"Ehrlichkeit ist der Schlüssel!"
Herr Osada, Sie haben mit 28 Jahren eine Praxis übernommen und anschließend kontinuierlich ausgebaut. Haben Sie entsprechend Ihres jungen Alters gezielt versucht, auch ein möglichst junges Team aufzubauen?
Jakob Osada:
Nein. Ich bin davon überzeugt, dass es eine gute Mischung sein muss. Wenn ich eine neue Mitarbeiterin suche, muss ich abwägen: Eine junge bekommt erst einmal eins zwei drei vier Kinder (lacht), ich übertreibe natürlich. Aber eine ältere ZFA hat das alles schon hinter sich. Dafür kann sie vielleicht nicht das Tempo mitgehen oder sich nicht so schnell in Neues hineindenken – das muss aber auch nicht sein. Im Praxisalltag ist es darum wichtig, diese Mischung im Team zu haben.
Wenn zum Beispiel nachmittags mal schnell jemand einspringen muss, kann das eine junge Mutter nicht so gut, eine ältere Mitarbeiterin dagegen schon leichter. Außerdem bringen Ältere natürlich eine ganz andere Ruhe ins Team, sind ein bisschen abgeklärter und in kniffeligen Situationen nicht so schnell nervös. Aber wenn ich meine Praxis jetzt weiter ausbauen wollte, würde ich automatisch eine junge Mitarbeiterin suchen, weil man vor dem Hintergrund der Fachkraftsituation lieber ausbilden sollte.
Der Fachkräftemangel ist in der Zahnmedizin ein großes Thema. Was haben Sie unternommen, um gutes Personal zu finden?
Na, wir haben eine gute Außenwirkung, sind durch unsere Website und Facebook etc. in Halle sehr präsent. Viele Praxen haben ja nicht einmal eine Website. Und wenn sie eine haben, sieht sie oftmals unterirdisch aus. Das heißt, allein durch unsere gute Außenwirkung haben wir schon einen Vorteil. Und dann wirken wir nett - und wer bewirbt sich nicht gern da, wo es nett aussieht?
Trotzdem ist es nicht so, dass wir auf eine Stellenausschreibung extrem viele hochklassige Bewerbungen erhalten. Erstens wechseln gute Helferinnen nicht einfach so. Und zweitens ist unser Standort, Halle, wirklich ein Dorf. Da haben viele Angst, dass es sich bis zu ihrem Chef herumspricht, wenn sie sich bei mir bewerben. Für externe Bewerber ist es andererseits weniger interessant, wenn ein weiter Anfahrtsweg hinzukommt. Klar ist: Es gibt schlicht zu wenig ZFA.
Wie findet man heraus, ob die Bewerberin gut ist?
Im Bewerbungsgespräch sicher gar nicht. Ich versuche zwar manchmal, die Bewerberinnen mit einem Spaß oder einer ketzerischen Frage ein bisschen aus der Reserve zu locken, klappt aber auch nicht immer.
Was sind das für Fragen?
Nichts Bestimmtes, das entwickelt sich immer aus der Situation heraus. Da gibt es irgendwann zwischendurch mal eine kleine sarkastische oder zynische Spitze und dann gucke ich, ob die Bewerberin damit klarkommt. Wir arbeiten schließlich den ganzen Tag zusammen – da ist es wichtig, dass man zumindest einen ähnlichen Humor hat.
Wie findet man also heraus, ob die Bewerberin gut ist, wenn nicht Bewerbungsgespräch?
Durch Probearbeiten, also eigentlich Probehospitieren. Wenn man dann eine ZFA hat, die gleich den Sauger in die Hand nimmt und selbstständig erkennt, wo Arbeit anfällt, ist das schon einmal ein gutes Zeichen. Aber das ist nur der fachliche Bereich, es geht auch ums Miteinander. Ich mache die Entscheidung immer abhängig vom Votum des Teams. Im Vorfeld versucht das ganze Team ja auch zu gucken, wie diejenige drauf ist. Und am Ende der zwei Tage gibt es eine Teamsitzung, und wenn die einhellige Meinung ist „Die Bewerberin taugt nix“, dann wird sie nicht eingestellt.
Halten Sie regelmäßig Teamsitzungen?
Machen wir einmal pro Woche während der Arbeitszeit. Außerdem gibt es zweimal pro Jahr mit jedem Mitarbeiter ein Zielgespräch.
Eine klassische Expertenempfehlung sind ja auch teambildende Maßnahmen. Machen Sie auch, oder?
Na klar, sogar öfter. Dabei geht es ja nicht darum, beste Freunde zu werden, sondern nur darum, dass man mal rauskommt. Manche freuen sich total, wenn ich frage, ob wir mal wieder grillen gehen – anderen ist das zu viel, und es heißt: „Wie? Schon wieder?“. Am Anfang hat mich sowas gekränkt, mittlerweile kann ich aber damit umgehen. Nicht jede sieht das so wie ich und das ist okay. Das kann ja auch ganz einfache Gründe haben – und ich will bei meinen Angestellten ja nicht für Freizeitstress sorgen.
Ihr ausgegebenes Ziel lautet „Null Fluktuation“. Was tun Sie dafür?
Das ist natürlich erst einmal nur ein Slogan. Fluktuation kann man nicht aufhalten, wenn jemand 300 Kilometer entfernt seine Mutti pflegen muss, kann man nichts machen. Aber ich versuche, im Alltag auftretende Spannungen im Team sofort zu thematisieren und zu deeskalieren. Nötig sind dazu eine Portion Empathie und der Schneid, am Ende eines Zwölfstundentages direkt zu fragen „Paula, was war denn da eben los?“ Und dann habe ich auch ein zwei Mädels, die sind so vertrauenswürdig, dass sie mit allem zu mir kommen können – schließlich kann man nicht alles selbst mitkriegen.
Haben Sie sich bei Ihrer Praxisübernahme erst einmal geschaut, welche Dynamik im Team herrschte?
Na, ich habe einfach meine Ansichten durchgesetzt. Das heißt, wenn es Konflikte gab, war die klare Ansage: „Das wird hier jetzt besprochen. Und es gibt hier kein Lästern oder Ähnliches.“ Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch und ich erwarte von jedem meiner Mitarbeiter Ehrlichkeit. Und das funktioniert.
Gibt es etwas, das Sie in der plötzlichen Chefrolle überrascht hat?
Ja. Neu war für mich, akzeptieren zu müssen, dass ich auch solche Probleme ernst nehmen muss, die ich selbst vielleicht für eine Bagatelle halte. Und wenn ich sie ernst nehme, muss ich sofort deeskalierend agieren. Man darf nicht darauf hoffen, dass sich Konflikte von allein erledigen, sondern man muss aktiv an deren Lösung arbeiten.
Welchen Tipp zum Thema Praxisteam würden Sie einem Gründer mit auf den Weg geben?
Das Wichtigste überhaupt ist eine normale Regel menschlichen Zusammenlebens: Ich erwarte nichts, was ich nicht auch selbst mache. Das heißt, ich delegiere nicht den übelsten Mist, weil ich keinen Bock darauf habe. Sonst gebe ich meinen Angestellten das Gefühl, sie sind nur niedere Handlanger.
Dafür erwarte ich, dass sich beispielsweise spontan eine Vertretung findet, wenn zum Beispiel an einem Montagabend jemand krank ist. Das funktioniert relativ gut weil ich es vorlebe. Wenn ich freitags meinen Bürotag oder eigentlich außer Haus Termine habe und eine Helferin krank ist, setze ich mich auch an die Rezeption oder assistiere. Ich tue das selbstverständlich für die Mitarbeiterinnen, damit sie wiederum für mich arbeiten können. Das nennt sich Teamarbeit und funktioniert bei uns sehr gut.
Jakob Osada studierte bis 2011
Zahnmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er
aktuell auf dem Gebiet der Tumorforschung promoviert. Im Januar 2015 übernahm er eine Bestandspraxis in Halle, in der er heute zwei angestellte Zahnärztinnen und sieben Helferinnen beschäftigt.