Vollkeramische Restaurationen auf Implantaten
Spätestens mit der Einführung transluzenterer Zirkonoxidkeramiken werden vollkeramische Restaurationen vielfach in verschiedenen Indikationen genutzt. Die Verwendung auf Implantaten stellt allerdings besondere Anforderungen an das Material. Neue Zirkonoxidvarianten bieten zwar eine höhere Transluzenz, weisen dafür jedoch eine geringere Festigkeit auf. Deshalb sind diese Werkstoffe nur eingeschränkt indiziert, ihre Langzeitstabilität auf Implantaten muss erst noch durch entsprechende Studien belegt werden. Bei der Entwicklung der Leitlinie wurden daher drei zentrale Fragen formuliert:
Wie ist die Langzeitbewährung von vollkeramischen Restaurationen auf Implantaten?
Welche Arten von Keramik können empfohlen werden?
Welche Konstruktionsmerkmale können den langfristigen Erfolg von vollkeramischen Restaurationen auf Implantaten verbessern?
Um darauf Antworten zu finden, hat das Autorenteam die Literatur systematisch durchsucht. Die Studienauswahl und das Extrahieren der Daten erfolgten streng anhand vorher definierter Kriterien. Im Ergebnis konnten nur Studien zu vollkeramischen implantatgetragenen drei- bis viergliedrigen Restaurationen und den ganzen Kiefer umspannenden Restaurationen gefunden werden. Die Leitlinie wurde in drei Teile unterteilt.
Teil A – Implantatgetragene Kronen
Die Empfehlungen zu vollkeramischen implantatgetragenen Einzelkronen basieren teilweise auf Empfehlungen der sechsten Konsensuskonferenz der European Association of Osseointegration (EAO) [Jokstad et al., 2021]. Der Datenpool zur Beantwortung der Schlüsselfragen zu Einzelkronen umfasst 2.045 Restaurationen aus 52 eingeschlossenen Studien aus einer bereits bestehenden systematischen Literaturübersicht [Pjetursson et al., 2021] und der Nachsuche der Autoren.
Grundsätzlich zeigen Lithiumdisilikat-, (leuzitverstärkte) Silikat- oder Zirkonoxidkeramik gute Überlebensraten von rund 96 bis 97 Prozent, errechnet auf drei Jahre, und sollten daher für die Herstellung implantatgetragener Einzelkronen verwendet werden. Die Empfehlung für Zirkonoxid als Werkstoff bei Einzelkronen ist nicht beschränkt auf verschiedene Generationen von Zirkonoxid. Eine klinische Studie prüfte erfolgreich die Anwendung von Kronen aus 6Y-PSZ (sechs mol-Prozent Yttrium dotiertes, partiell stabilisiertes Zirkonoxid) mit circa 600 Megapascal Biegefestigkeit über zwei Jahre [Salem et al., 2022]. Im Vergleich dazu zeigt zahnfarbenes, opaques Zirkonoxid der zweiten Generation typischerweise eine Biegefestigkeit von circa 1.200 Megapascal. Dazu liegen sehr gute Langzeitdaten vor.
Implantatgetragene Einzelkronen aus Resin-Nano-Keramik (auch PICN, englisch für Polymer-infiltrierte keramische Netzwerke) zeigen klinisch heterogene, aber durchweg geringere Überlebensraten von unter anderem 14 Prozent nach einem Jahr [Schepke et al., 2016] und sollten daher nicht verwendet werden. Auf Basis der Evidenz lassen die Empfehlungen der Leitlinie therapeutische Freiheit bei der Wahl einer Verblendung von implantatgetragenen Einzelkronen. Allerdings wird – mit starker Empfehlung – eine monolithische (Abbildung 1) oder mikroverblendete Gestaltung einer Vollverblendung vorgezogen, da dadurch das Risiko von Keramikabplatzungen (Chipping) deutlich verringert wird. Eine Mikroverblendung zeichnet sich gegenüber einer klassischen Verblendung durch eine verringerte Schichtstärke von 0,5 Millimetern und der Begrenzung auf nicht-funktionelle Bereiche aus (Abbildung 2). Eine weitere Empfehlung weist auf die Wichtigkeit der Kenntnisse bezüglich des Materials und der Anwendung der intra- und extraoralen Befestigungsprotokolle durch die Zahnärztin beziehungsweise den Zahntechniker hin. Insbesondere bei vollkeramischen Restaurationen sind die genaue Kenntnis und die Einhaltung der Protokolle für den Erfolg entscheidend.
Teil B – Kurzspannige implantatgetragene Brücken
Grundsätzlich konnten zu kurzspannigen implantatgetragenen Brücken neun klinische Studien mit insgesamt 330 implantatgetragenen Brücken identifiziert und eingeschlossen werden. Nur Zirkonoxid zeigt sich in dieser Indikation als zu empfehlender Werkstoff und sollte daher ausschließlich verwendet werden. Eine ausreichende Datenlage ist dabei nur für 3Y-TZP-Zirkonoxid der zweiten Generation mit einer Biegefestigkeit von über 1.000 Megapascal vorhanden. Aktuell liegen keine klinischen Daten zu neueren Generationen oder Materialkombinationen vor. Deshalb wurde auch eine eigene Empfehlung bezüglich der großen Spannbreiten von Zirkonoxid im Hinblick auf die Materialeigenschaften der verschiedenen Generationen formuliert. Das zeigt, wie wichtig die Patientenaufklärung über die aktuelle Datenlage ist, wenn neuere Zirkonoxidgenerationen (zum Beispiel Multilayer) verwendet werden.
Eine generelle Überlegenheit von zementierten oder verschraubten kurzspannigen Brücken konnte nicht belegt werden. Wird zementiert, sollte dies auf individuellen Abutments durchgeführt werden, um Reste an Befestigungsmaterial kontrollierter entfernen zu können. Wird verschraubt, sollte dies über Titanklebebasen mit ausreichender Retentionshöhe und parallelen Retentionsflächen durchgeführt werden.
Auch bei implantatgetragenen Brücken reduziert die Mikroverblendung im Vergleich zu einer Vollverblendung das Chipping-Risiko effektiv. Im Seitenzahnbereich sollte daher monolithisch beziehungsweise nur mit Mikroverblendung gearbeitet werden. Zu Extensionsbrücken aus Vollkeramik liegen wenige, wenn auch vielversprechende klinische Daten vor. Eine entsprechende Patientenaufklärung soll dahingehend der Therapie und der Materialauswahl vorausgehen.

Teil C – Implantatgetragene „Full Arch“-Restaurationen
Die Datenlage zu Ganzkiefer-umspannenden vollkeramischen implantatgetragenen Restaurationen ist gering. Lediglich 202 Restaurationen aus drei klinischen Studien wurden identifiziert. Nur zu 3Y-TZP-Zirkonoxid liegen in dieser Indikation klinische Daten vor, weswegen nur diese Keramik zur Anwendung empfohlen werden kann. Eine Empfehlung zur Konstruktion der Verblendung kann auf Basis der reduzierten Datenlage nicht ausgesprochen werden. Die Empfehlungen weisen explizit auf die geringe Datenlage mit nur kurzen Beobachtungszeiträumen und zum Teil hohen beschriebenen technischen Komplikationsraten hin.
Daher wird eine starke Empfehlung (Empfehlungsgrad A, „soll“) für eine ausführliche und spezifische Patientenaufklärung bei der Anwendung einer vollkeramischen Full-Arch-Restauration gegeben. Zudem ist wegen der teils hohen Komplikationsraten eine bedingte Abnehmbarkeit und Wiedereingliederbarkeit der Restauration wichtig und sollte klinisch umgesetzt werden. Außerdem wird die Anwendung einer Schutzschiene zur Vorbeugung von Komplikationen ausdrücklich empfohlen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aufgrund der unsicheren Datenlage die Verwendung vom Metall-Keramik in diesem Indikationsbereich immer noch der Goldstandard ist.
Abschließend formuliert die Leitlinie konsensbasierte Empfehlungen zur Verwendung von vollkeramischen Restaurationen auf Implantaten. Das Autorenteam weist auf die teilweise vorliegende Indikationseinschränkung bei Bruxismus hin, sowie auf das erhöhte Komplikationsrisiko. Es unterstreicht die Wichtigkeit einer adäquaten Hochglanzpolitur eingeschliffener Bereiche und empfiehlt, dass insbesondere bei monolithischen Restaurationen eine regelmäßige Okklusionskontrolle erfolgen sollte, um langfristige Überbelastungen der Implantat-Abutment-Verbindungen zu vermeiden. Abschließend spricht sich die Leitlinie wegen der Vielfalt an vollkeramischen Materialien mit verschiedenen Eigenschaften für eine enge individuelle Abstimmung Abstimmung – im Sinne eines Teamapproachs – zwischen Zahntechnik und Zahnmedizin aus.
S3-Leitlinie (Leitlinienreport): Vollkeramische festsitzende implantatgetragene Restaurationen. AWMF-Registernummer: 083-053, Stand: 1. September 2024, gültig bis: 31. August 2029