Einsatz im Osten der Philippinen

„Hier lernte ich flexibles Behandeln“

Heftarchiv Gesellschaft
Chiara-Fabienne Pantke
2019 war ich schon einmal hier, damals für eine Auslandsfamulatur. Jetzt kehrte ich zurück in das Land, in dem man bei der Ankunft mit „Mabuhay!“ begrüßt wird: „Leben“. Mabuhay ist gleichzeitig auch der Name der Klinik, die ärztliche und zahnärztliche Behandlung auf der Insel Samar bietet.

Vor genau sechs Jahren besuchte ich das erste Mal Samar, ohne zu wissen, was mich erwarten würde. Zu dem Zeitpunkt war ich noch Studentin in Freiburg. Ich entschloss mich, für vier Wochen im Rahmen einer Famulatur nach Bugko auf die Insel Samar zu reisen. Erfahrungsberichte des Zahnärztlichen Austauschdienstes (ZAD) machten mich auf das Projekt aufmerksam.

Die Organisation arbeitet mit der Mabuhay St. Francis of Assisi Klinik zusammen, die auch vom Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) unterstützt wird. Vor Ort lernte ich die Ordensschwestern kennen, die die Klinik leiten. Über all die Jahre pflegte ich unsere enge, freundschaftliche Beziehung – besonders zu Schwester Sabine Korth. Über den Kontakt konnte ich, trotz meines vollen Klinikalltags als angestellte Zahnärztin, im März erneut für zwei Wochen nach Bugko reisen, um vor Ort ehrenamtlich mitzuarbeiten. Ich erlebte auch diese Erfahrung wieder als sehr bereichernd für meine weitere persönliche sowie berufliche Entwicklung.

Ich konnte erst nach drei Versuchen auf der Insel Samar landen. Die ersten beiden Flugzeuge drehten kurz vor der Landung aufgrund der Wetterbedingungen wieder zum Ursprungsflughafen nach Manila um. Taifune und Starkregen kommen in diesem Teil der Insel häufig vor und haben schon so einige Reisepläne durcheinandergebracht, wie ich hörte. Der dritte Versuch galt einem anderen, weiter entfernteren Flughafen. Zu meinem Zielort musste ich daher noch eine Weile fahren.

Behandeln mit den zur ­Verfügung stehenden Mitteln

In der Klinik angekommen, bemerkte ich schnell, dass sich in sechs Jahren vieles verändert hatte. Durch etablierte Fluoridprogramme für Kinder hat sich die zahnmedizinische Versorgung wirklich verbessert! Auch für Erwachsene werden professionelle Zahnreinigungen und Präventionsmaßnahmen angeboten. Auch ein intraorales Röntgengerät wurde installiert, so dass man jetzt auch einfache Wurzelkanalbehandlungen durchführen kann.

Dennoch sind und bleiben zahnmedizinische Eingriffe private Leistungen. Daher wird der Zahnarzt oft erst sehr spät und meist erst bei auftretenden Schmerzen konsultiert. Folglich sind die Zähne bei der Vorstellung häufig weitestgehend zerstört und nicht mehr therapierbar. Aus diesem Grund bleiben Extraktionen – leider auch bei sehr jungen Patienten – die am häufigsten durchgeführten Eingriffe.

Vor sechs Jahren gab es regelmäßig Stromausfälle und nur unzuverlässig laufende Einheiten. Inzwischen wurde eine der beiden Behandlungseinheiten erneuert und die Stromversorgung funktionierte nun dauerhaft, dennoch blieben noch einige Probleme bestehen.

Zum Beispiel erlaubte die andere Behandlungseinheit das Arbeiten mit hochtourigen Winkelstücken nicht, so dass konservierende Zahnheilkunde besser an der anderen Einheit betrieben wurde. Außerdem teilten sich beide Einheiten eine mobile Absauganlage. Das bedeutete, dass man bei zwei gleichzeitigen Behandlungen flexibel bleiben musste beziehungsweise im Behandlungsspektrum etwas eingeschränkt war. Insgesamt lehrte mich das Arbeiten vor Ort allerdings wirklich Flexibilität sowie adaptives und lösungsorientiertes Behandeln mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln.

Durch die Materialspenden ist die Klinik zwar recht gut ausgestattet. Allerdings sind keine prothetischen Maßnahmen möglich. Fehlende Zähne können demnach nicht einfach ersetzt werden.

Einer meiner spannendsten Eingriffe galt der Versorgung der Lücke im Bereich eines stark gelockerten Zahns 11, der aufgrund seiner parodontalen Schädigung gezogen werden musste. Eine prothetische Versorgung mittels Interimsprothese war nicht möglich, da mir die zahntechnischen Instrumente fehlten und die Patientin auch keine großen finanziellen Mittel zur Verfügung hatte. Da es sich um die ästhetische Zone handelte, musste jedoch eine direkte Versorgung Abhilfe leisten. Nach seiner Entfernung kürzte ich Zahn 11 ein und befestigte ihn am Zahn 21 adhäsiv im Sinne einer Klebebrücke. Die Patientin war unendlich dankbar für diese Lösung.

Eine weitere spannende und lehrreiche Erfahrung war die „Mission“. Sie wird häufig von kirchlichen Einrichtungen organisiert, um den ortsansässigen Patienten eine kostenfreie Versorgung zu ermöglichen. Dafür fuhren wir ausgestattet mit einer minimalen Ausrüstung zu dem Ort, der eine halbe Autostunde entfernt lag.

Behandelt wurde in einem Gemeindehaus und die Patienten nahmen auf gestapelten Plastikstühlen Platz. Stirnlampen oder Handytaschenlampen sorgten für eine ausreichende Beleuchtung des Operationsfeldes. Absauggeräte oder Speibecken gab es nicht. Einige kleine, mit Erde gefüllte „Spuck-Eimer“ mussten Abhilfe leisten. Nach diesem Tag wurde mir wieder bewusst, wie wichtig Ergonomie ist, und ich war dankbar, die nächsten Eingriffe wieder an der Behandlungseinheit in der Klinik durchführen zu können.

Jeder Helfer bringt ein Stück Erfahrung mit

Durch umfassende Präventionsprogramme, nicht nur auf zahnmedizinischer Ebene, sondern auch über Projekte der „Hilfe zur Selbsthilfe“, beispielsweise mit Ernährungsprogrammen, wird hier viel Wert auf die Eigenständigkeit der Menschen vor Ort gelegt. Auch bringt jeder freiwillige Helfer ein Stück Erfahrung mit, die er weitergeben kann, um das Arbeiten zu erleichtern. Manchmal sind es auch nur kleine Veränderungen, die große Effekte bewirken. Wir haben beispielsweise die Tupfer aus Watte in Gaze eingerollt, so dass gelöste Wattefäden nicht mehr in die Wunde hinein migrieren. Die Zahnärztin, die zeitgleich mit mir vor Ort war, verbesserte mit anschaulichem selbstgemalten Bildmaterial und „Aufklärungsbögen“ das Verständnis der Patienten.

Fazit

Für mich persönlich hat es sich definitiv gelohnt, wieder nach Samar zu fliegen. Ich begegnete unglaublich vielen netten und dankbaren Patienten. Samar ist keine vom Tourismus geprägte Insel, was eine ganz spezielle Reiseerfahrung mit sich bringt. Abends gibt es immer ein gemeinsames Essen mit landestypischen Zutaten und vielen neuen Geschmackskomponenten. Für mich war das Schönste, all den herzlichen Menschen zu begegnen. Ich kann jedem eine Famulatur oder freiwillige Hilfe nur empfehlen, denn man nimmt diese unvergessliche Erfahrung für das Leben mit.

Dr. Chiara-Fabienne Pantke

angestellte Zahnärztin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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