Kolumne

Anleitung zum Kaputtsparen

mg
Nachrichten
Was haben Sie eigentlich so für Ausgaben pro Monat? Entschuldigen Sie die kleine Indiskretion, aber ich recherchiere anlässlich des neuesten Werbegags der Vermittlungsplattform mystipendium.de.

Gefördert werden dort Studenten, die mit besonders wenig Geld auskommen. Gute Chancen hat ein junger Mann, dem angeblich 100 Euro pro Monat zum Leben genügen, weil er abends im Schein von Leuchtwerbungen seine Skripte liest, auf dem Campus Flaschen sammelt und Gratisproben ausleckt.
Klar, wer ein paar Jahre in Lohn und Brot steht, verlacht solche Eskapaden junger Menschen für gewöhnlich als Wegmarken der Postadoleszenz, darum möchte ich die Subversivität der Werbebotschaft noch einmal verdeutlichen. Ernsthaft: Wo ständen wir heute, wenn sich – sagen wir 1968 – alle Zahnärzte von Brunswik bis hinter Erding darauf geeinigt hätten, auf Behandlungseinheiten zu verzichten und nach afrikanischem Vorbild ihre Patienten auf ausgemusterten Küchenstühlen zu behandeln? Oder morgens zur Arbeit mit dem geliehenen Rad ihres Hausbesetzerkumpels zu fahren – wohlgemerkt nur bis zum Dritten jedes Monats. Die restliche Zeit bliebe die Praxis ja geschlossen, weil das benötigte Einkommen schon erwirtschaftet ist – und sie lieber ihr eigenes Gemüse anbauen oder mit ihren Kumpels im Park rumhängen und jonglieren üben.
Nur damit wir uns richtig verstehen: ich möchte nicht den nachhaltig und sparsam denkenden Behandler kritisieren, der Solar auf dem Dach hat, seine Praxis auf LED-Technik umstellt, die Sanitäranlagen mit Regenwasser spült und MTA durch Zement aus dem Baumarkt ersetzt. Stattdessen geht es mir um den hier schamlos propagierten Totalverzicht – quasi den Gegenentwurf zum lieb gewonnenen unbegrenzten Wachstum.
Eines muss ich jedoch zugeben: Die Idee des konsequenten Verzichts könnte die Branche um neue Spezialisierungsgebiete mit einem stärkeren künstlerischen wie spirituellen Einschlag bereichern. Für Freunde Henri Cartier-Bressons gebe es dann Masterkurse in „Available Light“, womit jede noch so routinierte Endorevision zum spannungsgeladenen Ereignis würde. Und wer ganz gezielt die schnöde optische Kontrolle abgeben möchte, belegt die vom Zen-Buddhismus inspirierte Weiterbildung „Intuitives Implantieren“.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.