Die Tücken der Zeitarbeit: viele Fehltage, psychische Probleme
„Als wir vor einem Jahr das Schwerpunktthema für unseren Gesundheitsreport 2020 festlegten, konnte niemand ahnen, dass genau diese Gruppe der Beschäftigten bei der Veröffentlichung des Reports eine besondere Rolle in der Arbeitswelt spielen würde: die Zeitarbeiter."
Die Corona-Pandemie sorge aktuell für eine der schwersten wirtschaftlichen Krisen der letzten Jahrzehnte. "Zeitarbeiter sind naturgemäß die Beschäftigten, die als erstes einen Betrieb bei wirtschaftlichen Engpässen verlassen müssen. Und bei mangelnder Nachfrage können auch die Zeitarbeitsfirmen ihre Angestellten nicht weiter beschäftigen“, erklärt Dr. Jens Baas, TK-Vorstandsvorsitzender. Der Gesundheitsreport 2020 trägt den Titel „Zeitarbeit: Chance oder Risiko?“
881.000 Zeitarbeiter gibt es in Deutschland
Die Zahlen der Zeitarbeitsbranche haben sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahresdurchschnitt von Juli 2018 bis Juni 2019 rund 881.000 Zeitarbeiter sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt.
"Es gab eine Vielzahl gesetzlicher Änderungen, die die Situation von Zeitarbeitern wesentlich verbessert hat, wie beispielsweise die Einführung des Mindestlohns, aber auch das Anrecht auf gleiches Lohnniveau zu vergleichbar regulär Beschäftigten im Einsatzbetrieb nach neun Monaten", sagt Baas.
"Bereits in unserem Gesundheitsreport 2009 hatten wir uns der Arbeitssituation und Gesundheit der Menschen in der Zeitarbeitsbranche gewidmet. Jetzt, elf Jahre danach, wollten wir wissen: Was hat sich verändert? Welchen Einfluss haben die verbesserten Rahmenbedingungen auf die Zufriedenheit der Zeitarbeiter? Wie steht es um ihre Gesundheit im direkten Vergleich mit dem Durchschnitt aller anderen Beschäftigten? Und was können wir tun – auch als Krankenkasse – um die Gesundheit dieser Beschäftigtengruppe noch weiter zu verbessern?“
Die Gesundheit von Zeitarbeitern leidet
Die TK hat dabei herausgefunden, dass Zeitarbeitnehmer im Jahr 2019 durchschnittlich 20,6 Tage krankheitsbedingt ausfielen. Im Vergleich zu Nichtzeitarbeitnehmern ist das ein Plus von rund 40 Prozent (bei ihnen liegt der Krankenstand bei 14,7 Tagen im Jahr). Die Gründe für den hohen Krankenstands-Wert liegen in den Berufen, die Zeitarbeiter oft ausführen, heißt es. Lager, Logistik und Transport sind die Branchen, in denen diese überdurchschnittlich oft beschäftigt sind. Rund 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer in Deutschland arbeiten in diesen oder anderen Produktionsberufen.
Der Umstand, als Zeitarbeiter nicht zu wissen, wie es in der Zukunft beruflich weitergeht, scheint den Menschen auf der Seele zu liegen. Denn laut TK-Studie sind Zeitarbeiter auch psychisch höher belastet, was sich ebenfalls in den Fehltagen niederschlägt: Diese liegen bei durchschnittlich 3,52 pro Jahr – anderweitig Beschäftigte fehlen im Schnitt 2,57 Tage mit einer ärztlichen Diagnose, die auf psychischen Ursachen beruht.
Wenig Entscheidungsspielraum und wenig Feedback
Zeitarbeitnehmer gaben gegenüber der TK an, dass sie geringe Einfluss-, Entscheidungs- und Handlungsspielräume sowie wenig Feedback von beziehungsweise meinungsbezogenen Austausch mit ihren Vorgesetzten als Belastung empfinden. Hinzu kommen ungünstige Arbeitszeiten, Lärmbelastung und insbesondere die Arbeitshaltung bzw. lange Bildschirmarbeit.
Die TK weist darauf hin, dass die Zahlen nicht die aktuelle Situation bedingt durch die Corona-Pandemie abbilden, da sie bereits 2019 erhoben wurden. „Vor diesem Hintergrund bekommen die Erkenntnisse eine ganz andere Dringlichkeit“, sagt Baas. „Es ist zu erwarten, dass mögliche weitere Entlassungswellen Zeitarbeiter verstärkt betreffen werden. Das kann natürlich auch Auswirkungen auf deren aktuelle psychosoziale Belastung und Gesundheit haben.“
Die Probleme in den Zeitarbeits-Branchen werden weitergehen. 43,7 Prozent der Zeitarbeiter sind mit ihrer Arbeitssituation „kaum“ oder „überhaupt nicht“ zufrieden. Für den Gesundheitsreport wertete das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Herbst 2019 mehr als 1.400 Fragebögen von bei der TK versicherten Zeitarbeitnehmern sowie einer Vergleichsgruppe anderweitig Beschäftigter zu ihrer persönlichen Arbeitssituation und Gesundheit aus.
Fehlzeiten der TK-Versicherten insgesamt gesunken
Der für 2019 ermittelte Krankenstand von 4,22 Prozent entspricht einer durchschnittlich gemeldeten erkrankungsbedingten Fehlzeit von 15,4 Tagen je Erwerbsperson. Die Fehlzeiten sind damit von 2018 auf 2019, bereinigt um demografische Effekte, um 0,10 Tage gesunken. Dies entspricht einer relativen Abnahme der Fehlzeiten um 0,63 Prozent, informiert die TK. Für das Jahr 2018 war jahresbezogen der bislang höchste Krankenstand seit Beginn der Auswertungen zum Jahr 2000 errechnet worden.