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Diskussion um Zahnseide wieder entbrannt

mg
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"Zahnseide wirkungslos" - so klingt der Tenor vieler aktueller Meldungen. Grundlage ist ein Studienbericht der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), der ein altes Problem neu benennt. Und wichtige Fakten ausklammert.

Einen Tag ist die Meldung"Medical benefits of dental floss unproven"der AP alt, als deutschsprachige Medien die Information übernehmen - und damit einealte Diskussion zur Wirksamkeit von Zahnseideneu entflammen. Die darin formulierte Kernerkenntnis: die positiven Effekte der regelmäßigen Verwendung von Zahnseide im Zuge der Mundhygiene seien wissenschaftlich weder bewiesen, noch haltbar - was einer der universellsten zahnärztlichen Empfehlungen quasi über Nacht jegliche Legitimation entziehe, heißt es.

Ausgangspunkt der Untersuchung war eine Anfrage der amerikanischen Nachrichtenagentur an das US-Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste. Der Rest liest sich wie eine Räuberpistole: So habe AP bereits 2015 wissenschaftliches Beweismaterial angefordert, das die Wirksamkeit von Zahnseide belegt. "Die wissenschaftlichen Unterlagen trafen jedoch nie bei der AP ein." Stattdessen erreichte das Unternehmen ein Schreiben, in dem bestätigt wurde, dass derartige wissenschaftliche Belege nicht existierten. Und: Nach mehr als 30 Jahren verschwand die Empfehlung für Zahnseide aus der neu aufgelegten US-Ernährungsleitlinie des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums. 

American Dental Association erneuert Empfehlung

Darum analysierte die AP anschließend 25 vorhandene Studien zur Wirksamkeit von Zahnseide. Ergebnis: Die wissenschaftlichen Belege, die für die Verwendung von Zahnseide sprechen, sind "schwach und unzuverlässig", weisen "geringe Qualität" und ein "moderates bis großes Potenzial für eine systematische Messabweichung" auf.

Während die American Dental Association reagierte und ihreEmpfehlung für den Einsatz von Zahnseide erneuerte, war schon eine Diskussion losgetreten, die jetzt die Publikumsmedien füllt.

"Die starke Verkürzung in der Publikumspresse zu Überschriften wie ,Zahnseide ist total wirkungslos' halte ich für sehr riskant. Auch die Medien stehen in der Verantwortung gegenüber den Patienten und haben eine Aufklärungsfunktion", sagt Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). "Zum Einen bezieht sich die Kritik der AP doch vor allem auf die Qualität der Studienlagen selbst. Diese sei unbefriedigend. Das Fazit der AP: die Wirksamkeit der Zahnseide sei nicht bewiesen –  aber auch nicht widerlegt. Außerdem ist bei Studien immer ausschlaggebend, welche Zielerkrankungen betrachtet werden."

Die Bürste schafft nur 70 Prozent 

"Zahnbürsten reinigen nur etwa 70 Prozent der Zahnoberfläche. Karies und Parodontitis entstehen jedoch bei Erwachsenen auch im Zahnzwischenraum. Der bakterielle Biofilm bzw. Plaque ist ursächlich mitverantwortlich für diese Haupterkrankungen der Mundhöhle", erinnert der BZÄK-Vizepräsident. "Deswegen sollten auch die Interdentalräume einmal täglich gründlich von bakteriellem Biofilm und Speiseresten befreit werden. Aus praktischen Erwägungen heraus ist Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten gut geeignet, um Beläge zu entfernen".

Dr. Jürgen Fedderwitz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ergänzt: "Die Zahnseide ist nicht nur dafür da, die verlorenen Speisereste zwischen den Zähnen hervorzuholen. Wer sich nach dem Gebrauch die Zahnseide einmal genauer anschaut oder daran riecht, wird mir unweigerlich zustimmen müssen, dass diese eine Wirkung auf die Zahngesundheit hat."

Zahnzwischenraumbürsten seien bei offenen Zahnzwischenräumen und parodontalen Erkrankungen empfehlenswert, bei engen Zwischenräumen erscheine Zahnseide nach wie vor die beste Lösung, um Beläge zu entfernen, erklärt Oesterreich weiter. Natürlich sollte den Patienten auch die richtige Handhabung erklärt werden. Sie sei für Effektivität und Erfolg ausschlaggebend. An dieser Stelle wäre es hilfreich, wenn die Medien bei der Aufklärung mithelfen würden.

Richtig sei allerdings, bestätigt Oesterreich, dass es weiterer Studien für eine abschließende wissenschaftliche Einordnung der zahnärztlichen Praxiserfahrungen bedürfe.

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