Urteil des Bundesgerichtshofs

Patienten können ihren Arzt als Erben einsetzen

Martin Wortmann
Die Berufsordnungen der Ärztekammern können die Testierfreiheit nicht beschränken. Dies sei nur dem Gesetzgeber möglich und nicht durch Regelungen eines Berufsverbands, entschied jetzt der Bundesgerichtshof.

Der Fall: Ein Mann aus Westfalen hatte mit seinem Hausarzt sowie einer ihn versorgenden Pflegekraft im Januar 2016 einen „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ geschlossen. Darin verpflichtete sich der Arzt zur Beratung und Behandlung des Patienten, zu Hausbesuchen und Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich, zudem zu telefonischer Erreichbarkeit. Im Gegenzug sollte er nach dem Tod des Patienten ein Grundstück erhalten. Sein weiteres Vermögen hinterließ der Patient im März 2016 der Pflegerin.

Nach dem Tod des Mannes Anfang 2018 nahm die Pflegerin allerdings den gesamten Nachlass in ihren Besitz, auch das Grundstück – Begründung: „wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 der [...] Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe“. Der Hausarzt musste bald darauf Insolvenz anmelden.

Grundsätzlich erlaubt: Bundesrecht sticht Berufsordnung

In den Vorinstanzen war der Insolvenzverwalter mit seiner Klage auf Herausgabe und Übertragung des Grundstücks gescheitert. Die Entscheidung folgte dabei einem Argument der Pflegerin: Nach der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe dürften Ärzte keine Zuwendung ihrer Patienten annehmen. Dagegen verstoße die Vereinbarung, das Vermächtnis sei daher unwirksam.

Der BGH hatte zunächst der Nichtzulassungsbeschwerde des Insolvenzverwalters stattgegeben. Nun hatte auch seine Revision Erfolg. Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, dass die Berufsordnung nur das Verhalten der Ärzte regelt und regeln kann, nicht das der Patienten. Für diese gelte die Testierfreiheit, die im Grundgesetz verankert sei und daher nur vom Gesetzgeber begrenzt werden könne, nicht aber durch Regelungen eines Berufsverbands. Zudem sei es „mit dem Schutz [...] der Integrität der Ärzteschaft [...] nicht unvereinbar, eine Zuwendung von Todes wegen [...] als wirksam anzusehen“. Insofern sei die Argumentation des OLG nicht stichhaltig und dessen Urteil somit aufzuheben.

Da sich die Vorinstanzen aber auf die Prüfung eines Verstoßes gegen ein gesetztliches Verbot (i.e. die Berufsordnung) konzentriert hätten, sei die Frage der Sittenwidrigkeit ungeklärt: „Die Feststellungen zu einer etwaigen Sittenwidrigkeit der Vermächtnisanordnung sind [...] erkennbar nicht abschließend.“ Darum wurde der Fall ans OLG zurückverwiesen, es soll diese Prüfung nun nachholen.

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch ist ein Rechtsgeschäft dann sittenwidrig und nichtig, wenn „jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen“.

Gänzlich offen sind berufsrechtliche Folgen für Ärzte, die ein solches Vermächtnis annehmen. Wenn die Ärztekammer die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes und/oder das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft gefährdet sehen, hätten sie ausreichend berufsrechtliche Sanktionen an der Hand, erklärten die Karlsruher Richter.

Aber noch offen ist: War der Vertrag sittenwidrig?

Denkbar wäre auch, dass als Reaktion auf das Karlsruher Urteil der Gesetzgeber Vermächtnisse an Ärzte und Zahnärzte regelt. Ein entsprechendes, 2006 eingeführtes Verbot für Pflegekräfte gilt allerdings nur für Heime und ihre Mitarbeiter. In dem vom BGH entschiedenen Fall waren sowohl der Arzt als auch die Pflegekraft aufgrund privater Vereinbarungen im Haus des Erblassers tätig.

Bundesgerichtshof
Az.: IV ZR 93/24
Urteil vom 2. Juli 2025

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