Datennachlass

Digitale Gräber

mw
Praxis
In Deutschland haben 30 Millionen Menschen Profile in Online-Communitys. Im Todesfall vererben sie nicht nur ihr irdisches Hab und Gut, sondern auch mehr oder weniger große Datenmengen im Internet. Den digitalen Nachlass eines Angehörigen zu regeln, stellt Hinterbliebene vor Herausforderungen.

Internetnutzer, die nur ein einziges E-Mail-Account haben, sind heute die Ausnahme. Meistens kommen Profile bei Communitys wie Facebook und Xing, Fotoalben, Kundenkonten, Homepages oder Blogs hinzu. Nach dem Tod des Inhabers bleiben die Accounts bestehen, die Rechte gehen an die Hinterbliebenen über.

Sich mit dem digitalen Erbe eines Angehörigen auseinandersetzen zu müssen, wird in Zukunft immer häufiger der Fall sein, denn zur Netzgemeinde gehören schon jetzt viele Ältere: Von den über 50-jährigen Deutschen geht jeder Zweite regelmäßig online. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 85 Prozent und bei den 14- bis 29-Jährigen 95 Prozent.

Mit Sorgfalt ans Erbe

Der Besitz eines Verstorbenen geht an die Erben über. Dazu gehören auch der Computer und externe Speichermedien. Darauf gelagerte Dokumente wie E-Mails fallen eigentlich unter das Brief-oder Telekommunikationsgeheimnis beziehungsweise unter das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Doch das per Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsrecht, das Telekommunikationsgeheimnis und die Datenschutzrechte erlöschen bis auf wenige Ausnahmen mit dem Tod. Deshalb können Hinterbliebene legal auf die gespeicherten, digitalen Daten zugreifen und entscheiden, was mit ihnen geschieht – es sei denn, ein Testament verweigert ihnen dieses Recht.

Ist dies nicht der Fall, sollten Angehörige das virtuelle Erbe sorgfältig durchgehen, rät der Branchenverband Bitkom. „Im digitalen Nachlass können sich wichtige Informationen befinden“, sagt Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. „Versicherungsund Kreditverträge werden beispielsweise immer häufiger nur noch digital hinterlegt.“ Auf dem Computer des Verstorbenen, oder aber in seinen Accounts im Internet befinden sich unter Umständen wichtige Hinweise zu seiner finanzielle Situation. Stand der Verstorbene irgendwo tief in der Kreide, empfiehlt es sich, das Erbe nicht anzunehmen. Für die Hinterbliebenen ist zudem wissenswert, welche Verträge oder Abonnements auf sie übergehen, wie hoch die Rechnungen sind und wann sie bezahlt werden müssen. Oder ob bei einem Online-Bezahldienst wie Paypal noch ein Guthaben besteht, das verfällt, wenn sie es nicht einfordern.

Natürlich können unangenehme Geheimnisse ans Licht geraten, wenn man in die digitale Privatsphäre eines Menschen eindringt – aber damit müssen Erben auch beim Durchforsten von Papierdokumenten rechnen. In vielen Fällen stellt ein ganz anderes Problem eine Hürde dar: Die Angehörigen wissen nicht, wo im Internet, zum Beispiel in welchen Sozialen Netzwerken, der Verstorbene überall Daten hinterlassen hat. Und selbst wenn sie es wissen, bleibt die Frage nach dem Passwort.

Eine Trauerplattform

Auch bei Mitgliedschaften in Sozialen Netzwerken gilt: Erben haben das Recht, auf die Benutzerkonten des Verstorbenen zuzugreifen. Die Hinterbliebenen entscheiden, was mit den Profilen auf Facebook, Twitter oder den VZ-Netzwerken (StudiVZ, SchülerVZ und MeinVZ) passiert. In manchen Fällen bleiben die Seiten erst einmal online, als gemeinsame Plattform zum Trauern und um an den Toten zu erinnern. Andere Angehörige möchten die Spuren hingegen so schnell wie möglich beseitigen.

Facebook entfernt Profile auf Anfrage der Hinterbliebenen aus dem Netz. Voraussetzung ist die Vorlage geeigneter Dokumente wie Erbschein oder Sterbeurkunde. Angehörige haben zudem die Möglichkeit, das Profil in einen Gedenkstatus schalten zu lassen. Es bleibt dabei online, Kontaktdaten, Gruppenmitgliedschaften und Status-Meldungen werden aber deaktiviert. Die VZ-Netzwerke sprechen im Todesfall eines Mitglieds persönlich mit den Hinterbliebenen ab, was mit dem Profil geschehen soll. Wird der Zugang zum Account gewünscht, verlangt der Dienst die Vorlage einer Sterbeurkunde. Xing hingegen lehnt es ab, Daten an Angehörige herauszugeben. Erfahren die Betreiber vom Tod eines Mitglieds, deaktivieren sie sein Profil und versuchen, per E-Mail Kontakt aufzunehmen. Kommt keine Reaktion, wirddas Account nach drei Monaten gelöscht.

Um Zugang zu den E-Mail-Accounts zu bekommen, müssen die Erben neue Passwörter bei den Betreibern anfordern. Dafür gibt es keine einheitliche gesetzliche Regelung, jeder Dienst stellt andere Bedingungen. Bei 1&1 sowie den Tochterunternehmen Web.de und GMX müssen Hinterbliebene einen Erbschein vorlegen, um ihren Anspruch zu legitimieren. Daraufhin erhalten sie ein neues Passwort. Der E-Mail-Provider Hotmail hat seinen Hauptsitz in den USA, was es für Angehörige umständlich macht, an die Daten zu gelangen. Sie müssen ihre Anfrage auf Englisch formulieren und einen Todesnachweis hinzufügen, dann sendet Hotmail ihnen die Daten des E-Mail-Kontos als CD zu. Wieder anders hält es Google: Der Suchmaschinenbetreiber verlangt Sterbeurkunde und Erbschein. Yahoo lehnt den Zugriff ganz ab. Auf Anfrage der Angehörigen und Vorlage der Sterbeurkunde wird das Account gelöscht.

Virtuellen Nachlass regeln

Um Chaos zu vermeiden, sollte jeder Internetnutzer seinen digitalen Nachlass frühzeitig regeln – zum Beispiel per Testament oder Erbvertrag. Darin kann beispielsweise festgelegt werden, welche Angehörige Zugriff auf welche Daten bekommen oder ob der digitale Nachlass komplett gelöscht werden soll.

Der Bitkom empfiehlt Usern zudem, alle wichtigen Passwörter beim Notar zu hinterlegen. Dem Branchenverband zufolge gibt es zwar auch immer mehr spezialisierte Firmen, die diese Daten für den Todesfall speichern. Solche Angebote sollte man aber mit Skepsis betrachten. „Selbst wenn Anbieter umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen haben, sollten Nutzer darüber nachdenken, ob sie derart sensible Daten gesammelt einem Dienstleister überlassen“, heißt es beim Bitkom.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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