Alles zum Krankheitsbild Osteoradionekrose
Bei Kopf-Hals-Tumoren ist eine Bestrahlung oft ein Teil des komplexen Behandlungskonzepts. Idealerweise erfolgen vorab eine zahnärztliche Untersuchung und notwendige Sanierungen. Dennoch kann es auch noch Jahre nach einer Radiatio zu einer Osteoradionekrose (ORN) des Kiefers kommen.
Den Pathomechanismus erklären die Autoren so: „Zuvor bestrahltes Kopf- und Halsgewebe wird hypovaskulär und hypoxisch. Befindet sich der Unterkiefer im Bestrahlungsfeld, kann er eine aseptische, avaskuläre Nekrose entwickeln, die zu Infektionen, Zahnverlust und sogar zu pathologischen Kieferbrüchen führen kann.“ [Davis et al., 2022]. Klinisch zeigt sich intraoral zumeist freiliegender Kieferknochen. Gleichzeitig können Schmerzen sowie Fistelungen, erhöhte Zahnbeweglichkeit und Sequestrierungen auftreten.
Das Risiko hängt von der Strahlendosis ab
Das Risiko einer ORN scheint in Abhängigkeit von der Strahlendosis zu stehen, wobei bei intensitätsmodulierter Strahlentherapie das Risiko für ORN am geringsten sei, bei einer Strahlendosis unter 6.000 Gray sehr gering, während bei rund zwei Prozent der Bestrahlten mit Dosen zwischen 6.000 und 7.000 Gray eine ORN auftritt, bei noch höheren Dosen sogar bei neun Prozent.
Definition
Zur Vermeidung einer ORN sollte bereits vor Beginn der Strahlentherapie eine Sanierung durch einen Zahnarzt erfolgen, wobei hier ausschließlich Behandlungen vorgenommen werden sollten, die ohnehin indiziert sind.
Nach der Strahlentherapie ist ein engmaschiges Monitoring des Patienten wichtig. Neben regelmäßiger Fluoridapplikation sollten auch der Zahnstatus und die Schleimhaut genau inspiziert werden. Der Prothesensitz muss (nach Karenz während und nach der Strahlentherapie) dabei penibel kontrolliert werden, um Druckstellen zu vermeiden. Werden nach Bestrahlung zahnärztliche operative Eingriffe notwendig, sollten diese von einem Spezialisten und unter antibiotischer Therapie durchgeführt werden.
Die Therapieempfehlungen sind kontrovers
Bei Verdacht auf eine ORN sollten diagnostische Maßnahmen eingeleitet werden. Dazu zählt, neben einer Bildgebung, auch die histologische Überprüfung. Die Therapie sollte ebenfalls durch einen Facharzt erfolgen.
Neben dem chirurgischen Debridement unter antibiotischer Abschirmung beschreiben die Autoren zusätzlich eine mögliche Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff, die in den USA anscheinend anerkannt ist. Diese Behandlung wird allerdings von den Leitlinienautoren als Standardtherapie aufgrund der kontroversen Studienergebnisse und potenzieller, unerwünschter Nebenwirkungen abgelehnt. Die Autoren um Donald D. Davis empfehlen zudem in schweren Fällen den lokalen Einsatz von Pentoxyfillin oder Tocopherol.
Originalpublikation: Davis DD, Hanley ME, Cooper JS. Osteoradionecrosis. 2021 Jul 25. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 28613568