Aktuelle Übersichtsarbeit

Cheilitis granulomatosa – das seltene Krankheitsbild

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Zahnmedizin
Rezidivierend geschwollene Lippen bei unklarem Fokus? Cheilitis granulomatosa tritt zwar selten auf – das Krankheitsbild sollte aber dennoch von Zahnärztinnen und Zahnärzten erkannt werden.

Der Name dieser chronisch entzündlichen Erkrankung beruht auf dem histologisch sichtbaren granulomatösen Infiltrat. US-amerikanische Forschende haben nun eine aktuelle Übersichtsarbeit über Cheilitis granulomatosa veröffentlicht, in der sie den aktuellen Wissensstand über die Erkrankung zusammenfassen.

Sie kann auch Teil des Melkersson-Rosenthal-Syndroms sein

Cheilitis granulomatosa ist abzugrenzen vom Melkersson-Rosenthal-Syndrom, das sich durch „die klassische Trias aus rezidivierendem oder persistierendem orofazialem Ödem, plikierter oder zerklüfteter Zunge (Lingua plicata) und rezidivierender peripherer Gesichtsnervenlähmung“ auszeichnet [Jamil et al., 2021]. Eine Cheilitis granulomatosa kann allerdings auch monosymptomatisch als Teil des Melkersson-Rosenthal-Syndroms auftreten. Als eigenständige Erkrankung wird sie auch als Miescher-Syndrom bezeichnet.

Die Ätiologie ist noch weitgehend unklar

Cheilitis granulomatosa ist selten: Weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, wobei die Verteilung bei Frauen und Männern ungefähr gleich ist. Kinder erkranken noch viel seltener. Die Ursachen für die Erkrankung sind nicht abschließend geklärt.

Eine veränderte Immunantwort wird vermutet, sowie eine genetische Disposition diskutiert, aber auch eine allergische Reaktion kann nicht ausgeschlossen werden. Hier könnten auch Unverträglichkeiten auf zahnärztliche Materialien, aber auch Lebensmittelunverträglichkeiten eine Rolle spielen. Auch mikrobielle Ursachen können ursächlich sein, wobei insbesondere bei Mycobacterium tuberculosis und paratuberculosis, Borrelia burgdorferi, Saccharomyces cerevisiae und Candida albicans Zusammenhänge vermutet werden.

Unverträglichkeiten von zahnärztlichen Materialien?

Während die Diagnose des Melkersson-Rosenthal-Syndroms bereits eindeutig klinisch anhand der charakteristischen Symptom-Trias gestellt werden kann, muss bei Cheilitis granulomatosa eine histologische Sicherung der Verdachtsdiagnose erfolgen. Dies sei vor allem notwendig, um sie differentialdiagnostisch von Sarkoidose, Morbus Crohn und anderen granulomatösen Erkrankungen wie kutaner Tuberkulose, Leishmaniose und Lepra abzugrenzen, so die Forschenden.

Histologisch zeigt sich zumeist ein „granulomatöses Infiltrat aus epitheloiden Zellen und vielkernigen Riesenzellen, ohne käsige Nekrose, verbunden mit einem gewissen Grad an Lymphödem und Fibrose“ [Jamil et al., 2021]. Neben den bereits genannten Differenzialdiagnosen sollte bei einer zahnärztlichen Untersuchung selbstverständlich ein dentaler Fokus ausgeschlossen werden.

Die Schwellung kann die Ober- als auch die Unterlippe betreffen

Klinisch zeigt sich die Cheilitis granulomatosa durch eine rezidivierende Lippenschwellung. Diese tritt vorwiegend an der Oberlippe auf, kann aber auch die Unterlippe betreffen. Diese ist zumeist nicht schmerzhaft, aber derb und kann im späteren Verlauf auch persistieren. In extrem seltenen Fällen wurde auch von intraoralen Schwellungen berichtet. Lokale Komplikationen wie Dysgeusie und gestörte Speichelsekretion können auftreten. Die psychologische Belastung durch die Makrocheilitis sollte dabei nicht vernachlässigt werden.

Medikamente können Verlauf mildern

Bei einem Verdacht auf eine Cheilitis granulomatosa kann eine histologische Untersuchung die Diagnose sichern. Eine Überweisung zu einem Dermatologen ist sinnvoll, es sollte aber gleichzeitig eine interdisziplinäre Abklärung angestrebt werden. Therapeutisch stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die zwar die Symptome mildern oder Rezidive herauszögern, die Erkrankung aber nicht heilen können. Hierzu werden meist Kortikosteroide verwendet, die lokal oder auch kurzzeitig systemisch verabreicht werden. Immunsuppressive Behandlungen sind ebenfalls möglich.

Bei persistierenden Schwellungen kann auch eine chirurgische Intervention erwogen werden. In sehr seltenen Fällen wurde von einer spontanen dauerhaften Remission berichtet. Eine umfassende Patientenaufklärung ist in jedem Fall wichtig. Da Cheilitis granulomatosa allein, aber auch als Teil des Melkersson-Rosenthal-Syndroms auftreten kann, sollte der Patient darüber umfassend informiert werden. Hier sollte vor allem das potenzielle Auftreten von Gesichtslähmungen und Veränderungen der Zunge als Anzeichen eines Melkersson-Rosenthal-Syndroms hingewiesen werden.

Originalpublikation: Jamil RT, Agrawal M, Gharbi A, Sonthalia S. Cheilitis Granulomatosa. 2021 Jun 15. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 29261927.

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