherige Eigenständigkeit und Fachlichkeit des Sanitärdienstes mit seiner Aufbau- und Führungsstruktur zerschlagen werden soll. Beides habe Bedeutung bei der Gewinnung von Fachpersonal in einem immer schwieriger werdenden Arbeitsmarkt. Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte bedürften einer „Corporate Identity“, die erhalten und gestärkt werden müsse, um jene für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen, argumentieren die Verbände.

Sollten keine Nachjustierungen erfolgen, wäre der Sanitätsbereich – als Teil eines Unterstützungsbereichs – faktisch nicht mehr wahrnehmbar, obwohl er angesichts wachsender Krisensituationen noch an Bedeutung gewinnen dürfte, heißt es weiter. Als wichtiges Zeichen sähen die Verbände es an, wenn ein „Generalarzt der Bundeswehr“ unmittelbar im Bundesverteidigungsministerium angesiedelt werden würde. Ihm könnten die notwendigen Leitungs- und Führungsfunktionen für den Aufgabenbereich Gesundheitsversorgung Bundeswehr, insbesondere auch nach unten gegenüber dem Sanitätsdienst zugeordnet werden, schlagen sie vor.

Sollte der Verteidigungsminister die Eigenständigkeit des Sanitätsdienstes dennoch aufheben, fordern die Verbände Nachjustierungen bei den bisher vorgelegten Plänen. „Wir brauchen auch den Sanitätsdienst mit seiner hohen Fachlichkeit und seinen leistungsfähigen Krankenhäusern für die Fort- und Weiterbildung ziviler Ärztinnen und Ärzte. Umgekehrt ist auch der Sanitätsdienst fachlich auf eine enge Zusammenarbeit mit zivilen Strukturen angewiesen, um Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung in allen hoch spezialisierten Berufsfeldern darstellen zu können“, so die Argumentation der Verbände.

Bereits 2021 hatte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Pläne für eine grundlegende Neustrukturierung der Bundeswehr („Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft“) vorgelegt. Erwogen wurde eine truppendienstliche Umstellung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr unter eine andere Teilstreitkraft oder eine sonstige Kommandostruktur. Schon damals hatten die Spitzen von BZÄK und KZBV in einem gemeinsamen Brief an die Ministerin gewarnt: Die Aufteilung des Zentralen Sanitätsdienstes in unterschiedliche Bereiche der Teilstreitkräfte werde – ebenso wie die Zuordnung zu einem Unterstützungsbereich – die Einheitlichkeit und Fachlichkeit der Führung untergraben. Damit „wäre die aus zahnärztlicher Sicht so wichtige Qualität der sanitätsdienstlichen Versorgung im In- und Ausland gefährdet“. Außerdem wäre die Reaktionsfähigkeit des Systems für besondere Aufgaben nicht nur in der militärisch-zivilen Zusammenarbeit deutlich beschränkt, so BZÄK und KZBV.

Probleme bei der Nachwuchsgewinnung

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl (CDU), hat ihren Jahresbericht für 2023 vorgestellt – ein Aspekt darin: die prekäre Personallage des Sanitätsdienstes. Das Verteidigungsministerium hatte im Jahr 2022 entschieden, bis zu 2.000 Dienstposten einzurichten und stufenweise zu besetzen. Die größte Herausforderung werde darin bestehen, sowohl dies Stellen wie auch frei werdende reguläre Stellen zu besetzen und genügend Nachwuchs zu gewinnen, heißt es in dem Bericht. Hinzu komme, dass viele Bereiche des Sanitätsdienstes bereits unter zahlreichen unbesetzten Dienstposten leiden, so der Bericht. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Arbeitskräftemangels, insbesondere im Bereich der Pflege, komme es auch entscheidend darauf an, attraktivitätssteigernde Maßnahmen wie Fachkräftezulagen, eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen umzusetzen, da hier eine starke Konkurrenz mit dem zivilen Bereich bestehe. Sinnvoll seien auch niedrigschwellige Angebote, beispielsweise mit geringeren Mindestverpflichtungszeiten, um Personal zu gewinnen.

Auch die chirurgischen Fachgesellschaften warnen

Im Zuge der Pläne zur Neustrukturierung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr haben sich auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Chirurgie – die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) – an den Verteidigungsminister gewandt. Sie betonten in einem gemeinsamen Schreiben die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Strukturen. „Wir müssen in der zivil-militärischen Zusammenarbeit vielmehr damit planen und Vorkehrungen treffen, die sehr schnell an ihre Kapazitätsgrenzen kommenden Bundeswehrkrankenhäuser mit den mehr als 650 zivilen Krankenhäusern des TraumaNetzwerks zu verbinden und eine gemeinsame Organisationsform zu entwickeln“, heißt es in dem Schreiben an Pistorius. Dazu sei ein Wirken auf Augenhöhe wichtig. Die Ärztinnen und Ärzte des Sanitätsdienstes müssten fachlich und standesrechtlich weisungsunabhängig handeln können. Eine Anordnungsbefugnis durch einen Nichtarzt sei aus Sicht der Fachgesellschaften nicht hinnehmbar, weil in einem solchen Fall eine ungebrochene Verantwortungskette nicht gegeben wäre, warnen sie.

Die Attraktivität des Sanitätsdienstes im ärztlichen, aber auch im pflegerischen Bereich sei direkt verknüpft mit der Einordnung in die Gesamtstruktur des Bundesministeriums für Verteidigung, erklärten die Fachgesellschaften weiter. Die zunehmende Bedeutung des Sanitätsdienstes in Krieg und Krise im Rahmen gesamtstaatlicher Aufgaben mache die vollständige Eigen- und Führungsverantwortung mit Abbildung in der Hierarchieebene des Ministeriums erforderlich. Der weitere notwendige Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Versorgung militärischer und ziviler Verletzter im Kriegsfall – auch und gerade im Sinne der Daseinsfürsorge – sei nur auf diese Weise möglich, so die Einschätzung der chirurgischen Fachgesellschaften.

Dem Vernehmen nach wird das Bundesverteidigungsministerium seine konkreten Pläne zur Umstrukturierung um Ostern herum vorlegen. Ob und wie der zahnmedizinische Versorgungsbereich im Sanitätsdienst der Bundeswehr betroffen ist, ist noch offen.

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