Dentists for Africa fördert lokale Zahngesundheit

Wenn die Helfer von Tür zu Tür gehen

Heftarchiv Gesellschaft
Anne-Kristin Henker
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Isa Rait
Nach über einem Jahr Vorbereitung können wir nun 50 sogenannte Community Health Volunteers als Teil mobiler Gesundheitsteams im Westen Kenias ausbilden. Zum ersten Mal steht dabei ein Thema im Fokus, das bisher im Schatten anderer Gesundheitsprogramme stand: die Mundgesundheit.

Der Schulungsraum ist mit bunten Luftballons geschmückt. 50 Frauen und Männer singen, klatschen und tanzen. Uns empfangen Applaus und vorfreudige Gesichter. Jetzt beginnt die Schulung der Community Health Volunteers (CHV). Initiiert wurde das Projekt von Sister John Mary, Nonne der Franziskanischen Schwestern von St. Joseph Asumbi, Administratorin des katholischen Asumbi Mission Hospitals, Mitglied des kenianischen Trusts von DfA und langjährige Partnerin von uns. Gemeinsam mit ihrem engagierten Team, dem lokalen Gesundheitsministerium und mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Walter-Gastreich-Stiftung konnte das Projekt im Januar 2025 starten.

Die Gemeinde Asumbi liegt in einem abgelegenen, hügeligen Teil des Homa Bay County. Asphaltiert ist nur die Hauptstraße, die Entfernung zum nächsten Krankenhaus groß, der Zugang zu medizinischer Versorgung somit schwer oder gar nicht möglich. Deshalb besuchen die CHV in mobilen Gesundheitsteams regelmäßig rund 500 Haushalte der Gemeinde mit etwa 6.000 Menschen und beraten sie zu Malaria, HIV, Tuberkulose oder Schwangerschaft. Sie geben Medikamente aus, betreuen Schwangere und Kranke und überweisen sie bei Bedarf ins Asumbi Mission Hospital zur weiteren Behandlung.

Die Idee zur Schulung der CHV in zahnmedizinischen Belangen kommt von den Kenianerinnen und Kenianern selbst und setzt auf das bereits etablierte System der mobilen Gesundheitsberatung. Die CHV sind in der Bevölkerung bekannt und geschätzt, so dass unser Projekt dieses System nutzen kann. Nun erhalten sie zum ersten Mal auch fundiertes Wissen über Mundhygiene, Ernährung und zahnmedizinische Krankheitsbilder und können das zu den Menschen nach Hause bringen. Seit vielen Jahren hat DfA immer wieder CHVs geschult, die die Menschen in den entlegenen Landregionen betreuen und beraten. Bis Ende 2026 werden die CHV durch dieses Projekt nachhaltig ausgebildet, begleitet und die Ergebnisse ihrer Einsätze dokumentiert.

Gelacht wird viel, doch der Lernstoff ist anspruchsvoll

Der erste Schulungstag beginnt mit der Wahl eines spirituellen Leiters, einer Zeitverantwortlichen, einer Beschwerdebeauftragten – und eines sogenannten Energizers. Dorothy Ochieng füllt diese Rolle wunderbar aus und bringt mit spontan gedichteten Versen und Liedern, Tänzen oder kurzen Bewegungseinlagen Leben in den Unterricht. Gelacht wird viel, doch der Lernstoff ist anspruchsvoll: Zahnaufbau, häufige Erkrankungen der Weichgewebe, deren Ursachen und Symptome, Prävention und Behandlungswege. Mit Bildtafeln und einem extra angeschafften Kiefermodell wird das Zähneputzen erklärt, über Zucker, Karies und Parodontalerkrankungen gesprochen. Am zweiten Tag folgen Themen wie Hygiene, HIV/Aids, sexuell übertragbare Krankheiten und Malaria.

Bereits am nächsten Tag beginnt der Einsatz der frisch geschulten CHV. Ausgestattet mit Informationsmaterial, Zahnschemata, Gummistiefeln, Regenschirmen und T-Shirts, die sie als offizielle CHV ausweisen, machen sie sich auf den Weg zu den ihnen zugeteilten Haushalten – meist zu Fuß, manchmal per Motorrad. Wir begleiten die CHV an zwei Tagen auf dem Soziussitz eines Motorrads durchs hügelige Gelände. In den Dörfern werden beim Eintreffen der Gruppe sofort alle Familienmitglieder zusammengerufen, oft auch Nachbarn und Freunde und man versammelt sich im Schatten von Bäumen oder in den Häusern und Hütten. Es wird zugehört, gefragt, diskutiert.

Die meisten Menschen in dieser Region hatten bisher weder Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung, noch Kenntnis über Prophylaxe und Behandlungsmöglichkeiten bei Zahnschmerzen. Die Schädigung der Zähne durch hohen Zuckerkonsum in Sodas und Biskuits ist fast allen unbekannt. Ein älterer Herr berichtet: „Die Qualität der Zahnbürsten ist oft schlecht, dann brechen die Borsten ab und bleiben in den Zwischenräumen stecken. Da nehme ich lieber unsere Mswaki.“ Das sind Zweige, deren faseriges Ende zur Zahnreinigung verwendet wird. Eine kostengünstige Alternative.

Die Daten zu den besuchten Patienten landen in einer App

Es überrascht uns, dass die CHV alle erhobenen Daten – Impfungen, Vorerkrankungen, Medikamente, Schwangerschaften, Behandlungen – in einer App auf ihrem Smartphone dokumentieren. Die Daten dienen dem Gesundheitsministerium zum Monitoring bestimmter Krankheitsverläufe und deren Ausbreitung. Die CHV belegen hiermit zudem, wie viele der ihnen zugewiesenen Haushalte sie besucht haben. „Die Auswertung von Papierdaten wäre ja viel zu aufwendig“, sagt ein CHV ganz selbstverständlich zu uns. Wir sind beeindruckt, wie strukturiert und respektvoll die Gruppe mit den Inhalten umgeht. Die Teilnehmenden haben eine enorme Verantwortung in ihren Gemeinden – und nehmen diese sehr ernst.

Die Nachfrage ist hoch. Wenige Tage nach Schulungsstart verzeichnet die Dental Unit des Asumbi Mission Hospitals deutlich mehr Patienten. Viele kommen mit Überweisungsscheinen der CHV, doch nicht alle können die Behandlung bezahlen. Denn zahnmedizinische Leistungen sind bislang nicht in Kenias Sozialversicherungssystem enthalten. Wer Zahnschmerzen hat, muss aus eigener Tasche zahlen.

Hinzu kommt eine neue Herausforderung: Der plötzliche Stopp der US-amerikanischen Hilfsprogramme (USAID, PEPFAR) im Januar 2025 traf das Land hart – auch die Region um Asumbi. Jeder hier kennt jemanden, der betroffen ist. Und alle fragen sich: „Was passiert mit den HIV-Programmen, den Medikamenten, den mobilen Einsätzen?“ Auch Transport- und Aufwandsentschädigungen der CHV wurden zum Teil über USAID finanziert. Wie es weiter geht, ist unklar.

Gerade deshalb ist das Projekt in Asumbi ein starkes Signal: Es zeigt, wie viel entstehen kann, wenn lokale Strukturen ernst genommen und gezielt gefördert werden. Sister John Mary hat ein fähiges Team aufgebaut, das genau weiß, worauf es ankommt. Mit diesem Projekt professionalisieren wir einen Bereich, der bisher unter dem Radar lief, aber für die Lebensqualität der Menschen enorm wichtig ist. Dentists for Africa begleitet und evaluiert das Projekt in den kommenden zwei Jahren engmaschig – in der Hoffnung, dass es auch mit den USAID-Hilfen weiter geht und es ein Modell für andere Regionen werden kann. Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung ist kein Luxus – sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

Dentists for Africa e. V. (DfA) initiiert und betreut seit 1999 soziale und zahnärztliche Projekte in Kenia zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort. In 14 Zahnstationen erfolgen Behandlungen und Prophylaxe für Kinder, mobile Einsätze und Seminare mit Wissenstransfer. Waisenkinder erhalten im Patenschaftsprojekt Schul- und Berufsausbildung. Die Witwenkooperative stärkt alleinstehende Frauen durch Bildung und einkommensschaffende Maßnahmen. www.dentists-for-africa.org

Spendenkonto:
Dentists for Africa e.V.
IBAN: DE86 8205 1000 0140 0467 98
Sparkasse Mittelthüringen
BIC: HELADEF1WEM

Anne-Kristin Henker

Projektmanagerin bei Dentists for Africa
Dentists for Africa (DfA)

Dr. Isa Rait

Projektleiterin bei Dentists for Africa
Dentists for Africa (DfA)

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