WHO fordert Verbot

Darf ein Tabakkonzern Ärztefortbildungen sponsern?

mg
Gesellschaft
Philip Morris International hat Nichtraucherprogramme auf der ganzen Welt unterstützt, um seine eigenen Interessen zu fördern, berichtet der Guardian. Gesundheitsexperten sind entsetzt.

Medizinische Aufklärungsprogramme zur Raucherentwöhnung oder „Schadensminimierung“ in Südafrika, dem Nahen Osten und den USA wurden von Philip Morris International (PMI) oder seinen regionalen Tochtergesellschaften unterstützt. Das berichtet der britische Guardian mit Verweis auf Werbematerial, das der Redaktion vorliegt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht in den Aktionen des Tabakkonzerns die Gefahr, „dass Bemühungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit untergraben werden könnten“, und forderte, Partnerschaften dieser Art zu verbieten.

Acht Millionen Todesopfer durch Rauchen pro Jahr

Der Guardian zitiert Dr. Tess Legg von der Tobacco Control Research Group an der University of Bath. Sie sieht in dem Sponsoring die Strategie des Konzerns, „zu beeinflussen, wie Wissenschaft in der medizinischen Praxis eingesetzt wird“ und wertete die beanstandeten Fortbildungen als Versuch, „die Glaubwürdigkeit der Branche unter Angehörigen der Gesundheitsberufe wiederherzustellen“. Nicholas Hopkinson, Professor für Atemwegsmedizin am Imperial College London, bezeichnete die Situation als „grotesk“. Basierend auf seinem Marktanteil von rund 15 Prozent und einer weltweiten Zahl von mehr als acht Millionen jährlichen Todesopfern durch Rauchen töte Philip Morris jedes Jahr mindestens eine Million Menschen. Hopkinson forderte, dass Gremien, die medizinische Ausbildung anbieten oder regulieren, „explizite Erklärungen und Richtlinien abgeben, dass die Beteiligung der Tabakindustrie vollständig verboten ist“.

Dr. Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO, forderte die Zertifizierungsbehörden auf, Partnerschaften mit Tabak- und verwandten Industrien in der medizinischen Ausbildung zu verbieten. „Es gibt ein klares kommerzielles Interesse, das Fehlinformationen verbreiten könnte, die die Bemühungen um die öffentliche Gesundheit untergraben“, sagte er. „Das Gesundheitspersonal sollte durch eine evidenzbasierte und transparente Ausbildung unterstützt werden, die den höchsten ethischen Standards entspricht.“

Ärztetag stärkt Unabhängigkeit ärztlicher Fortbildung

Der 128. Deutsche Ärztetag in Mainz hat einer grundlegend überarbeiteten (Muster-)Fortbildungsordnung (MFBO) für Ärztinnen und Ärzte zugestimmt. Damit sollen künftig strengere Regelungen für das Sponsoring von Fortbildungsveranstaltung gelten. Unter anderem würden bei den Anerkennungskriterien für ärztliche Fortbildungsveranstaltungen stärker die Gebote von Neutralität, Transparenz und Unabhängigkeit zum Tragen kommen.

Es habe sich gezeigt, dass die bisherige Fassung der MFBO nicht mehr ausreicht, um dauerhaft die Neutralität und Transparenz von Fortbildungen im notwendigen Umfang sicherzustellen, begründete der Ärztetag die Initiative. Die neue MFBO stellt jetzt noch klarere Regeln zur Neutralität und Transparenz von Fortbildungen auf. Aus Sicht der Abgeordneten geht es nicht allein darum, dass die einzelnen Inhalte einer Fortbildungsveranstaltung frei von wirtschaftlichem Interesse sind. Vielmehr muss aus Gründen des Patientenschutzes auch ausgeschlossen werden, dass Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auf andere Weise dahingehend beeinflusst werden, dass sie die Behandlung von Patientinnen und Patienten nicht mehr allein an medizinischen Kriterien ausrichten.

In der MFBO heißt es nun konkret: „Die Fortbildungsmaßnahme muss die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen wahren und diese darf nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen beeinflusst werden. Dies setzt insbesondere voraus, dass die Fortbildungsmaßnahme weder direkt noch indirekt darauf abzielt oder in Kauf nimmt, medizinische Entscheidungen der Teilnehmenden aufgrund wirtschaftlicher Interessen der Anbietenden, Mitwirkenden oder Dritter zu beeinflussen.“

Die überarbeitete MFBO stellt zudem das Erfordernis auf, dass in solchen Fortbildungen die vorhandene Evidenz, insbesondere die Nutzenbewertung, durch unabhängige Institute, zum Beispiel das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie durch Leitlinien, etwa der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) dargestellt werden muss. Nach ihrer Umsetzung durch die (Landes-)Ärztekammern sind die neuen Regeln verbindliches Recht.

Philip Morris International sieht hier keinen Widerspruch. Ein Sprecher erklärte, das Unternehmen sei der Ansicht, dass eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung zum Thema Minderung der durch Tabak entstehenden Schäden „für die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist“. Die Bildungszuschüsse des Konzerns seien in wissenschaftsbasierte Programme geflossen, „die unabhängig von PMI durchgeführt werden und akkreditierten Standards folgen, einschließlich einer weiteren unabhängigen akademischen Überprüfung durch Dritte“. PMI habe keine Kontrolle über den Inhalt der Veranstaltungen, hieß es weiter, „und es ist unbegründet zu behaupten, dass die Programme PMI-Produkte bewerben sollen. Unsere Aktivitäten stehen im Einklang mit allen geltenden Gesetzen“.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.