Auf der Suche nach dem perfekten Standort
Vladislava Drljaca ist eine Kämpfernatur. Vor zehn Jahren kam sie aus Serbien nach Berlin, um Deutsch zu lernen. Nach vielen Höhen und Tiefen ist sie heute nicht nur approbierte Zahnärztin, sondern Inhaberin einer eigenen Praxis. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn als Fachkraft aus dem Ausland musste sie unzählige Hürden überwinden. Statt der üblichen zwei Jahre in der Vorbereitungsassistenz leistete sie ganze sechs Jahre ab: zwei Jahre in Serbien, wo sie studiert hatte, zwei weitere Jahre in Deutschland mit Berufserlaubnis für die Approbation und schließlich noch einmal zwei Jahre für die deutsche Approbation, um sich niederlassen zu können. Auf diesem Weg lernte sie die langsamen Mühlen der Bürokratie kennen. So gingen beispielsweise ihre beglaubigten Unterlagen aus Serbien in der Post verloren und die Pandemie kam ihr in die Quere.
„Rübchenstadt” Teltow
Mit rund 28.000 Einwohnern ist Teltow die bevölkerungsreichste Stadt im brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark. Sie liegt am Teltowkanal, etwa 17 Kilometer entfernt von Potsdam-City und 20 Kilometer von Berlin-Mitte. Die Teltower nennen ihre Stadt selbst auch „Rübchenstadt”, benannt nach den Teltower Rübchen, einer seit über 300 Jahren rund um Teltow angebauten Speiserübe.
Vom Träumen und Kämpfen
„Auf meinem Weg in die Selbstständigkeit habe ich so oft auch gezweifelt. Aber all die Mühe und Tränen mussten am Ende doch für etwas gut gewesen sein."
Vladislava Drljaca
Drljaca hegte von Anfang an den Traum, sich selbstständig zu machen. „Ich habe immer nach dieser Selbstverwirklichung gestrebt. Ich möchte Zahnmedizin so praktizieren, wie ich es mir vorstelle, und meine eigene Chefin sein. Qualitativ hochwertig arbeiten und mir viel Zeit für jeden Patienten nehmen. Im Angestelltenverhältnis konnte ich diesem Anspruch meistens nicht gerecht werden.“
Sie blieb also dran und als sie endlich ihre deutsche Approbation in Aussicht hatte und nur noch die letzten zwei Jahre Vorbereitungszeit vor ihr lagen – das war 2022 – wusste sie, was sie zu tun hatte: Sie machte sich auf die Suche nach ihrer eigenen Praxis.
Raus aus der City
Drljacas Weg in Deutschland hatte in Berlin begonnen, und hier war sie bis jetzt geblieben. Der erste Gedanke lag also nahe: Auch die eigene Praxis sollte im Kiez sein. Doch bei genauerer Betrachtung stellte sich schnell heraus: Die Zahnarztdichte und der Versorgungsgrad sind hoch, der Wettbewerb dementsprechend auch.
Wir prüften den Standort und kamen schnell zu dem Ergebnis, dass die Praxis weder genügend Bestandspatienten hat, noch ausreichendes Entwicklungspotenzial aufweist. Und das sind klare Ausschlusskriterien. Die neue Devise lautete daher: „Raus aus der City und rein in den Speckgürtel!“ Hier, so der Gedanke, könnte nicht nur der Traum von der eigenen Praxis, sondern der vom Eigenheim gleich mit wahr werden.
Die Suche begann also von vorn. Diesmal startete der Prozess jedoch mit einer Standortanalyse, um die Landkreise und Ortschaften rund um Berlin zu ermitteln, in denen sich eine Praxisübernahme langfristig lohnt. Dabei nimmt man bestimmte Kennzahlen in den Fokus, die einerseits Auskunft über die Ist-Situation geben und andererseits eine Prognose der Entwicklung des Standorte erlauben (siehe Kasten „Diese Faktoren sind für den Standort besonders relevant“).
Zunächst wird der Versorgungsgrad in der Region ermittelt: Wie viele Einwohner kommen auf einen Zahnarzt? Außerdem wird die Konkurrenzsituation analysiert: Welche Zahnarztpraxen befinden sich in der Umgebung? Und was lässt sich über die Altersstruktur der Wettbewerber sagen?
Wenn die Konkurrenz zwar groß ist, die Kollegen aber absehbar in naher Zukunft in den Ruhestand treten, kann sich eine Niederlassung dennoch lohnen, da sich der Versorgungsgrad perspektivisch verschieben wird. Daneben ist die Einkommens- und Altersstruktur der Einwohner – also des zukünftigen Patientenklientels – ein wichtiger Faktor. Auch das Verhältnis von Zuzug in und Abzug aus der Gegend spielt eine Rolle: Handelt es sich um eine wachsende Region mit Potenzial, oder ziehen die Leute – und damit potenzielle Patienten – vermehrt weg?
Der Standort ist trotzdem nicht zwingend alles entscheidend. Hat die Praxis bereits einen fundierten Patientenstamm, der den nach einer Praxisübergabe üblichen Abgang von 20 bis 30 Prozent der Bestandspatienten verkraftet, können Standortfaktoren in den Hintergrund rücken. Man muss also immer die ganz individuellen Parameter der Praxis betrachten.
Diese Faktoren sind für den Standort besonders relevant
Versorgungsgrad (Verhältnis Einwohner pro Zahnarzt)
Konkurrenzsituation
Altersstruktur der Wettbewerber
Altersstruktur der Einwohner
Einkommensstruktur | Kaufkraftindex
Zuzug – Abzug
Anhand dieser Kennzahlen entstand auch für Drljaca ein fundierter Überblick für Berlin und Brandenburg – insbesondere für den von ihr favorisierten Speckgürtel rund um die Hauptstadt. Die Standortanalyse wies drei besonders zukunftsfähige Kernbereiche aus, zu denen auch das Städtchen Teltow im Landkreis Potsdam-Mittelmark gehörte. Hier machte sich Drljaca nun also gezielt auf die Suche nach einer Übernahme.
Und sie wurde fündig: In Teltow, dort, wo es sie auch privat hinzog. Das Timing stimmte ebenfalls, der Abgeber wollte sich in etwa zwei Jahren zur Ruhe setzen, sodass Drljaca ihre Assistenzzeit beenden und die Praxis im Anschluss übernehmen konnte. Diesmal hielt das Objekt der betriebswirtschaftlichen Prüfung stand. Teltow gehört aufgrund seiner Nähe zur Hauptstadt zu den wachsenden Orten in Brandenburg und ist gut erreichbar. Die Region ist mit Zahnärzten unterversorgt, sodass eine gute Nachfrage vorausgesetzt werden kann.
Im Vergleich zu Brandenburg insgesamt ist der Kaufkraftindex der Bevölkerung höher und die Arbeitslosenquote niedriger. Der statistisch zu erreichende GKV- sowie der potenzielle Privatumsatz liegen ebenfalls über dem Brandenburger Durchschnitt. Das Umsatzpotenzial in Teltow ist positiv zu bewerten, denn hierher zieht es vor allem die in Berlin arbeitende Mittelschicht, die auch bereit ist, Privatleistungen in Anspruch zu nehmen, und einen entsprechenden Behandlungsstandard aus Berliner Praxen gewohnt ist.
So entschied sich Drljaca nach Sichtung aller relevanten Faktoren für die Übernahme der Teltower Praxis. 2024 würde es endlich so weit sein und ihr Traum von der eigenen Praxis in Erfüllung gehen. Bis dahin sollten allerdings noch einige Herausforderungen auf sie warten – angefangen beim Businessplan.
„Frau Drljaca ist eine sehr willensstarke Person und sie brachte ihre Vorstellungen von Anfang an auf den Punkt. Das sind die besten Voraussetzungen für einen gelingenden Start in die Selbstständigkeit. Ich hatte bei dem Projekt gleich ein gutes Gefühl.“
Jonas Kock, Praxisberater
Fazit
Existenzgründerinnen und -gründer haben oft bereits schon eine bestimmte Praxis im Auge, wenn sie sich an eine spezialisierte Unternehmensberatung wenden. Eine professionelle Standortanalyse kann die Potenziale und Risiken des konkreten Objekts aufzeigen, aber auch Regionen eingrenzen, in denen sich die Praxisübernahme oder -neugründung langfristig lohnt. In jedem Fall bildet sie ein wichtiges Fundament für eine realistische und faktenbasierte Entscheidung für oder gegen eine Praxis und hilft dabei, das Projekt Selbstständigkeit von Anfang an auf einen erfolgversprechenden Kurs zu bringen.