Wie lange sollte aus zahnmedizinischer Sicht gestillt werden?
Stillen hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung, das Wachstum und die Ausbildung des Immunsystems bei Neugeborenen. Die WHO und UNICEF empfehlen daher exklusives Stillen für die ersten sechs Lebensmonate eines Kindes, gefolgt von der Einführung von angemessener Zusatznahrung bei gleichzeitig fortgesetztem Stillen bis zu 24 Monate oder länger. Auch in Deutschland lässt sich in bestimmten Bevölkerungsgruppen beobachten, dass Kinder teilweise sogar weit über das zweite Lebensjahr hinaus gestillt werden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob längeres Stillen ein Risiko für die Entstehung einer frühkindlichen Karies (ECC) und damit für die Allgemeingesundheit darstellt.
Das Ziel des aktuellen systematischen Reviews war es daher, die Frage zu beantworten, ob eine verlängerte Stillzeit ein Risiko für die Entstehung von Karies in den ersten sechs Lebensjahren eines Kindes ist.
Methodik
Für das Review wurden Beobachtungsstudien, die das ECC-Risiko bei Kindern, die über zwölf Monate gestillt wurden, einbezogen. Dazu wurden acht Datenbanken – unter anderem PubMed, Scopus, Cochrane Library – durchsucht. Sprachlimitationen wurden nicht berücksichtigt.
Ergebnisse
Von den primär 4.733 Studien wurden 25 Studien mit 19.681 Teilnehmern eingeschlossen. Die Studie zeigte eine höhere ECC-Prävalenz beim Stillen über zwölf Monate hinaus (OR = 1,86; 95 Prozent KI, 1,48 bis 2,35). Offenbar wurde zudem ein erhöhtes Risiko für ECC bei Kindern, die länger als 24 Monate gestillt wurden (RR = 2,44; 95 Prozent KI, 1,97 bis 3,02) festgestellt. Diese Kinder haben eine dreimal größere Wahrscheinlichkeit eine ECC zu entwickeln als Kinder, die nicht gestillt wurden.
Diskussion
ECC ist definiert als Vorhandensein eines oder mehrerer kariös bedingter Zahndefekte sowie fehlender oder gefüllter Zahnoberflächen bei den Milchzähnen von Kindern bis zum Alter von sechs Jahren. ECC kann zu Schmerzen, Infektionen, einem veränderten Ess- und Schlafverhalten, reduzierter Sprachbildung oder reduziertem Wachstum führen und stellt damit ein signifikantes frühkindliches Gesundheitsproblem dar. Zur Entstehung einer ECC tragen mehrere Risikofaktoren bei, darunter die Qualität des Zähneputzens (elterliche Überwachung, Zahnputzhäufigkeit, Fluoridexposition), Ernährungsgewohnheiten und Stillmuster.
Zum Thema Stillen und dem Risiko einer Kariesentstehung gibt es mehrere systematische Reviews (SRs) mit widersprüchlichen Ergebnissen, die sich auf methodische Inkonsistenz zurückführen lassen. Zudem wurden in diese Reviews häufig nur Studien eingeschlossen, die in englischer Sprache publiziert worden waren. So wurde berichtet, dass Stillen im Vergleich zur Fläschchen-Ernährung zu einem geringeren Risiko für die Entstehung von ECC führt. Die meisten Untersuchungen kommen allerdings zu dem Schluss, dass Stillen über zwölf Monate hinaus (insbesondere nächtliches Stillen) die Entstehung einer ECC begünstigt.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse des Reviews deuten darauf hin, dass Empfehlungen zum Stillen (wie die der WHO und von UNICEF) aus zahnmedizinischer Sicht mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Dabei gilt es natürlich zu berücksichtigen, ob für Kinder ein ausreichendes alternatives Nahrungsangebot zur Verfügung steht.
Werdende Eltern sollten informiert werden, dass Stillen über zwölf beziehungsweise 24 Monate hinaus mit einem erhöhten Risiko für ECC verbunden ist. Gleichzeitig sollten sie darüber aufgeklärt werden, dass Flaschennahrung mit kariogenem Inhalt die Zahngesundheit gefährdet und rechtzeitig auf eine „feste“ Kost – möglichst ohne Zucker – umgestellt werden sollte. Zudem sollten Eltern wissen, dass eine adäquate Mundhygiene mit fluoridhaltiger Zahnpasta sowie eine regelmäßige zahnärztliche Kontrolle für die Erhaltung gesunder Zähne wichtig sind.
Der Review:
Lustosa K, Rodrigues LRS, Rocha RM, Prudente TP, Mezaiko E, Silva FPY, Silva BSF: Risk of early childhood dental caries associated with prolonged breastfeeding: A systematic review and meta-analysis. Int J Paediatr Dent. 2025:964-985. onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ipd.13313 (Open access).






