Dentista Kongress

Die Zukunft der (weiblichen) Zahnmedizin gestalten

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Zahnmedizin
Ein vielfältiges und internationales Programm erwartete die Teilnehmerinnen des diesjährigen Dentista-Kongresses in Berlin. Neben fachlichen Inhalten bot die Veranstaltung auch viel Raum für Austausch und Vernetzung.

Dr. Rebecca Otto eröffnete den Dentista-Kongress mit einer Begrüßung, in der sie den Kongress als einen Ort des Austauschs, der Begegnung und der Inspiration beschrieb – insbesondere zu übergreifenden Themen wie Führung, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie dem Netzwerkgedanken innerhalb der Zahnmedizin.

Sie wies in ihrer Rede auf die zahlreichen Herausforderungen hin, vor denen die Zahnmedizin aktuell steht. Neben dem raschen Wandel durch digitale Technologien und den demografischen Veränderungen prägen vor allem Themen, die über die rein zahnmedizinische Tätigkeit hinausgehen – etwa Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Praxisorganisation und Personalführung – den Berufsalltag. Gerade vor diesem Hintergrund sei es besonders wertvoll, so Otto, dass Dentista einen Rahmen bietet, in dem sich Zahnärztinnen zu diesen Aspekten austauschen, voneinander lernen und sich gegenseitig stärken können.

Dr. Romy Ermler, Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer, begrüßte die Teilnehmerinnen mit einem Grußwort. Sie betonte die Fortschritte bei Gleichstellung und Förderung von Frauen im zahnärztlichen Berufsstand, verwies aber auch auf bestehenden Handlungsbedarf. Frauen stellen inzwischen rund die Hälfte des Berufsstandes, an Universitäten sind sie in der Mehrheit. Ihre Rolle in der Versorgung werde künftig noch weiter wachsen – darauf müsse sich auch die Politik einstellen, insbesondere bei Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Chancengleichheit für angestellte und niedergelassene Zahnärztinnen. Ermler rief deshalb die Teilnehmerinnen dazu auf, sich stärker standespolitisch zu engagieren, um die Zukunft der Zahnärztinnen aktiv mitzugestalten.

Wissenschaftlich bot der Kongress ein vielfältiges Programm aus unterschiedlichen zahnmedizinischen Fachbereichen: von Kinderzahnheilkunde und MIH über individualisierte kieferorthopädische Behandlungsplanung und digitalen Workflow bis hin zu intelligenten Materialien in der Prothetik.

Dr. Dr. Monica Chiperi (München), Spezialistin für Endodontie, macht mit ihrem Vortrag „Was Sie schon immer über Endo wissen wollten, sich aber nicht zu fragen trauten“ denjenigen Mut, die Endodontie bislang eher als „Angstgegner“ wahrgenommen haben. Denn mit einer klugen Strategie, konzentrierter Technikbeherrschung und sorgfältiger Desinfektion seien sehr gute Ergebnisse erzielen. Weniger ist dabei oft mehr, sofern man das gewählte Protokoll konsequent umsetzt.

Sie erklärt, dass weltweit etwa 2,7 Milliarden Menschen von apikaler Parodontitis betroffen sind. Chiperi wies darauf hin, dass es gemeinsame Risikofaktoren zwischen apikaler Parodontitis und Systemerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und rheumatoider Arthritis gebe.

Trotz dieser Herausforderungen haben moderne Wurzelkanalbehandlungen heute eine Erfolgsrate von rund 90 Prozent bei Primärfällen und 77 bis 79 Prozent bei Revisionen. Interessanterweise zeige sich, dass die Größe der apikalen Parodontitis nicht entscheidend für den Behandlungserfolg sei. Vielmehr bestehe die Sorge darin, dass man aufgrund der komplexen Wurzelkanalanatomie nicht das gesamte Endodont erfassen könne. Eine Mikro‑CT-Studie von Peters et al. [2001] habe gezeigt, dass man mit mechanischer Aufbereitung bis zu 65 Prozent der Kanalwände nicht erreicht. Chiperi wies zudem darauf hin, dass Studien keinen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer Entzündung und dem Inhalt akzessorischer Kanäle zeigten.

„KISS, 3 mm, 30 min, SEAL“

Vor diesem Hintergrund lautet Chiperis zentrales Credo: „Get rid of the bacteria and fill the canal as good as you can.“ Technisch fasst sie es in ihrem Mantra zusammen:

  • KISS (Keep It Simple): Ein System genügt, wenn man es perfekt beherrscht. Eine routinierte Handhabung führe zu weniger Fehlern und zu konstanteren Ergebnissen.

  • Drei Millimeter: Die Spülkanüle sollte genau bis drei Millimetern vor der Apexspitze eingeführt werden (Markierung mit Gummistopper).

  • 30 Minuten: Nach endgültiger Aufbereitung sollten mindestens 30 Minuten für die Desinfektion jedes Kanals eingeplant werden.

  • SEAL: Anschließend wird mit einer gut beherrschten Fülltechnik abgefüllt, abgedichtet und mit einer adäquaten Restauration versorgt.

Entscheidend für den Erfolg sei zudem die Fallauswahl. Ein weiteres Thema war anzustrebende die Schmerzfreiheit der Patienten, die insbesondere bei pulpitischen Molaren Probleme bereiten kann; hier solle man sich ausreichend Zeit nehmen, eine präzise Leitungsanästhesie sowie bukkale Infiltration verwenden und den Patienten Ibuprofen eine Stunde vor Behandlungsbeginn verabreichen. Abschließend erwähnte sie Hinweise auf verminderte Anästhesiewirkung bei CMD-Patienten, bedingt durch eine gestörte zentrale Schmerzregulation.

Mindset is key

Dr. Kristin Arp (Hamburg), selbstständige Zahnärztin in eigener Praxis, Mutter und erfolgreiche Instagrammerin (circa 66.000 Follower), berichtete in ihrem Vortrag „I will survive – Wie ich trotz Praxis, Familie und Krebs zur Influencerin wurde“ sehr offen über ihre Erfahrungen. Bereits Anfang 40 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs, wodurch sie ihre eigene Praxis, die Familie und den Alltag neu organisieren musste und ihr Überlebenskampf begann.

Sie bestärkte alle Zuhörerinnen darin, in Krisensituationen nicht aufzugeben – insbesondere im Hinblick auf die Selbstständigkeit in der eigenen Praxis. Studien zeigten ihr zufolge, dass Frauen mit Kindern statistisch bessere Überlebenschancen haben, während Selbstständige seltener unter schweren Nebenwirkungen leiden – ein Beleg dafür, wie sehr das Mindset in schwierigen Phasen entscheidet.

In der Praxis sei für Arp Ehrlichkeit gegenüber dem Team und den Patientinnen essentiell gewesen. Kolleginnen in nahegelegenen Praxen hätten sie unterstützt, indem sie dringende Patientenbehandlungen übernahmen, aber stets nur das Notwenigste durchführten und keinesfalls Patientenfälle behielten. Darüber hinaus habe sie auf Coaching gesetzt: Ein zentrales Instrument sei die tägliche Visualisierung gewesen, in der sie sich selbst gesund und stark sah.

Ein weiterer Aspekt ihres Vortrags war der Aufbau einer Social‑Media-Präsenz während der Corona-Zeit: Begonnen als Mittel, um in engem Kontakt mit Patientinnen zu bleiben, entwickelte sich Instagram schnell zu einer Plattform, auf der sie wissenschaftliche und medizinische Inhalte, aber auch ihre Geschichte teilte. Als wichtigste Erfolgsfaktoren für Social Media nannte sie: Authentizität, Freude am Teilen, regelmäßige Posts und echter Mehrwert für die Follower.  Arp betonte, dass Follower „nicht über Nacht“ kämen und man den Algorithmus getrost vergessen solle – entscheidend sei nur, furchtlos zu sein und langfristig dranzubleiben.

Ihre Kernbotschaft lautete: Prävention durch regelmäßige Brustkrebs-Checks, gegenseitige Unterstützung im Kolleginnen-Kreis sowie Rückhalt durch Familie und Freundeskreis sind unverzichtbar, um schwere Krisen zu meistern. Arps eindringliche und zugleich ermutigende Schilderung war ein emotional bewegender Abschluss des ersten Kongresstages.

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