72 Prozent vertrauen auf die Zweitmeinung

dg/pm
Fast drei Viertel aller Patienten ändern nach einer Zweitmeinung durch Experten ihre ursprüngliche Behandlungsentscheidung ganz oder teilweise. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Rahmen des Gesundheitsmonitors von Barmer GEK und Bertelsmann Stiftung.

Insgesamt 1.598 Patienten wurden nach ihrer Einstellung zur Zweitmeinung befragt, mit dem Ziel, herauszufinden, ob sie eine Zweitmeinung wollen und bei welchen Erkrankungen, Untersuchungen und Behandlungen sie gewünscht wird.

Je nach Fragestellung äußerten sich die Befragten unterschiedlich. „Hatten Sie schon einmal (oder öfter) die Idee, dass Sie eine Zweitmeinung zu irgendeiner bei Ihnen anstehenden Untersuchung oder Behandlung einholen könnten?“, beantworteten 33 Prozent der Versicherten mit „ja, einmal“ (21 Prozent) oder „ja, zweimal oder öfter“ (12 Prozent).

Ein Drittel holt sich eine zweite Meinung bei Zahnersatz ein

Ganze 83 Prozent der Befragten halten es für wichtig, bei Krebserkrankungen die Möglichkeit einer Zweitmeinung zu haben. Bei Erkrankungen am Herz oder an den Gefäßen sind es 71 Prozent, bei Hirnleistungsstörungen 66 Prozent und bei Erkrankungen an Knochen, Gelenken oder Muskeln 65 Prozent. Selbst bei „sonstigen Erkrankungen“ erachteten es immer noch 29 Prozent als wichtig, eine Zweitmeinung einholen zu können.

Ein ähnliches Bild ergab sich, bei der Frage, für welche Untersuchungen und Behandlungen die Befragten eine Zweitmeinung wichtig finden. Mehr als zwei Drittel empfindet eine solche Möglichkeit als wichtig bei medikamentösen Behandlungen wegen Krebs (70 Prozent) und bei einer Chemotherapie (67 Prozent); mehr als die Hälfte bei einer Strahlentherapie (61 Prozent), bei Operationen an Knochen/Gelenken (56 Prozent) und Operationen an inneren Organen (56 Prozent). Fast ein Drittel holen sich eine zweite Meinung bei einer Versorgung mit Zahnersatz ein. (Abbildung 1).

Zweitmeinungserfahrene Patienten ticken anders

Fast die Hälfte der Patienten mit einer Zweitmeinungserfahrung nutzt diese für andere als die bei der Befragung spezifisch aufgeführten Untersuchungen und Behandlungen: 16 Prozent gaben an, sie bei Operationen an Knochen oder Gelenken eingeholt zu haben; 11 Prozent bei medikamentösen Behandlungen, die nicht wegen einer Krebserkrankung angezeigt waren.

###more### ###title### Fast 30 Prozent wollen die Zweitmeinung beim Zahnarzt ###title### ###more###

Fast 30 Prozent wollen die Zweitmeinung beim Zahnarzt

Konkret danach gefragt, bei welchen Ärzten die Möglichkeit einer Zweitmeinung wichtig wäre, nannten 54 Prozent Untersuchungen oder Behandlungen bei Orthopäden, 45 Prozent Fachärzte aus anderen Fachgebieten und 38 Prozent Ärzte im Krankenhaus. Für weniger bedeutsam hielten dies die Befragten bei Augenärzten (30 Prozent), Zahnärzten (29 Prozent) und Hausärzten (20 Prozent).

Ein Viertel hat Erfahrungen mit Zweitmeinungen

Erfahrungen der Befragten mit einer bereits eingeholten Zweitmeinung wurden in der Studie spezifiziert. Zunächst interessierte, von wem die erste Empfehlung oder Indikation zu einer notwendigen Untersuchung oder Behandlung stammte und bei wem anschließend die Zweitmeinung eingeholt wurde. Tabelle 1 verdeutlicht, dass die erste Indikationsstellung, die dann in einer Zweitmeinung resultierte, am häufigsten vom Hausarzt stammte (38 Prozent).

Lediglich ein Drittel dieser Indikationsstellungen wurde bei einem anderen Hausarzt überprüft (13 Prozent). Zumeist wurden offenbar niedergelassene, spezialisierte Fachärzte und zu einem geringeren Teil Krankenhausärzte für eine Zweitmeinung aufgesucht. Wenn Orthopäden, Zahnärzte, Augenärzte oder Onkologen die erste Indikation gestellt hatten, wurde die zweite Meinung anscheinend bei einem anderen Arzt der gleichen Fachdisziplin eingeholt.

###more### ###title### Umgekehrt stärkt das Telefongespräch die Erstmeinung ###title### ###more###

Umgekehrt stärkt das Telefongespräch die Erstmeinung

Die Zweitmeinungen führten beim Großteil  (72 Prozent) der Befragten zu einer Veränderung der Entscheidung in Bezug auf eine laut Erstmeinung indizierte Untersuchung oder Behandlung: 45 Prozent der Befragten bejahten eine Entscheidungsänderung, 26 Prozent gaben dies „zum Teil“ an und nur 27 Prozent verneinten, ihre Entscheidung verändert zu haben. Fast alle Befragten hielten das Einholen der Zweitmeinung für sinnvoll: 74 Prozent antworteten „ja, auf jeden Fall“ sinnvoll, weitere 15 Prozent „eher ja“ und sieben Prozent „teils, teils“. Nur vier Prozent antworteten „eher nein“ und ein Prozent „nein, auf keinen Fall“.

Die Umfrage ergab jedoch, dass eine telefonische ärztliche Beratung der Krankenkasse seltener zu einer Entscheidungsänderung führte als die meist im persönlichen Gespräch wahrgenommene Zweitmeinung. Stattdessen wurde eher das Vertrauen in die Erstmeinung gestärkt: So gaben 34 Prozent der Befragten einer Krankenkassenberatung an, dass das Vertrauen in die ursprüngliche Arztempfehlung sehr viel (neun Prozent) oder etwas größer (25 Prozent) als vor der Beratung war. Für 52 Prozent war das Vertrauen in die Erstmeinung unverändert und nur für 14 Prozent war es etwas (fünf Prozent) oder sehr viel geringer (acht Prozent) als vorher.

###more### ###title### Mehr als die Hälfte würde die Zweitmeinung (teilweise) selbst bezahlen. ###title### ###more###

Mehr als die Hälfte würde die Zweitmeinung (teilweise) selbst bezahlen.

Auf die ärztliche Beratung ihrer Krankenkasse reagierten die Befragten unterschiedlich: 45 Prozent entschieden sich für die zuerst vom Arzt empfohlene Behandlung, 24 Prozent holten noch eine Zweitmeinung bei einem anderen niedergelassenen Arzt ein, 21 Prozent informierten sich weiter im Internet und 20 Prozent unternahmen nichts und schoben die Entscheidung auf. Nur acht Prozent entschieden sich für eine ganz andere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode (Abbildung 3).

Bei der Zahlungsbereitschaft teilen die Befragten sich in zwei fast gleich große Gruppen. „Wären Sie unter bestimmten Bedingungen bereit, einen Teil der Kosten für eine ärztliche Zweitmeinung selbst zu bezahlen?“, beantworteten 54 Prozent mit „ja“ (7 Prozent) oder mit „vielleicht, kommt drauf an“ (47 Prozent), während 45 Prozent klar „nein, auf keinen Fall“ antworteten. 

Unter welchen Bedingungen können sich die Befragten die Übernahme eines Teils der Kosten vorstellen? Auch hier zeigten sich gleichartige bedeutsame Unterschiede, abhängig von der Zugehörigkeit zur Sozialschicht sowie vom Versicherungsstatus. Eine besonders hohe Zahlungsbereitschaft bewiesen die Befragten, wenn es sich um lebensbedrohliche Erkrankungen, solche mit Behandlungsrisiken oder lange andauernden Symptomen handelte (Abbildung 4). Alle Ergebnisse der Studie lesen.

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