Landesarbeitsgericht Nürnberg

Arzt streicht Betriebsurlaub, MTA legen AU vor – Kündigung!

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Praxis
Lassen sich mehrere Medizinische Fachangestellte (MFA) exakt für die Dauer eines widerrufenen Betriebsurlaubs gleichzeitig krankschreiben, steht der Beweiswert dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) infrage.

Und zwar erst recht, wenn eine der Angestellten das Attest ohne Untersuchung und nur nach telefonischer Rücksprache mit ihrer Hausärztin erhalten hat. So urteilte jetzt das Landesarbeitsgericht Nürnberg.

In dem Streitfall hatte der Arbeitgeber von Karfreitag, 3. April, bis Ostermontag, 13. April 2020, einen Betriebsurlaub für alle Praxismitarbeiterinnen anberaumt. Als dann wegen der Corona-Infektion einer MFA die Praxis aber schon schon von Mitte März bis 1. April zumachen musste, widerrief er die Auszeit per  Kurznachricht. Eine nochmalige Schließung sei für die Patienten nicht akzeptabel. Entweder man verschiebe den Urlaub um eine Woche oder arbeite in Schichten mit weniger Personal für 14 Tage.

Eine MTA beschwerte sich danach über die Absage des Urlaubs: "Mit uns wird gar nichts besprochen. Uns wird angeordnet. Das funktioniert so nicht, da auch ich eine Familie habe." Sie könne nicht arbeiten kommen. Sie sei "immunsuppremiert" und bräuchte deswegen eine gesundheitliche Pause, außerdem träten bei gerade wieder Cluster-Kopfschmerzen auf.

Krankgefeiert mit Ansage

Der Arzt hielt an der Praxisöffnung fest. Bei einer Mitarbeiterin akzeptierte er die Weigerung, auf den geplanten Urlaubszeitraum zu verzichten, da diese in dieser Zeit ihren Umzug geplant hatte.

Die drei übrigen Mitarbeiterinnen, einschließlich der Klägerin, schickten dem Arzt daraufhin jeweils die Bilddatei über die zur Veröffentlichung vorgesehene Anzeige zur Praxisschließung, versehen mit der Nachricht "Wir machen Urlaub, Ihr Praxisteam". Die drei Kolleginnen erschienen tatsächlich nicht zur Arbeit und reichten jeweils AU-Bescheinigungen für genau den Zeitraum des ursprünglich vorgesehenen Urlaubs ein.

Leitsätze

Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Anlass geben.

Solche Tatsachen können unter anderem die Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Untersuchung nur nach telefonischer Rücksprache oder - wie im vorliegenden Fall - auch die gemeinsame Krankschreibung mehrerer Arbeitnehmer für die Dauer eines vom Arbeitgeber widerrufenen Betriebsurlaubes sein.

Am Osterdienstag erschien die Klägerin wieder in der Praxis. Dort teilte sie dem Arzt und ihren zwei Kolleginnen mit, dass sie mit der geplanten Einführung von Kurzarbeit nicht einverstanden sei. Sodann übergab der Arzt ihr die außerordentliche und fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung. Die Klägerin habe ihre Erkrankung nur vorgetäuscht und sich das ärztliche Attest erschlichen.

Das sahen die Richter grundsätzlich genauso: Der Beweiswert einer AU-Bescheinigung sei erschüttert, wenn sie genau den Umfang des widerrufenen Betriebsurlaubs umfasst und darüber hinaus die behandelnde Ärztin die MFA gar nicht persönlich untersucht hatte.

Im konkreten Fall ließ das Gericht dennoch nur die ordentliche Kündigung zu. Mit dem Hinweis auf ihre Vorerkrankungen habe die Klägerin den Täuschungsvorwurf plausibel entkräftet. Der Arbeitgeber habe seinen Vorwurf im Verlauf des Prozesses nicht weiter belegen können. Die behandelnde Hausärztin habe ebenfalls ausgesagt, dass es keinerlei Hinweis auf erfundene Krankheitssymptome gegeben habe.

Landesarbeitsgericht NürnbergAz.: 7 Sa 359/20Urteil vom 27. Juli 2021

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