Ein eigenes Labor kann so viel bewirken
Im Dezember des vergangenen Jahres fragte mich mein Kollege Dr. Ulrich Zibelius, ob ich ihn bei seinem Projekt in Malawi vertreten könnte. Ein humanitäres Projekt in Afrika zu unterstützen, war ein lang gehegter Wunsch von mir, der mir als alleinerziehende Mutter bisher verwehrt blieb. Plötzlich war er zum Greifen nah.
Die Vorrecherche und alle erforderlichen Schutzimpfungen waren schnell erledigt. Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt und seine Bevölkerung ist im Durchschnitt sehr jung: Von den 22 Millionen Einwohnern sind 42 Prozent jünger als 15 Jahre und nur 2,5 Prozent älter als 64 Jahre. Mua liegt im Süden, etwa 150 Kilometer von der Hauptstadt Lilongwe entfernt, nahe der Südspitze des sich von Nord nach Süd über 580 Kilometer erstreckenden Malawi-Sees. Dieser See charakterisiert das Land zwischen Tansania, Sambia und Mosambik.
Ein Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Zahnstation von Mua und der Aufbau eines Dentallabors. So soll Zahnarzt John Mwendenga mit seinem Team in die Lage versetzt werden, einfache Kunststoffprothesen herzustellen und damit Einnahmen für das Krankenhaus zu generieren. Ein neuer Behandlungsstuhl wurde bereits 2024 vom Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) gestiftet und eingebaut.
Menschlich fühlte ich mich im Paradies
Nach einer holprigen und abenteuerlichen Fahrt vom Flugplatz waren wir nicht nur in einem kulturellen Hotspot, sondern auch – so empfand ich es – in einem menschlichen Paradies gelandet. Denn alle im Dorf begrüßten mich freundlich und fragten, wie es mir geht. Dort ist es üblich, zurückzugrüßen und nach dem Befinden des Gegenübers zu fragen. Die gesamte Dorfgemeinschaft ist trotz ihrer Armut sehr vertrauensvoll. Kein Wunder, dass Malawi als das „warme Herz Afrikas“ bezeichnet wird.
Das Krankenhaus und das Dentallabor sind ein Gemeinschaftsprojekt. Die Künstlerin Enke Cäcilie Jansson aus Hamburg hatte die Hilfe für das Missionshospital in Mua mit ihrer Marietta-und-Cäcilie-Stiftung ins Leben gerufen. Drei Rotary-Clubs aus Norddeutschland stellten außerdem erhebliche Geldsummen bereit, um die Bildungsarbeit und die operative Versorgung durch das fünfköpfige deutsch-schwedische OP-Team zu fördern. Dieses Team plant zweimal im Jahr seine kurzen Einsätze mit den einheimischen Clinical Officern im Voraus.
Auch dieses Mal leisteten sie mit 41 Eingriffen, davon 22 in Vollnarkose, in nur wenigen Tagen Unglaubliches – bis am Freitag das Halothan alle war. Am Wochenende besorgten sie in der Hauptstadt Nachschub, so dass bis Montagmittag, kurz vor der Abreise, noch operiert werden konnte. In dieser Woche warteten viele Patienten stundenlang geduldig auf der Bank vor dem OP-Saal, dem „Grand Theater“, viele nach einem langen Fußmarsch.
Am ersten Tag packten wir die Lieferung der Praxis- und Labormaterialien aus. Im Nu war alles aufgebaut und wir holten die geduldig wartenden Patientinnen und Patienten nacheinander zur Abdruck- und Bissnahme herein. Unser Zahntechniker Frederick Akintaya goss daraufhin sofort die Modelle aus, sockelte sie und artikulierte sie ein. Da die gelieferte Gasflasche leer war und auch ein Drucktopf fehlte, begann die Zeit des Improvisierens. In den nächsten Tagen besorgte Fredy eine Kerze und wir Streichhölzer und Sekundenkleber für ihn, damit er die Kunststoffzähne für den provisorischen Zahnersatz aufstellen konnte.
Wir improvisieren dank Kerze, Streichhölzer, Sekundenkleber
Ab Montag der nächsten Woche kamen vier Volunteers, denen der Zahntechniker zeigte, wie man Klammern biegt, Kunststoffzähne nach Form und Farbe auswählt, Zähne aufstellt und Kunststoff anrührt und ausgießt. Parallel dazu hospitierte ich bei dem malawischen Zahnarzt John, zog Zähne und zeigte ihm die Herstellung von Komposit-Füllungen, insbesondere von Frontzahnaufbauten, da wir Universaladhäsive mitgebracht hatten. Gemeinsam konnten wir auch eine Mutter beruhigen, die uns Fotos von tief inserierenden Lippenbändchen auf ihrem Smartphone zeigte. Sie äußerte die Besorgnis, dass ihr 18 Monate alter Sohn nicht sprechen könne, da kurz nach seiner Geburt ein stark verkürztes Zungenbändchen durchtrennt werden musste, damit er gestillt werden konnte. Auch in Afrika: TikTok sei Dank.
John überwies einen Mann mit einer nicht ausgeheilten, mobilen Unterkieferfraktur zur Wundrevision an die nächste, besser ausgestattete Klinik. Der Mangel an Material und Ausstattung erfordert in der Zahnbehandlung Erfindungsgeist, aber dank vieler Spender gab es genug Abdrucklöffel, die nach Größe und Zweck sortiert wurden, damit der richtige schnell ausgesucht war. Nachdem John und seine Assistentin in die Kunst des zügigen und möglichst homogenen Anrührens von Alginat eingeführt worden waren, probierten sie die Abdrucknahme gleich am nächsten Patienten aus. Anschließend wurden mit verschiedenen Materialien die Bissnahme geübt und die möglichen Schwierigkeiten besprochen. Um die Zahnfarbe nicht zu vergessen, entwarfen wir eine Checkliste, die wir „Auftragszettel“ für das Labor nannten. Das HDZ hat den Aufbau des Zahnlabors letztes Jahr dankenswerterweise mit 12.000 Euro unterstützt. Unser Dank gebührt ebenfalls dem Verein Pro Interplast, der die Flugkosten für das Zahnarzt- und Zahntechnikerteam im Oktober 2024 und im März 2025 übernommen hat.
Zwei Dinge haben mich besonders berührt: Zum einen werden die Mahlzeiten an offenen Kochstellen am Boden zubereitet. Dadurch erleiden viele Krabbelkinder schreckliche Verbrennungen, die später zu folgenschweren Verwachsungen führen. Die Kinder sind ihr Leben lang gezeichnet und nur wenige haben das Glück, durch Transplantations-OPs Hilfe zu erhalten. Zum anderen ist es das Schicksal der HIV-Infizierten, die isoliert am Dorfrand leben müssen. 7,3 Prozent der Männer und 11,1 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren sind HIV-positiv.
Die M&C-Stiftung hat zusammen mit dem hoch engagierten Clinical Officer Geoffrey eine HIV-Selbsthilfegruppe gegründet und dafür Land gekauft. Durch den Anbau landwirtschaftlicher Produkte ernährt sich die Gruppe jetzt autark. Die Stiftung HDZ spendete eine Wasserpumpe, wofür ihr großer Dank entgegengebracht wurde. Erfüllt von der Menschenfreundlichkeit der Malawier und den vielen Eindrücken – unter anderem von der üppigen Natur zur Regenzeit – kehrte ich über Addis Abeba in den Wohlstand heim, dankbar für diese wertvolle Erfahrung.