„Zahnärzte sollten plug and play mit der ePA arbeiten können“
Herr Banthien, seit dem 29. April können nun alle Praxen die ePA nutzen – wenn auch freiwillig. Sind die „Kinderkrankheiten“ mittlerweile „ausgeheilt“?
Dr. Eric Banthien: Nein, es gibt noch eine Menge „Kinderkrankheiten“. Die ePA-Nutzung ist äußerst mühsam. Bei einzelnen Patienten kann ich die ePA sehen und auch daran arbeiten, bei anderen nicht. Kollegen geht es auch so. Vor Kurzem konnten wir in unserer Praxis plötzlich gar nichts mehr machen. Es stellte sich dann heraus, dass eine Lizenz nicht freigeschaltet war. Nachdem ein Häkchen an der richtigen Stelle gesetzt war, ging es dann wieder. Und da sind wir nicht die Einzigen.
Was sind die Ursachen für die Probleme?
Es sind meistens Softwareprobleme, häufig funktionieren zum Beispiel die Schnittstellen nicht richtig. Ein Hauptgrund ist, dass die Programmierung des Gesamtsystems nicht in einer Hand liegt. In meinem Fall sind drei verschiedene Programmierungsbüros beteiligt. Der PVS-Anbieter, die Firma, die die TI-Anbindung über den Konnektor anbietet, und der Anbieter des TI-Moduls, der meinem PVS-System den Zugriff auf die TI ermöglicht. Natürlich kann ein Grund für meine Probleme auch sein, dass ich ein seltenes PVS-System nutze.
Gibt es denn etwas, was gut läuft?
Was gut läuft, sind die bereits bewährten Anwendungen der Telematik-Infrastruktur wie das eRezept, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und der elektronische Austausch über KIM (Kommunikation im Medizinwesen). Ein besonderer Erfolg ist die elektronische Beantragung und Genehmigung von PAR- und ZE-Plänen (EBZ). Die ePA ist hingegen noch recht schwierig.
Können Sie einen typischen Ablauf bei der ePA-Nutzung im Praxisalltag schildern?
Sobald ich die elektronische Gesundheitskarte (eGK) eines Patienten eingelesen habe, habe ich 90 Tage lang Zugriffsrecht auf die E-Akte. In dem von meinem PVS benutzten System zeigt dann ein kleines Symbol das Vorhandensein der ePA. Ein grüner Punkt bedeutet, dass der Patient den Zugriff erlaubt, ein roter Punkt, dass er ihn verweigert. Ist der Zugriff gestattet, kann ich Daten in Form eines PDF/A hoch- und herunterladen. Ich kann auch die Medikationsliste einsehen. Das ist zum Beispiel hilfreich, falls der Patient Blutgerinnungshemmer oder Bisphosphonate einnimmt. In solchen Fällen stimme ich mich mit dem behandelnden Arzt ab.
Was berichten andere niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte?
Es ist sehr unterschiedlich. Ein Kollege konnte plötzlich gar keine ePA mehr bearbeiten. Ein anderer kann hingegen alle E-Akten öffnen. Zuvor hatte er allerdings zwei komplette Samstage damit verbracht, gemeinsam mit seinem PVS-Anbieter alle Schwierigkeiten auszuräumen. Das war ein enormer Zeitaufwand.
Welche Daten in der ePA sind denn für Zahnärzte interessant?
Im Moment werden in erster Linie Befundberichte in die ePA eingestellt, auf Wunsch der Patienten auch Bonushefte. Derzeit muss man PDF/A erzeugen, um Dateien in die Akte einzuspeisen. Manche PVS-Systeme konvertieren die Dateien aber auch schon selbsttätig ins PDF/A-Format. Für Zahnärztinnen und Zahnärzte sind alle Daten interessant, die sich auf eine Allgemeinerkrankung beziehen, die bei der Behandlung das Ergebnis beeinflussen können oder die auf mögliche Komplikationen bei einer Behandlung hinweisen. Denken Sie nur an die Korrelation zwischen Parodontitis und Diabetes. Oder auch an den negativen Einfluss, den Diabetes allgemein auf Heilungsprozesse hat. Wichtig sind auch Daten, aus denen hervorgeht, ob ein Patient unter Epilepsie, einer Herzerkrankung, einer Herzmuskelentzündung oder Nierenproblemen leidet.
Welche Probleme sollten bis Ende September noch gelöst werden, damit zum verpflichtenden Start am 1. Oktober alles reibungslos funktioniert?
Es ist ein schlechter Scherz, dass die Befüllung der ePA ab dem 1. Oktober für Zahnärzte und Ärzte Pflicht werden soll, wenn das System noch nicht läuft. Damit die Anwendung Pflicht werden kann, muss es bis zum 1. Oktober möglich sein, dass Zahnärzte ohne Probleme aus dem PVS-System direkt auf die ePA zugreifen können. Sie sollten quasi plug and play mit den ePA-Anwendungen arbeiten können. Es muss auch einfacher werden, Daten hochzuladen. Bei den Metadaten sollten sich alle PVS-Anbieter auf einheitliche Begriffe einigen. Ganz wichtig wäre außerdem, dass man Röntgenbilder in einer befundbaren Auflösung hochladen könnte. Jetzt ist das nur als PDF/A möglich.
Welche Vorteile bietet die ePA aus Ihrer Sicht?
Wir reden über ein System im Werden. Ich hoffe, dass man mit den Daten irgendwann routinemäßig arbeiten kann. Wenn das möglich ist, wird die E-Akte uns wichtige Informationen und Warnhinweise liefern, für die wir jetzt mühsam die Patienten befragen müssen. Zum Beispiel über bekannte Infektionen, Herzerkrankungen, Epilepsie oder die Einnahme von Blutgerinnungshemmern oder Bisphosphonaten. Dies kann die Anamnese erleichtern und sicherer machen. Es kann sie aber nicht ersetzen.
Es bietet sich auch an, im Notdienst Behandlungsdaten hochzuladen, damit den weiterbehandelnden Kollegen die notwendigen Informationen sofort zur Verfügung stehen. Besonders da vermisse ich noch die Möglichkeit, ein befundbares Röntgenbild einzustellen. Wichtig wäre auch, dass man Daten zu Implantaten sowie prothetischen Versorgungen mit Angaben zum verwendeten Material einstellen könnte. In Zukunft könnte die ePA darüber hinaus die unspezifische Kommunikation mit Kollegen und Ärzten erleichtern.
Wie groß ist das Interesse der Patientinnen und Patienten an der ePA?
Es ist fast gar nicht vorhanden. Kein Patient hat mich bislang auf die ePA angesprochen, obwohl ich mit Postern und Flyern im Wartezimmer darauf hinweise.
Noch immer deckt der Chaos Computer Club gravierende Sicherheitslücken auf. Wie sicher ist die ePA und was sollte passieren, um Patientendaten besser zu schützen?
Die Lücken, die der Chaos Computer Club aufdeckt, sind aus meiner Sicht arg konstruiert und betreffen nur einzelne Patienten. Sie nützen beim professionellen Datenklau nicht viel. Kritischer finde ich, dass in Praxen, in denen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behandelt werden, jeder in deren ePA reingucken kann. Arbeitgeber haben dann die Möglichkeit, die ePA ihrer Mitarbeiter einzusehen. Und je größer die Praxisstruktur, umso größer ist die Zahl der Personen, die möglicherweise Einblick nehmen können. Ich halte es daher für wichtig, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auf dieses Risiko hinweisen.
Was raten Sie niedergelassenen Zahnärzten, die die ePA noch nicht nutzen?
Ich empfehle allen, die ePA jetzt auszuprobieren und Rückmeldung an den PVS-Anbieter zu geben, wenn etwas nicht funktioniert. Jetzt haben die PVS-Anbieter noch Zeit für die Fehlersuche. Ab Oktober wird es voraussichtlich einen Ansturm auf die Hotlines der Anbieter geben, dann wird das schwierig.
Das Interview führte Anne Orth.