Forderung des Hausärzteverbandes vor dem Krisengipfel

„Die Politik ist in der Pflicht, ihre Versprechungen einzuhalten!“

pr
Politik
Vor dem Krisengipfel des Bundesgesundheitsministers mit den Ärzten bauen die Hausärzte noch einmal Druck auf: Sie fordern die Einhaltung von Versprechen und die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für den 9. Januar zu einem Krisengipfel eingeladen. Er will – auch als Reaktion der Ärzteprotest der vergangenen Woche mit Ärztevertretern und Krankenkassen – über die aktuellen Probleme in der ambulanten Versorgung sprechen. Die vielen öffentlichen Protestmaßnahmen, beispielsweise eine Online-Protestveranstaltung mit über 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, hätten geholfen, noch einmal zusätzlichen Druck aufzubauen, hieß es dazu gestern in einem Rundbrief der Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes an die Mitglieder.

Dazu hat der Verband klare Forderungen aufgestellt. Vor allem gehöre dazu, dass die im Koalitionsvertrag zugesagte Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen. Dabei solle dem hausärztlichen Versorgungsbereich auch zukünftig ein fester Betrag zur Verfügung stehen, heißt es in dem Schreiben, das von den Bundesvorsitzenden Dr. Markus Beier und Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfath unterzeichnet ist. Reiche dieser nicht aus und würden weitere Leistungen erbracht, müssten diese entsprechend zusätzlich vergütet werden. Alle anderen Formen der Entbudgetierung seien Mogelpackungen, die am Ende der hausärztlichen Versorgung Geld entziehen würden.

„Wenn wir es uns bequem machen wollten, hätten wir einen anderen Beruf gewählt!"

Darüber hinaus fordern die Hausärzte einen spürbaren Bürokratieabbau. Hier seien vor allem die Krankenkassen gefordert, die durch ihren „immer weiter zunehmenden Kontrollwahn“ die Versorgung der Menschen zunehmend unmöglich machten. Außerdem verlangen die Bundesvorsitzenden einen Patientenbonus für die Teilnahme an den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Nur durch bessere und effektive Steuerung, so wie sie in den HZV-Verträgen bereits gelebt würden, könne das Gesundheitswesen als Ganzes entlastet werden.

Entschieden verbitten sich die Hausärzte der Unterstellung, es gehe nur um das eigene Portemonnaie. „Gerade wir Hausärztinnen und Hausärzte ackern gemeinsam mit unseren Praxisteams seit Jahren unter Dauerstress“, heißt es in dem Rundbrief weiter. „Wenn wir es uns bequem und einfach machen wollten, dann hätten wir einen anderen Beruf gewählt. Es braucht aber nun einmal eine vernünftige finanzielle Ausstattung der Praxen, damit wir Praxisnachfolgerinnen und Praxisnachfolger finden, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernünftig bezahlen können und in der Lage sind, in unsere Praxen zu investieren.“

Ebenso wichtig ist es aus Sicht des Verbandes, dass die Versorgungsstrukturen endlich reformiert und der Versorgungsdruck abgemildert werden. Deswegen habe der hausärztliche Protest immer zwei Komponenten: Die finanzielle Förderung der Praxen UND die Modernisierung der Versorgungsstrukturen.

Neben dem Bundesgesundheitsminister sieht der Verband alle Ampel-Fraktionen in der Pflicht, endlich ihre Versprechungen einzuhalten. Es sei absolut inakzeptabel, wenn aufgrund von internen Querelen wichtige und fest zugesagte Projekte nicht umgesetzt würden. „Sowohl die SPD als auch die Grünen und die FDP haben sich im Koalitionsvertrag auf eine Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen geeinigt. Es ist somit auch die Pflicht aller drei Fraktionen, dieses Projekt jetzt endlich über die Ziellinie zu bekommen!"

Zwischen Weihnachten und Neujahr hatten im Rahmen der Ärztekampagne „Praxis in Not“ zahlreiche Praxen aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Ampel geschlossen. Lauterbach hatte in den Medien betont, er habe kein Verständnis für die Forderung der Ärzte nach mehr Geld. Auch die Krankenkassen lehnten die Forderungen der Ärzte ab.

"Nur für ein Selfie mit Lauterbach kommt die Ärzteschaft nicht ins BMG“

Entgegen der Annahme von Lauterbach gehe es nicht um die Steigerung von Arzteinkommen, sondern um eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung der bestehenden ambulanten Strukturen, betonte hingegen der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich. Diese Strukturen seien in akuter Gefahr, weil der ambulante Bereich durch die seit inzwischen 30 Jahren andauernde Budgetierung der am meisten unterfinanzierte Sektor im Gesundheitswesen sei. „Den vielen Ankündigungen der letzten Monate müssen nun endlich Taten folgen,“ sagte Heinrich. „Wir werden jedenfalls der Einladung des Ministers am 9. Januar 2024 folgen, haben aber eine klare Erwartung an konkrete Ergebnisse des Treffens. Nur für ein Selfie mit Minister Lauterbach kommt die Ärzteschaft nicht ins Bundesgesundheitsministerium“, so der Virchowbund-Vorsitzende.

Als populistisch und sachlich unangemessen bezeichnete der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, Lauterbachs Aussagen. Der Minister vermittele den Eindruck, es handele sich um eine ungerechtfertigte Aktion von Besserverdienenden. Bemerkenswert sei dabei, dass die im Koalitionsvertrag fixierte Absicht, zunächst zumindest die Hausärzte zu entbudgetieren, etwas, was der Minister selbst vor Kurzem noch für Anfang 2024 zugesagt habe, offensichtlich nicht mehr gelte. Die Aktionen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen seien mehr als berechtigt, so Gassen weiter. Es seien die Rahmenbedingungen in der ambulanten Versorgung, die die Niedergelassenen zunehmend verzweifeln ließen.

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