4,33 Milliarden Euro Bürokratiekosten in (Zahn-)Arztpraxen
Das Projekt, das der NKR gemeinsam mit Trägern der Selbstverwaltung initiiert hatte, zielt auf die Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen. Gemeinsam hatte man die bürokratischen Abläufe in den Praxen auf den Prüfstand gestellt und sich im Jahr 2015 auf 20 Handlungsempfehlungen geeinigt, die im Praxisablauf helfen können, unnötige Bürokratie zu vermeiden.
Gestern zogen die Beteiligten – neben dem NKR sind das das Bundesgesundheitsministerium, der GKV-Spitzenverband, BZÄK und KZBV sowie die KBV - vor der Presse eine Zwischenbilanz und präsentierten ein gemeinsames Positionspapier.
Danach ist von den insgesamt 20 vereinbarten Handlungsempfehlungen seit dem Abschluss des Projekts im August 2015 rund die Hälfte vollständig umgesetzt. Fünf befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium, fünf weitere sind angestoßen.
Wolf-Michael Catenhusen, Mitglied des Nationalen Kontrollrats und Projektverantwortlicher, sprach von einer positiven Bilanz: „Es lohnt sich, das Bürokratie-Übel in Arzt-, Psychotherapeuten- und Zahnarztpraxen gemeinsam an der Wurzel zu packen und Vereinfachungen spürbar werden zu lassen.“ Klare Erfolgsfaktoren seien die gemeinsame Analyse, die gemeinsame Entwicklung von Maßnahmen und die Digitalisierung, die viele Chancen für die Vereinfachung bei der alltäglichen Arbeit in den Praxen biete. Die Arbeit sei damit aber noch nicht beendet.
Ein Aspekt, der seitens der Zahnärzteschaft stark unterstrichen wurde. So machte der Vizepräsident der BZÄK, Prof. Dr. Christoph Benz, darauf aufmerksam, dass das Thema bürokratische Belastungen in den Zahnarztpraxen von hoher Bedeutung sei. Die laufende Studie des IDZ über das Berufsbild angehender und junger Zahnärzte zeige, dass 79 Prozent der angehenden Zahnärzte Bürokratie für den unangenehmsten Aspekt ihres späteren Berufslebens halten, der für 47 Prozent sogar dagegen sprechen könnte, eine eigene Praxis zu gründen.
Aus Sicht der BZÄK besteht sowohl bei den Vorgaben zur Einrichtung und zum Betrieb von Röntgeneinrichtungen, vor allem aber bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, ein erhebliches Optimierungspotenzial. Die BZÄK habe mit Abbauvorschlägen versucht, die Bürokratieschraube ein wenig zurückzudrehen, ohne bei zentralen Themen wie der Hygiene oder bei der Patientensicherheit Abstriche zu machen. Sein Fazit: „Um es offen zu sagen: In den vergangenen zwei Jahren seit Erscheinen unseres Abschlussberichts haben wir mit unseren Kernforderungen nicht viel erreichen können.“
Der Beauftragte des KZBV-Vorstandes, Dr. Ralf Hausweiler, machte das Ausmaß an alltäglicher Bürokratie in jeder der etwa 45.000 Zahnarztpraxen anhand eines drastischen Beispiels deutlich: „Tagtäglich muss für immer gleiche Routinearbeiten ein Hygiene-Dokumentationsbogen ausgefüllt werden. Unter Berücksichtigung derzeit gültiger Vorgaben und Aufbewahrungsfristen wird dabei so viel Papier beschrieben, dass eine 14 Kilometer lange Reihe von Aktenordnern entstehen würde.“
Gerade die Zahnarztpraxen kümmerten sich vorbildlich und vollumfänglich um das Thema Hygiene in den Zahnarztpraxen. Überbordende Bürokratie stehe dem jedoch diametral entgegen und behindere den Praxisalltag. Die KZBV verspreche sich von der Digitalisierung einen Abbau von Bürokratielasten. Das betreffe etwa das vertragszahnärztliche Antrags- und Genehmigungsverfahren und die Erfüllung von aufbewahrungspflichten durch elektronische Archivierung. Insgesamt sprach Hausweiler von einem bedauerlichen Stillstand: Den Worten seien keine Taten gefolgt.
Die Zahnärzteschaft appellierte sowohl an Landesregierungen und -behörden, aber auch an die neue Bundesregierung, die Vorschläge der Zahnärzte weiterzuentwickeln und umzusetzen. Behörden, Selbstverwaltung und Kassen müssten an einem Strang ziehen, um vermeidbare Bürokratie abzubauen.
„Beim Bürokratieabbau ist es wichtig, den Blick nicht auf reines Streichen von Formularen oder Informationspflichten zu verengen“, sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Auch vermeintlich unnötige Verpflichtungen könnten sehr wohl ihre Berechtigung haben. Das treffe insbesondere auf Qualitätssicherungsmaßnahmen zu, wie beispielsweise das Krebsregister oder OP-Checklisten. Die hier investierte Zeit komme dem Patienten unmittelbar zugute. Sie halte wenig von starren Vorgaben, sagte Pfeiffer. Der Abbau unnötiger Bürokratie werde für den Verband mit diesem Projekt nicht enden. Wichtig sei, die praktische Umsetzbarkeit im Auge zu behalten.
Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstands der KBV, verwies auf den neuen Bürokratieindex, den die KBV für die Arztpraxen vorgestellt hatte. Er zeige, dass nach einem Absinken der Belastung wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist. „Deshalb fordern wir weiterhin ein verbindliches Abbauziel analog zu dem der Bundesregierung. Das könnte beispielsweise bedeuten, innerhalb von fünf Jahren eine Entlastung um 25 Prozent anzustreben.“