Interview: Dr. Renato Bocchini, Mectron

Meilensteine für die Zahnmedizin

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Industrie
In der Zahnmedizin gibt es regelmäßige Paradigmenwechsel – neue Methoden und Technologien lösen etablierte ab und entwickeln sich selbst zu Goldstandards. Diesen Prozess kennt das italienische Unternehmen Mectron nur allzu gut: hat der Hersteller doch selbst, unter anderem in der Piezochirurgie, zahlreiche Meilensteine gesetzt. Ein Interview mit Geschäftsführer Dr. Renato Bocchini, Geschäftsführer mectron Deutschland Vertriebs GmbH.

Dr. Bocchini, Mectron hat seinen Hauptsitz in Italien und eine Niederlassung in Deutschland. Wie sind die unternehmerischen Aufgaben auf die beiden Standorte verteilt?

Mectron wurde 1979 eine halbe Stunde entfernt von Genua an der ligurischen Küste von zwei Ingenieuren gegründet. Fernando Bianchetti und Domenico Vercellotti sind heute immer noch aktiv im Unternehmen tätig. Am Hauptsitz in Carasco arbeiten mehr als 150 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung sowie Herstellung und Verwaltung an der Erfolgsstory von Mectron.

Um stärker in den deutschen Markt expandieren zu können und lokal präsent zu sein, wurde 2003 die Mectron Deutschland Vertriebs GmbH etabliert. Heute ist sie eine sehr bewährte Mectron-Niederlassung, die ein professionelles Team von rund 30 Angestellten im Bereich Sales, Marketing und Logistik beschäftigt.

Welche Produkte werden in der italienischen Produktionsstätte hergestellt?

Das gesamte Mectron-Produktportfolio wird zu 100 Prozent im italienischen Hauptsitz in Carasco hergestellt. Wir sind sehr stolz, eines der wenigen Unternehmen zu sein, die wirklich auf einen komplett europäischen Herstellungsprozess bauen können. Mectron bietet Produkte sowohl für die präventive und restaurative Zahnheilkunde als auch für die Chirurgie. Diese unterschiedlichen Behandlungsfelder werden von uns hauptsächlich durch die Piezosurgery-Linie für medizinische und zahnmedizinische Chirurgie, durch Ultraschall-Scaler und Pulverstrahlgeräte für die Prophylaxe sowie durch LED-Polymerisationslampen für die Prothetik abgedeckt.

Was macht die Herstellung von Mectron-Produkten so besonders?

Als technologie-orientiertes Unternehmen bietet Mectron den Zahnärzten seit den Anfängen nicht nur eine geeignete Alternative zu anderen Produkten, sondern überzeugt die Anwender durch einen klaren praktischen Nutzen und klinischen Vorteil.

Zum Beispiel beschloss Mectron, in den 80er-Jahren Ultraschall-Einheiten in den Fokus zu rücken, die zu jener Zeit vor allem für supraginginvales Scaling verwendet wurden. Mectron zog es nie in Erwägung, sogenannte magnetostriktive Technologien einzusetzen, obwohl diese damals Goldstandard waren und in vielen Märkten auch heute noch sind. Stattdessen entschied man sich für die modernste verfügbare Technologie: die Piezo-Technologie. Diese entwickelte man bei Mectron weiter, um sie vollkommen zuverlässig zu machen. Denn das Problem bis dahin war die mechanische Belastung des Ultraschall-generierenden Druckwandlers im Handstück. Mectron war der erste Hersteller, der Druckwandler aus Titan benutzte und damit ein zentrales Problem löste – alle anderen Unternehmen übernahmen diese Innovation später für ihre Produkte.

Mectrons technologischer Beitrag im Bereich der Lichtpolymerisation war jedoch fast noch maßgebender: Das Unternehmen war bereits seit der Einführung von konventionellen Halogenlampen einer der Marktführer dieses Segments und entwickelte schließlich die weltweit erste LED-basierte Leuchte.

Das letzte, und vielleicht wichtigste, Beispiel für die Innovationskraft von Mectron ist die piezoelektrische Knochenchirurgie-Technik namens Piezosurgery. Erdacht und entwickelt wurde sie 1997 als Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen der klinisch-chirurgischen und der ingenieurstechnischen Welt. Erfinder Prof. Dr. Tomaso Vercellotti konzipierte die Mectron Piezosurgery-Einheit, um die Grenzen in Sachen Präzision und intraoperativer Sicherheit, die traditionellen Knochenschneidwerkzeugen gesetzt sind, zu überwinden.

Mectron ist also der Erfinder der piezoelektrischen Knochenchirurgie. Piezosurgery hat die  Oralchirurgie verändert. Welche Bedeutung hatte diese Entwicklung für das Unternehmen und für die Zahnmedizin im Allgemeinen?

ir können sagen, dass Mectron dank der Innovation Piezosurgery weltweit als eines der technisch und wissenschaftlich fortschrittlichsten Unternehmen in der Oralchirurgie und Implantologie wahrgenommen wird. Von 1997 bis heute ist Mectron nach wie vor Marktführer in der piezoelektrischen Knochenchirurgie und das nicht nur in der Zahnmedizin. 2009 wurde die Piezosurgery-Technologie erfolgreich für weitere Gerätegenerationen übernommen, die für die medizinische Anwendung bei Wirbelsäulenoperationen und in der Neurochirurgie gemacht sind. Somit können wir Piezosurgery als eine der wichtigsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Medizin und Zahnmedizin der letzten 20 Jahre betrachten, die es Behandlern ermöglicht, stressfreier und definitiv sicherer zu arbeiten.

Wie hat sich die Piezosurgery seit 1997 weiterentwickelt?

Seit 1997 arbeiteten Prof. Dr. Vercellotti und Mectron zusammen, um die piezoelektrische Idee auf den Einsatz in der Knochenchirurgie zu übertragen. Die ersten Ergebnisse waren noch enttäuschend, weil herkömmlicher Ultraschall Knochen nicht schneiden konnte, ohne das Behandlungsfeld zu überhitzen. Schnitte, tiefer als einen Millimeter, waren aufgrund der fehlenden Schneidleistung nicht möglich. Die Zusammenarbeit von Klinikern und Ingenieuren brachte dann das Erfolgsrezept: die ursprüngliche Ultraschallvibration wurde durch eine zweite, niederfrequente und auf die Knochenqualität angepasste, Vibration abgewandelt. Das ermöglicht ein effizientes Schneiden des Knochens ohne Überhitzung. Klinische Untersuchungen ergaben zudem, dass der micrometrische Schnitt des Piezosurgery-Gerätes eine unvergleichbare Präzision erlaubt, das umliegende Weichgewebe schont und das OP-Feld beim Eingriff weitgehend blutungsfrei hält.

Viele Jahre Arbeit im Mectron-Forschungslabor sowie in Prof. Vercellottis Praxis und an verschiedenen Universitäten brachten schließlich ein effizientes und sicheres Produkt hervor: die erste Generation von Piezosurgery wurde 2001 gelauncht. Heute verwenden Tausende von spezialisierten Zahnärzten und Oralchirurgen diese revolutionäre Technik für ihre Eingriffe.

In den letzten 15 Jahren hat Mectron insgesamt sechs Generationen von Piezosurgery-Geräten für den medizinischen und zahnmedizinischen Einsatz entwickelt und auf den Markt gebracht. Eine echte Erfolgsgeschichte!

Die Forschung und Entwicklung von Mectron hat schon immer eng mit Wissenschaftlern und klinischen Anwendern zusammengearbeitet. Prof. Vercellotti ist nur ein Beispiel dafür. Warum ist diese Zusammenarbeit so wichtig?

ie ich schon erwähnte, hat Mectron seit den frühen Anfängen mit sachverständigen Meinungsführern kooperiert – Piezosurgery beispielsweise ist wissenschaftlich geprüft und wir sind das einzige Unternehmen in diesem Segment, das auf klinische Daten für jedes einzelne Instrument zurückgreifen kann. Sämtliche klinische Anwendungen, für die das Gerät geeignet ist, wurden getestet, um sicherzustellen, dass es keinerlei Risiken für Behandler und Patienten gibt und die medizinische Wirkung stets positiv ist. Viele Unternehmen haben versucht ähnliche Produkte auf den Markt zu bringen, ihnen fehlen jedoch noch die wissenschaftliche Grundlage oder Forschungen zur Effizienz ihrer Methoden.

Nehmen Sie bestimmte Trends oder Bedürfnisse von Zahnärzten wahr, die größere Veränderungen der Zahnheilkunde in den nächsten Jahren andeuten?

In der Implantologie haben die meisten Zahnärzte seit Langem mit einem ganz bestimmten Problem zu kämpfen: der chirurgische Ansatz für schmale zahnlose Kieferkämme. Prof Vercelloti und Dr. Rebaudi arbeiten bereits seit einigen Jahren an dieser Thematik, um die Grenzen der altbekannten Methoden zur fortgeschrittenen Knochenaugmentation, wie Guided Bone Regeneration (GBR) und Knochblockentnahme, zu überwinden. Ausgehend davon wurde ein keilförmiges „Piezo-Implantat“ entwickelt, um schmale atrophierte Kiefer ohne Augmentation zu behandeln. Wir glauben fest daran, dass dieser neue Ansatz, genauso wie Piezosurgery, einen signifikanten Wandel in der Zahnmedizin herbeiführen wird.

Bitte geben Sie uns zum Abschluss noch einen kleinen Ausblick darauf, was Mectron für die Zukunft plant. Wird es zur IDS 2019 neue Produkte geben?

Mectron hat massiv in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung investiert. Allein in den letzten drei Jahren hat sich die Zahl unserer Ingenieure verdoppelt, um gleichzeitig verschiedenste Projekte umsetzen zu können. Denn wir sind gerade dabei, unser komplettes Portfolio von der Prophylaxe über Chirurgie und Implantologie bis hin zur restaurativen Zahnheilkunde zu erneuern. Zur IDS können wir deshalb spannende Neuigkeiten erwarten! Wir freuen uns darauf, die Besucher an unserem Stand begrüßen zu können.

Im Interview mit zm Markt spricht Dr. Renato Bocchini, Geschäftsführer mectron Deutschland Vertriebs GmbH, über die Herstellung der mectron-Produkte und das Piezosurgery-Konzept.

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