Haleon

Studie zeigt: Die Milch macht’s

Bereits seit über 45 Jahren wird Chlorhexidin wegen seiner sehr guten antimikrobiellen Wirkung in der Zahnmedizin zur Keimzahlverminderung im Mundraum eingesetzt. Der Wirkstoff wurde in zahlreichen Studien immer wieder als Goldstandard bestätigt1, 2, 3; bekannt ist jedoch auch, dass infolge der Anwendung verstärkt Zahnverfärbungen auftreten können. Welchen Einfluss hat dabei der Konsum bestimmter Getränke? Dieser Frage ging Dr.-Ing. Sandra Sarembe vom Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Halle an der Saale, in einer aktuellen Studie nach.4 In dem nachfolgenden Interview berichtet sie über das Studiendesign und die Ergebnisse der In-vitro-Untersuchung.

Frau Sarembe, Sie waren federführend an der Studie zum Einfluss von Getränken in Kombination mit Chlorhexidindigluconat auf die Zahnverfärbung4 beteiligt. Wie ist die Idee dazu entstanden und was wurde in dieser Studie untersucht?

Sandra Sarembe: Chlorhexidin gilt als der Goldstandard bei der Bekämpfung von bakteriellen Entzündungen in der Mundhöhle. Zahnverfärbungen sind eine der häufigsten Nebenwirkungen dieses sehr gut erforschten Wirkstoffs. Das beeinflusst leider die Compliance negativ. Daher wollten wir herausfinden, wie sich der Konsum bestimmter Getränke in Verbindung mit einer chlorhexidinhaltigen Mundspüllösung auf die Verfärbungen auswirkt. Wir wollten mit der Studie Daten erhalten, um möglichst eine Empfehlung für Getränke auszusprechen, wodurch Zahnverfärbungen während der Anwendung von Chlorhexidin umgangen beziehungsweise vermindert werden können.

Wie entstehen Zahnverfärbungen überhaupt und warum begünstigt der Wirkstoff Chlorhexidindigluconat deren Entstehung?

Das Thema ist sehr komplex und es gibt verschiedene Theorien zur Entstehung von Zahnverfärbungen. Eine gängige Erklärung ist, dass das zweifach positiv geladene Molekül Chlorhexidin an die negativ geladenen Oberflächen im oralen Milieu haftet, also an den Speichel, an die Haut oder Membranschichten. Dadurch kann der Wirkstoff mehrere Stunden im Mund verweilen. Auf dieser Depotwirkung beruht auch die langhaltende antibakterielle Wirkung von Chlorhexidin. Neben Interaktionen mit Bakterien finden auch Interaktionen mit Nahrungsmitteln und Getränken statt. So bleiben die Farbmoleküle aus den Lebens- und Genussmitteln an der Zahnoberfläche leichter haften und führen nach und nach zu Verfärbungen.

Und dann ist es spannend herauszufinden, welche Getränke mehr und welche weniger zu Verfärbungen führen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Getränke ausgewählt?

Bisher wurden die meisten Studien nur mit stark färbenden Lebensmitteln oder Getränken durchgeführt wie zum Beispiel Schwarztee, Kaffee oder Rotwein. Wir wollten die Bandbreite vergrößern und haben dafür elf repräsentative Getränke aus dem europäischen Markt mit einem unterschiedlichen pH-Wert und unterschiedlichem Verfärbungspotential ausgewählt.

Wie war das Design Ihrer Studie?

Für die Herstellung geeigneter Proben wurden extrahierte menschliche Backenzähne verwendet. Wir haben die halben Zahnkronen einer zyklischen Behandlung mit künstlichem Speichel und einer 0,2%igen CHX-Mundspülung in Kombination mit einer Reihe von Getränken ausgesetzt. Diesen Zyklus haben wir 28-mal wiederholt, um eine Anwendung der Mundspüllösung über 14 Tage zu simulieren. Zusätzlich zur Lagerung der Proben in den jeweiligen Lösungen haben wir sie in einem Zahnputzsimulator einmal mit Wasser und einmal mit Zahnpasta gebürstet, um auch die Auswirkung der mechanischen Reinigung aufzugreifen. Das Bürsten erfolgte in jedem Zyklus, d.h. auch 28-mal, um die tägliche Reinigung zu simulieren. Folgende Getränke wurden getestet: Diät-Cola, Diät-Limonade, Weißwein, Rotwein, Lagerbier, schwarzer Tee, Kaffee, schwarzer Tee mit Milch, Milchkaffee, Ingwer-Zitronentee und Wasser. Im Anschluss wurden die Proben fotografisch dokumentiert, es wurde eine Farbmessung durchgeführt und die Oberflächen wurden mittels Rasterelektronenmikroskopie analysiert.

Jetzt kommen wir schon zum spannenderen Teil, und zwar den Ergebnissen. Was hat denn die Studie gezeigt?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Protokoll mit und ohne Bürstschritt geeignet war, um die Zahnverfärbungen zu differenzieren. Wir konnten die Getränke nach ihrem Verfärbungspotential einteilen. Dabei zeigte sich, dass Schwarztee und Rotwein wie zu erwarten die intensivsten Verfärbungen hervorrufen. Leichte bis mittelstarke Verfärbung wurden nach Behandlung mit dem Ingwer-Zitronentee festgestellt oder auch Milchkaffee, Tee mit Milch und Bier. Ein nur sehr geringes Verfärbungspotential haben wir bei Weißwein oder Diät-Limonade beobachtet, das im Bereich der Wasserkontrolle lag. Es zeigte sich außerdem, dass das Putzen mit Zahnpasta effektiver war als mit Wasser, was aber die Reihenfolge der Stärke von Verfärbungen nicht geändert hat.

Nach der Behandlung mit stark färbenden Getränken bestätigte die rasterelektronenmikroskopische Auswertung die Bildung einer Oberflächenschicht. Je nach Getränk war die mechanische Beständigkeit der Verfärbungsschicht unterschiedlich. Die Zugabe von Milch zu Tee und Kaffee veränderte die Struktur der Verfärbungsschicht und verringerte ihr Anhaften an der Zahnoberfläche erheblich.

Welche Erkenntnisse können durch diese Studienergebnisse für die Praxis gewonnen werden?

Aus der Literatur ist bekannt und auch unsere Studie belegt, dass Chlorhexidin an sich kein Verfärbungspotential besitzt; Voraussetzung ist immer eine Interaktion mit einer färbenden Komponente. Bei der Anwendung allein passiert also gar nichts. Es sind veränderbare Patientenfaktoren, wie der Konsum von bestimmten Getränken, die zu Verfärbungen führen. Zahnärzte und -ärztinnen können diese Erkenntnisse nutzen und ihre Patient:innen entsprechend aufklären und ihnen wertvolle Tipps geben, um diese Verfärbungen zu vermeiden oder zu reduzieren.

Es gibt Menschen, die lieber auf die Verwendung von chlorhexidinhaltigen Mundspülungen verzichten würden, weil sie Verfärbungen befürchten. Wie können Zahnärzte und Zahnärztinnen die Compliance ihrer Patient:innen erhöhen?

Am erfolgreichsten ist eine sorgfältige Patientenaufklärung und -instruktion. Eben haben wir von veränderbaren Patientenfaktoren gesprochen; Zahnärzte und -ärztinnen können beispielweise ihren Patient:innen empfehlen, während einer Chlorhexidin-Therapie, stark färbende Lebensmittel oder Getränke zu vermeiden oder auch in dieser Zeit Tee oder Kaffee nur mit Milch zu trinken. Es war interessant für mich festzustellen, dass die Verfärbungsschicht auf den Zähnen bei einer Verdünnung der Getränke mit Milch nicht so hartnäckig und fest war und sich besser entfernen ließ. Darüber hinaus empfiehlt es sich,  färbende Lebensmittel nicht unmittelbar nach der Anwendung von chlorhexidinhaltigen Mundspülungen zu konsumieren, d.h. den Abstand bis zur nächsten Mahlzeit möglichst groß zu gestalten und die tägliche mechanische Reinigung nicht zu vernachlässigen. Des Weiteren sollten die Patient:innen zudem aufgeklärt werden , dass selbst hartnäckige Verfärbungen mit einer professionellen Zahnreinigung nach der Behandlung entfernt werden können.

1 Jones CG. Chlorhexidine: is it still the gold standard? Periodontol 2000. 1997 Oct;15:55-62.
2 Varoni E, Tarce M et al. Chlorhexidine (CHX) in dentistry: state of the art. Minerva Stomatol, 2012;61:399-419.
3 Chye RML, Perrotti V, Piattelli A, Iaculli F, Quaranta A. Effectiveness of different commercial chlorhexidine-based mouthwashes after periodontal and implant surgery: a systematic review. Implant Dent 2019;28(01):74–85.
4 Sarembe S, Kiesow A, Pratten J, Webster C. The Impact on Dental Staining Caused by Beverages in Combination with Chlorhexidine Digluconate. Eur J Dent. 2022 Oct;16(4):911-918.

Dr.-Ing. Sandra Sarembe

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe "Charakterisierung medizinischer und kosmetischer Pflegeprodukt" am Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale).

Studium der Materialwissenschaften und Promotion an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg 2013.

Forschungsschwerpunkte:

  • Entwicklung von maßgeschneiderten, analytischen Screening-Methoden und Testmodellen für Kunden und Partner aus dem Dental- und Personal-Care-Bereich

  • Expertise in der Bewertung der Abrasions- und Reinigungsleistung von Mund- und Zahnpflegeprodukten sowie von kosmetischen Pflegeprodukten

  • Bewertung des Verfärbungspotentials von Mund- und Zahnpflegeprodukten in Kombination mit färbenden Lebensmitteln

  • Bewertung von Whitening-Effekten von Mund- und Zahnpflegeprodukten

  • Expertise in der materialwissenschaftlichen Charakterisierung und Bewertung von Zahnbürsten (manuell und elektrisch)

  • Materialverträglichkeitsprüfung von prothetischen, kieferorthopädischen Materialien und anderen dentalen Apparaturen

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