Eine Vier-Generationen-Praxis in Düsseldorf

Als das Wartezimmer noch im Wohnzimmer war

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Als Richard Hilger am 1. April 1925 in Düsseldorf-Bilk seine Praxis eröffnete, ahnte er nicht, dass er damit den Grundstein für 100 Jahre Zahnmedizin legen würde. Doch genauso kam es: Sowohl sein Sohn als auch zwei Enkel und demnächst sogar seine Urenkelin sind als Zahnärzte in seiner ursprünglichen Praxis tätig. Dafür musste das Wohnzimmer der Familie weichen.

Damit der junge Zahntechniker Richard Hilger seine Patienten nicht mehr in der Küche der elterlichen Wohnung versorgen musste, machte er sich vor 100 Jahren als Dentist in Düsseldorf-Bilk in eigener Praxis selbstständig. 1936 erfolgte der Umzug in die Heresbachstraße 25, wo die Praxis noch heute zu finden ist. „Seitdem gab es immer wieder Phasen, in denen die Praxisräume umgebaut und renoviert sowie neue Geräte angeschafft worden sind, um die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern“, erzählt Dr. Richard A. Hilger, Enkel des Praxisgründers und heutiger Praxischef.

Der 62-Jährige ist gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder, Dr. Martin Hilger, in der Praxis groß geworden. Die beiden Zahnärzte erinnern sich gerne an die Zeit zurück, als sie in den Praxisräumen noch spielen und im Labor basteln konnten.

Die Praxistür stand damals immer offen

„In den ersten Jahren meines Großvaters gab es keine Bestellpraxis, wie es heute üblich ist“, erzählt Richard A. Hilger. „Die Tür war immer auf und wer Schmerzen oder Probleme hatte, kam einfach in die Praxis und wurde behandelt.“ Damals war das Patienten-Wartezimmer gleichzeitig noch das Wohnzimmer der Familie Hilger. Wer sich heute in den modern eingerichteten Praxisräumen umschaut, erkennt davon nichts mehr. Drei Behandlungsräume, ein Wartezimmer, ein Labor und der Anmeldebereich empfangen heute die Patientinnen und Patienten.

Doch nicht nur die Praxis hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder verändert: Die Zahnheilkunde der 1920er-Jahre unterschied sich erheblich von heutigen Standards: So behandelten der Großvater und seine Mitarbeiterin noch im Stehen. Der Patient saß aufrecht im Behandlungsstuhl. Der Bohrer wurde über ein Fußpedal mit Seilzug angetrieben. „Mit der Erfindung der Turbine und des Mikromotors nach dem Krieg musste dann eine zweckmäßige Absaugtechnik erfunden werden“, weiß Richard A. Hilger. Die Behandlung an liegenden Patienten setzte sich immer mehr durch. „Dies erforderte wieder eine neue Anpassung der Praxis mit neuen Geräten und Arbeitsabläufen.“

Dann, Mitte der 1990er-Jahre, der nächste Meilenstein: die Einführung verbesserter vergrößernder Sehhilfen, wie zum Beispiel das Behandlungsmikroskop. „Dies brachte der Praxis dann eine völlige Neuausrichtung“, berichtet Richard A. Hilger, „Behandlungen, die bis dahin als undurchführbar galten, waren jetzt plötzlich machbar und lösbar.“ Genau zu diesem Zeitpunkt – 1990 – trat der damals 27-Jährige in die väterliche Praxis ein und spezialisierte sich auf die mikroskopische Endodontie. „Schon als ich 1985 mit dem Studium der Zahnheilkunde begonnen hatte, war für mich klar, dass ich die väterliche Praxis fortführen möchte, da mir der Umgang meines Vaters mit der Zahnheilkunde sowie den Patienten von Kind an vertraut und angenehm war“, sagt Richard A. Hilger.

Zum Teil werden auch die Patienten schon in der dritten Generation behandelt. „Aus diesem Grunde sind wir sicherlich eine Familienpraxis – von den Großeltern bis zu den Enkelkindern sind ganze Familien bei uns Patienten. Dadurch hat sich auch die Praxis der Hausbesuche bei uns entwickelt, weil ich es als meine Verpflichtung den langjährigen Patienten gegenüber empfinde, sie auch in schwierigen Alterssituationen weiter zahnärztlich zu betreuen. Trotzdem haben sich über die Zeit zwei Schwerpunkte in meiner Praxis herausgebildet: die restaurative Zahnheilkunde und die Endodontie – das ergab sich auch durch die Anforderungen einer Praxis mit einem hohen Altersdurchschnitt. Es macht mir besonders Spaß und erfordert eine hohe Flexibilität und Präzision“, sagt Richard A. Hilger.

Der Name Hilger steht für exzellente Zahnmedizin

Sein jüngerer Bruder Martin konnte aus Platzmangel nicht mehr in die väterliche Praxis einsteigen: „Als ich mein Studium und meine Assistentenzeit 1996 beendet hatte, praktizierte mein Vater noch und so war die Praxis an der Heresbachstraße – mit ihren drei Behandlungsräumen – für drei Zahnärzte einfach zu klein. Leider gab es auch keine Expansions- oder Erweiterungsmöglichkeit im Haus und ein Standortwechsel kam für meinen Vater nicht infrage. Daher nutzte ich die Gelegenheit, in Düsseldorf-Flingern eine alteingesessene Privatpraxis zu übernehmen und nach meinen Vorstellungen ohne Kompromisse zu gestalten. Das war natürlich kein einfacher Weg, weil ich nicht auf den Vertrauens­vorschuss aufbauen konnte, den einem die Patienten entgegenbringen, wenn sie schon beim Vater und zum Teil beim Großvater in Behandlung waren.“

Für Richard A. Hilger gestaltete sich der Einzug in die väterliche Praxis nicht sonderlich schwierig. „Größte Herausforderung und Schwierigkeit war das Erlernen und Erfahren all der bürokratischen und verwaltungstechnischen Aufgaben einer Praxisführung“, erzählt der Praxischef. „Anfangs hat mein Vater diese Aufgaben noch hauptsächlich übernommen und somit konnte ich langsam in die Rolle des Praxisleiters wachsen.“

Vier Generationen in einem Beruf

Die Karriere des 1898 geborenen Praxisgründers Richard Hilger begann 1913 zunächst mit einer Ausbildung zum Zahntechniker. Als „Dentist Richard Hilger“ meldete er am 31. März 1925 seine Praxis beim Gewerbesteueramt an. Die Berufsbezeichnung galt für Zahnheilkundige ohne akademische Ausbildung. Später schloss Hilger noch mehrere Lehrgänge mit einer staatlichen Prüfung ab, so dass er auch Kassenpatienten behandeln durfte.

1958 trat mit Dr. Richard Antonius Hilger die nächste Generation in die Praxis ein: Nach einem erfolgreich abgeschlossenem Zahnmedizinstudium in Köln und Düsseldorf praktizierte der heute 92-Jährige gemeinsam mit seinem Vater. Neben seiner Tätigkeit als Zahnarzt widmete er sich auch einer wissenschaftlichen Laufbahn. Als anerkannter Experte für Praxishygiene und zahnärztliche Ergonomie verfasste er zahlreiche Publikationen und gab Fortbildungen auf der ganzen Welt.

Auch seine beiden Söhne blieben der Tradition treu und studierten Zahnmedizin: Während der ältere, Dr. Richard A. Hilger, im Jahr 1990 in die väterliche Praxis einstieg und sich auf die mikroskopische Endodontie spezialisierte, eröffnete Dr. Martin Hilger 1997 eine eigene Praxis mit dem Schwerpunkt restaurative und ästhetische Zahnmedizin.

Und die 100-jährige Historie geht weiter: Elisabeth Hilger, Tochter von Richard A. Hilger, macht aktuell ihr Staatsexamen in Tübingen. Im Sommer wird die 26-Jährige ihre Assistenzzeit in der Praxis des Vaters, Großvaters und Urgroßvaters beginnen.

Welchen Tipp haben die beiden Zahnärzte für alle Neugründer? „Ich denke, es ist enorm wichtig, die Praxis nach seinen eigenen Vorstellungen zu organisieren und zu modernisieren sowie persönliche neue Ideen und Behandlungskonzepte in die Praxis einzubringen“, betont Martin Hilger. Sein älterer Bruder ergänzt: „Als Tipp kann man kurz sagen: Zukunft in Tradition. Dies bedeutet für mich ein Besinnen und Bewahren von Bewährtem und Offenheit und Neugier auf Innovationen.“ Er freut sich sehr, nun das 100-jährige Praxisjubiläum begehen zu können: „Unser Großvater wäre sicherlich stolz, dass der Name Hilger in Düsseldorf über ein Jahrhundert hinweg für exzellente Zahnmedizin zum Wohle der Patienten steht.“

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