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Ladakhpartners Local Doctors in den Bergdörfern von Indien

Karies schlich sich im Schatten von Corona zurück

Maik Wieczorrek
Seit über 20 Jahren besuchen wir die Bergbevölkerung in der schwer zugänglichen Region Ladakh im äußersten Norden Indiens auf 4.000 Höhenmetern. Die angespannte politische Lage im benachbarten Kaschmir liegt wie eine schwere Wolkendecke über dem Rand der Himalaya-Gebirgskette. Und wir mussten feststellen, dass die Corona-Jahre Spuren an den Zähnen hinterlassen haben.

Kaum waren unsere provisorische Zahnarztpraxis aufgebaut und die buddhistische Begrüßungszeremonie vollzogen, standen auch schon die ersten Patienten vor uns – nicht wenige mit Schmerzen, viele Kinder bereits mit Karies. Die seltene Chance einer Untersuchung wollten sie unbedingt nutzen. Viele Gesichter kenne ich inzwischen gut, eine Folge der mehr als 20 Jahre mit unserem Verein und dem Team aus medizinischen Helfern hier oben.

In der abgelegenen nordindischen Region Ladakh nahe des Himalaya-Gebirges gibt es weit und breit keine Praxis. Eine eventuelle Anreise und Behandlungen beim nächstgelegenen Zahnarzt müssten die Menschen zudem selbst bezahlen. Das ist für die armen Bergbauern unmöglich, sie sind auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Dass sich die Zahngesundheit der Menschen durch die Corona-Zeit und die eingeschränkte Versorgung leider wieder verschlechtert hat, schmerzte mich zu sehen. Die Kinder essen viel Zucker, die Zahnpflege wird hingegen nicht so sorgfältig praktiziert wie bei uns.

Drei Wochen lang war unser zehnköpfiges Helfer-Team über den Sommer im Einsatz. Die Truppe hat gut harmoniert, alle waren sehr engagiert und haben sich auf die schwierigen Bedingungen eingelassen. Ich empfand unseren Austausch besonders bereichernd für die gemeinsame Arbeit. Es ist wichtig, dass wir die Helfer auf die Umstände vor Ort einstimmen und sie – so gut es geht – persönlich vorbereiten. Die Gegebenheiten, die Kultur und das Klima sind herausfordernd und nicht für jeden etwas. Mir als Gründer und Vorsitzender des Vereins liegt daher viel an einer soliden Einweisung.

Retten, was zahnmedizinisch noch zu retten ist

Mit dabei war dieses Mal meine junge Kollegin Rebecca Kretzschmar. Sie hat in Jena Zahnmedizin studiert und absolviert gerade in Weimar ihre Assistenzzeit. Es war ihr erster ehrenamtlicher Auslandseinsatz. Mit dabei waren auch die drei Zahnärztinnen Meike Zeestermann-Tannert, Antje Wlach und Ute Lingat aus der Gegend um Zittau sowie Dr. Lara Hillemeyer aus Köln.

Über Frankfurt am Main ging es für uns über Neu-Delhi nach Leh, die Landebahn dort liegt bereits auf 3.500 Metern Höhe. Nach vier Tagen Höhenanpassung machten wir uns auf in Richtung Lingshed. Einen weiteren Tag dauerte die Fahrt über die Schotterpisten und 5.000 Meter hohe Pässe in das 800-Einwohner-Dorf. Insgesamt erstreckt sich die Region zwischen 2.750 und 8.000 Metern Höhe und ist damit eines der höchstgelegenen besiedelten Gebiete Indiens. Mit im Gepäck war dieses Mal eine transportable Zahnarzteinheit.

„Das Arbeiten fühlt sich schon anders an als zu Hause, wo alles gut sortiert in den Schubladen vorhanden ist“, stellte Rebecca direkt fest. Unser Material hier lag einfach auf einem Tisch. Die Zahnarzteinheit ist zwar gut ausgestattet, aber eben doch nicht vergleichbar mit einer deutschen Praxis. Unser vorrangiges Ziel war daher, irgendwie die größten Baustellen zu beseitigen – quasi der Versuch zu retten, was noch zu retten ist.

Vor allem die Kinder liegen uns am Herzen. In der Dorfschule wurden alle 60 Schüler untersucht und behandelt. Wir teilten Zahnbürsten und Zahnpasta aus und übten das Zähneputzen. Die meisten Kinder hier essen zu viel Zucker. Der steckt zum einen in den Trockenfrüchten, die hier traditionell gegessen werden. Zum andere erreichen über die Anbindung an die Straßen auch die Bonbons aus den Städten den Nachwuchs. Wir sind enttäuscht, dass die mit unserer Unterstützung über Jahre stabilisierte Zahngesundheit durch die Corona-Pause wieder spürbar zurückgeworfen wurde. Wir haben die Vermutung, dass sich durch unsere Abwesenheit in den vergangenen Jahren weniger Kinder und Erwachsene die Zähne geputzt haben.

Die politischen Spannungen überlagern unseren Einsatz

Der Kaschmir-Konflikt strahlt auch in die abgelegene Region aus. Ladakh liegt hoch im Norden Indiens, an der Grenze zu Pakistan und China. Politisch gehört die Region zu Indien, geografisch ist sie eine Verlängerung der tibetischen Hochebene. Der Konflikt ist ein jahrzehntelanger territorialer Streit zwischen Indien und Pakistan um die Region im Himalaya, die seit der Teilung Indiens 1947 nicht eindeutig geklärt ist. Die beiden Atommächte beanspruchen das gesamte Gebiet, das zwischen ihnen und China aufgeteilt ist, was Kriege und permanente Spannungen verursacht hat. Im Konflikt gehen beide Seiten militärisch gegeneinander vor. Hinzu kommt der interne Widerstand in Kaschmir und die Gefahr einer militärischen Eskalation zwischen den Ländern. 

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IBAN: DE 17 8405 0000 1360 1339 13, BIC: HELADEF1RRS

Kontakt:
info@ladakhpartners.de

Nicht ganz ungefährlich ist die Situation auch für unseren Einsatz. Die anhaltenden Unruhen im benachbarten Kaschmir destabilisieren die Regionen. Es gab und gibt aufgrund der Konflikte auch immer mal wieder Sperrungen der sozialen Medien. Wer sich in der Öffentlichkeit und im Netz zum Konflikt äußert, wird tatsächlich wahrgenommen. Man sollte daher vorsichtig sein. Wir haben schnell begriffen, dass wir uns als ausländische Besucher besser zurückhalten, was die Bewertung der aktuellen politischen Entwicklungen angeht. Es könnte eine Einreisesperre zur Folge haben, was wir nicht riskieren wollen. Auch das müssen wir bei der Vorbereitung unser Folgeeinsätze mitbedenken und unsere Helfer sensibilisieren.

Wer wird das Projekt weiterführen?

Zur Planung und Durchführung dieser Einsätze gehört eine Menge Herzblut. Man muss viel Zeit in die Organisation und die Vereinsarbeit investieren. Auch die Bedingungen der Reise sind nicht für jeden anziehend. Ich beobachte, dass vielen jungen Kolleginnen und Kollegen zwischen beruflichem Fußfassen und der eigenen Familienplanung kaum Gelegenheit bleibt, einen ehrenamtlichen Einsatz zu realisieren. Vor diesen Umständen treibt mich seit einiger Zeit die Sorge nach der Nachfolge um, wenn ich irgendwann bald nicht mehr kann.

Wer möchte die Führung übernehmen? Wer traut sich das zu? Vor diesen Fragen stehen ja auch andere Vereine und Organisationen. Unsere Zeit mit all ihren Problemen macht das nicht einfach. Ich will mich aber nicht entmutigen lassen und spätestens in zwei Jahren wieder nach Ladakh zurückkommen. Dafür suchen wir weitere Zahnmediziner, um in der Region in Zukunft zu helfen.

Maik Wieczorrek

1. Vorsitzender
Ladakhpartners-Partnership Local Doctors e.V.

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