„Sie lösen kein einziges Versorgungsproblem“
Die investorenbetriebenen Dentalketten in Frankreich und Deutschland lösen kein einziges Versorgungsproblem, sondern beschädigen die bewährten zahnmedizinischen Versorgungsstrukturen in unseren Ländern“, heißt es zu Beginn des Papiers. „Die investorengesteuerten Zahnarztketten lassen sich primär in ohnehin sehr gut versorgten Großstädten mit hohem Pro-Kopf-Einkommen nieder und kümmern sich dabei kaum um vulnerable Gruppen, was man an der niedrigen Zahl der Hausbesuche ablesen kann“, bekräftigt BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz.
Die Erklärung geht auf ein zweitägiges Treffen der BZÄK und des ONCD im Frühjahr 2025 in Berlin zurück. Bei den Gesprächen waren die Auswirkungen, die die beiden Berufsorganisationen durch investorenbetriebene Praxen auf die zahnmedizinische Versorgung beobachten, ein zentrales Thema.
Konstantin von Laffert, der die BZÄK als Vizepräsident vertrat, ist vor allen Dingen ein Punkt im Gedächtnis geblieben: „Besonders erschreckend waren die Berichte der französischen Kolleginnen und Kollegen über diverse Fälle von Behandlern, die mit gefälschten Zeugnissen in Investoren-MVZ in Frankreich an Patienten gearbeitet haben. Das zeigt, welche Dimension das Problem mittlerweile in Europa hat und dass es Zeit für einen besseren Patientenschutz durch eine wirkungsvolle Regulierung dieses Wildwuchses wird.“
Ein Schlupfloch im Gesetz
Während investorenbetriebene Dentalketten in Deutschland aufgrund des deutschen Sozialrechts in Form von zahnärztlichen MVZ (Medizinische Versorgungszentren) gegründet werden, treten sie in Frankreich als gemeinnützige Vereinigungen (dentalmedizinische Versorgungszentren) auf. „Dabei wurde ein Schlupfloch im französischen Gesetz ausgenutzt“, erklärt ONCD-Präsident Dr. Alain Durand. „Gemeinnützige Organisationen wurden in Frankreich als Träger von zahnmedizinischen Versorgungszentren zugelassen, um die Situation in unterversorgten Gebieten zu verbessern. Diese Möglichkeit haben die Investoren voll ausgenutzt: Sie gründeten gemeinnützige Vereine und über sie dentalmedizinische Versorgungszentren, um anschließend die Gewinne abzuschöpfen.“ Zu den Missständen, die im Zuge dieser Entwicklung auftraten, gehörten laut Durand neben der Beschäftigung nicht qualifizierter Fachkräfte auch überteuerte Abrechnungen und mangelhafte hygienische Zustände in den betreffenden Kliniken.
Bedingung ist die 50+1-Regel
Die gemeinsame Erklärung von ONCD und BZÄK enthält konkrete Forderungen für die Regulierung investorenbetriebener Dentalketten. Insbesondere muss aus Sicht der beiden Organisationen die Mehrheit an einer zahnärztlichen Praxis stets in Händen von Zahnärztinnen und Zahnärzten liegen („50+1-Regel“). So bleibe gewährleistet, dass zahnmedizinische Kompetenz und nicht Renditeerwartung ausschlaggebend für Behandlungsentscheidungen sei. „Zahnmedizin ist nicht gleichzusetzen mit dem Verkauf von Speiseeis oder Schuhen, da die Wissensasymmetrie zwischen Zahnarzt und Patient eine reine Renditeorientierung in der Medizin ausschließt“, geben die Organisationen zu bedenken.
Mit Blick in Richtung Politik weisen ONCD und BZÄK ausdrücklich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2024 (Az.: C-295/23) hin, in der bestätigt wird, dass die EU-Mitgliedstaaten berechtigt sind, Vorschriften zu erlassen, die die „berufliche Unabhängigkeit“ und insbesondere die Unabhängigkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe gewährleisten sollen.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
In Frankreich wurden die betrügerischen Betreiberfirmen inzwischen zurückgedrängt. Die Gründung einer gemeinnützigen Klinik wird strenger kontrolliert und ist beispielsweise nicht mehr in gut versorgten Gebieten möglich. ONCD-Präsident Durand betont, dass die französische Zahnärzteschaft für diesen Erfolg jahrelange Überzeugungsarbeit bei Politikerinnen und Politikern leisten musste.
„Jedes Mal, wenn wir Kenntnis von betrügerischen Praktiken erlangten – etwa schlechte Behandlungen, fragwürdige Arbeitsverträge, fehlende Qualifikationen, hygienische Missstände – meldeten wir und unsere regionalen Zweigstellen das den Behörden. Immer wieder haben wir auch die politischen Entscheidungsträger mit den Fakten konfrontiert, die uns vorlagen“, berichtet er. Diese Strategie habe dann letztendlich dazu beigetragen, dass Politik und Verwaltung sich bewegten.
Dass ONCD und BZÄK nun zum ersten Mal eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht haben, ist für Durand ein starkes Zeichen – das auch auf EU-Ebene Signalwirkung entfalten soll: „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass rendite-orientierte Investoren in der Zahnmedizin nicht nur das Problem einzelner Länder sind, sondern dass diese Entwicklung ganz Europa betrifft.“





