Ärztliche oder organisierte Sterbehilfe
Ein ärztlich begleiteter Suizid kann nach Meinung der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann die organisierte Sterbehilfe eindämmen. Wenn der assistierte Suizid durch einen vertrauten Arzt ermöglicht werde, würden sich Sterbevereine von selbst erledigen, sagte Reimann der dpa. "In einer solchen Grenzsituation müsste sich keiner an eine anonyme Organisation wenden oder gar noch in die Schweiz fahren."
Reimann: "sieben Voraussetzungen für den ärztlich begleiteten Selbstmord"
Reimann gehört zu einer Gruppe von Koalitionsabgeordneten, die für die Zulassung ärztlicher Hilfe bei der Selbsttötung werben und dafür sieben Voraussetzungen formuliert haben. Unter anderem müsse der Sterbende volljährig und voll einsichtsfähig sein. Es müsse sich um eine unheilbare Krankheit handeln, die unumkehrbar zum Tod führe. Der Patient müsse zudem erkennbar leiden und umfassend über andere, besonders palliative Behandlungsmöglichkeiten, beraten worden sein.
Reimann erhofft sich von der viereinhalbstündigen Bundestagsdebatte am Donnerstag eine möglichst starke Wirkung in der Öffentlichkeit. Damit könnten Sterbebegleitung oder Hospiz-Bewegung mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Vorschläge ihrer Gruppe seien "eng begrenzt" auf einen vertrauten Arzt, sagte die SPD-Abgeordnete. Dem Sterbenden gebe die Möglichkeit eines tödlichen Medikaments eine große Sicherheit. Dies könne gerade zu einer Suizidvermeidung führen.
Vielen Patienten sei umgekehrt bewusst, dass der Wunsch nach Sterbehilfe auch für den Arzt eine belastende Gewissensentscheidung sei. Zum Teil bestehe bei den Patienten eine gewisse Hemmung, den Arzt auf den eigenen Sterbewunsch anzusprechen. "Eine große Zahl der Ärzte kann sich das aber vorstellen", sagte Reimann.
"Sterben ist in Deutschland ein ganz privates Feld."
Die krebskranke Amerikanerin Brittany Maynard habe laut Reimann bei ihrem assistierten Suizid kürzlich die Öffentlichkeit offensiv gesucht. Dies wirke in Deutschland sehr befremdlich. c, sagte die SPD-Politikerin. Die 29-Jährige nahm sich am 1. November wie angekündigt wegen eines Gehirntumors das Leben.
Gegenwind bekommt Reimann von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Vorschläge der Abgeordnetengruppe werde "Sterbewillige nicht davon abhalten, in die Schweiz zu fahren", teilte Stiftungsvorstand Eugen Brysch am Samstag mit. Denn dabei gehe es meist nicht um tödliche Krankheiten, sondern um "die Angst vor Abhängigkeit oder eine Depression".
Brysch: "Pläne erhöhen den Druck auf Betroffene"
Die Pläne hätten aber schwere Auswirkungen auf Betroffene in Deutschland. "Sie erhöhen den Druck auf Schwerstkranke, den Weg der begleiteten Selbsttötung zu gehen", kritisierte Brysch.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, hat indes seine Forderung nach einem Verbot der organisierten Sterbehilfe bekräftigt. Zugleich sprach er sich im Magazin "Focus" für eine neue Berufsordnung für Ärzte aus. Man müsse "Schutzmauern errichten gegen eine schiefe Bahn, die den Suizid normalisieren und letztlich wohl auch zum Töten auf Verlangen führen würde: nämlich gegen die organisierten Formen der Suizidbeihilfe".
Marx "Schutzmauern errichten gegendie organisierten Formen der Suizidbeihilfe"
Auch beim ärztlichen Standesrecht besteht nach Ansicht des Erzbischofs von München und Freising Handlungsbedarf: "Hier muss es klare Verbote geben." Gleichzeitig bräuchten die Ärzte aber "Raum, um ohne Angst vor juristischen Konsequenzen Einzelfall-Entscheidungen treffen zu können, also um zu beurteilen, ob eine Behandlung noch auf Therapie oder das Sterben auszurichten ist", sagte Marx.