Bundesverfassungsgericht kippt Regelung zur Triage
Die obersten Richter haben entschieden, dass es dem Bund an einer Gesetzgebungskompetenz für diese pandemiebezogene Regelung fehlte. Die Vorschrift, die Zuteilungsentscheidungen über begrenzte intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in Pandemielagen regeln sollte, greife in die Berufsausübungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ein und könne nicht auf das Infektionsschutzrecht gestützt werden.
Karlsruhe gibt damit14 Ärztinnen und Ärzte aus der Notfall- und Intensivmedizin Recht, die mit Unterstützung des Marburger Bundes (MB) Verfassungsbeschwerde gegen § 5c IfSG eingelegt hatten. Sie hatten geltend gemacht, dass die Triage-Regelung gegen ihre Grundrechte aus Artikel 12 Absatz 1 GG (Berufsfreiheit) verstößt. „Mit der heutigen Entscheidung hat das Gericht ihre Rechtsauffassung mit Blick auf die Berufsfreiheit bestätigt: § 5c IfSG ist ab sofort nicht mehr existent“, teilte der MB mit.
§ 5c IfSG ist Geschichte
Die Richterinnen und Richter stellten in ihrer Entscheidung fest, dass die Norm eine sogenannte Pandemiefolgenregelung sei, die unmittelbar die berufliche Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten – insbesondere von Notfall- und Intensivmedizinerinnen und -medizinern – betrifft. Das Gericht machte zugleich deutlich, dass die ärztliche Berufsausübungsfreiheit den Kernbereich der ärztlichen Therapiefreiheit einschließt. Ärztinnen und Ärzte hätten die grundrechtlich geschützte Freiheit, ihre Patientinnen und Patienten individuell nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln.
Der MB sieht in der Entscheidung eine doppelte Botschaft: Zum einen stelle das Gericht klar, dass der Bund mit § 5c IfSG eine ihm nicht zustehende Gesetzgebungskompetenz beansprucht hat und dass diese Vorschrift die ärztliche Berufsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkt hat. Zum anderen unterstreiche der Beschluss die hohe Bedeutung der ärztlichen Therapiefreiheit und Gewissensverantwortung in Extremsituationen.
Berufsausübungsfreiheit schließt Kern ärztlicher Therapiefreiheit ein
„Die Entscheidung stärkt die verfassungsrechtliche Stellung der Ärztinnen und Ärzte und gibt ihnen Rechtssicherheit auch für ihr Handeln in medizinischen Krisenlagen“, betonte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. „Sie zeigt auch, dass das Bundesverfassungsgericht den ärztlichen Beruf als eigenverantwortliche Profession versteht, deren Freiheit und Ethik eine Grenze für staatliche Regulierung bilden.“
Bundesverfassungsgericht
Az.: - 1 BvR 2284/23, 1 BvR 2285/23
Beschluss vom 23. September 2025,
veröffentlicht am 4. November 2025



