„Geld stellt keine Diagnosen, Geld bildet nicht aus“

Fremdinvestoren gefährden den Freien Beruf auch in der Pathologie

pr
Der Bundesverband Deutscher Pathologen sieht die Freiberuflichkeit in Gefahr: Pathologische Institute werden von Fremdinvestoren aufgekauft. Mit Blick auf die Zahnmedizin fürchtet der Verband einen Sogeffekt.

Immer mehr pathologische Institute werden von Investoren gekauft: Die Übernahme betrifft zwar derzeit nur wenige Standorte – 19 von 450 Standorten bei insgesamt rund 1.600 Pathologen bundesweit. Dennoch erkennt der Bundesverband Deutscher Pathologen einen ernsthaften Trend und sieht eine Gefahr für die Freiberuflichkeit des Berufsstandes. Dabei hat er die Entwicklungen der investorenbetriebenen MVZ im zahnärztlichen Sektor im Blick.

Es gibt derzeit in der ambulanten Versorgung vier Investmentgesellschaften mit direktem Bezug zur Pathologie: die Amedes Holding, die Synlab Gruppe, Sonic Healthcare und die Corius Gruppe. Im Rahmen der Investmentstrategien der Muttergesellschaften seien sie zum Teil schon mehrfach verkauft worden, machte Prof. Dr. Karl-Friedrich Bürrig, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Pathologen, auf einem Pressegespräch am 5. November in Berlin deutlich. Bürrig befürchtet Abstriche in der Qualität: Auf ein nachhaltiges Engagement in der Krankenversorgung hätten die Investmentgesellschaften keinen entscheidenden Einfluss.

Alle 36 Stunden wird in Deutschland ein neues Z-MVZ gegründet

Ein Grund für die Pathologen, die Aktivitäten von Investoren im Dentalsektor genauer zu prüfen. „Wehret den Anfängen!“ warnte Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, in seinem Statement. Die Grundpfeiler der freien zahnärztlichen Berufsausübung seien durch die klar definierte Gewinnorientierung der Investoren erschüttert, erklärte er. In der Zahnmedizin drohe eine Kommerzialisierung zugunsten einiger weniger Geldgeber. Fachfremde nähmen an der Patientenversorgung teil. „Inzwischen wird alle 36 Stunden in Deutschland ein neues ZMVZ gegründet, sagte Engel. „Seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 stieg die Zahl arztgruppengleicher MVZ von unter 30 auf aktuell rund 580.“

Die Folgen für die Zahnmedizin sieht Engel als gravierend, ihm fehlt der am Patienten ausgerichtete Handlungsstrang. Engel: „Patienten werden wie am Fließband behandelt, von Termin zu Termin von wechselnden Ärzten. Sie erhalten also nicht die bewährte, qualitativ hochwertige Versorgung wie durch die freiberuflich tätige Zahnärzteschaft; die Patienten mutieren zu Kunden. Sofern die zahnärztliche Leistung der Großpraxen dem bilanztechnischen Gewinnstreben unterliegt, werden die weniger lukrativen Bereiche in der Zahnmedizin vernachlässigt zugunsten einträglicher Leistungen wie beispielsweise Implantate – mit der Folge, dass die niedergelassenen Zahnärzte für die vernachlässigten Leistungen einspringen müssen.“

Nur einer der 19 Standorte in Investorenhand bietet in der Pathologie Weiterbildungen an

„Geld stellt keine Diagnosen, Geld bildet nicht aus“, davon zeigt sich Bürrig überzeugt. Eine große Sorge der Pathologen sei das mangelnde Engagement der Investoren bei der Weiterbildung. Bürrig: „Durch das Auftreten von Geldgebern wird auch kein einziger Arzt zusätzlich weitergebildet – im Gegenteil: Weiterbildung ist tendenziell ein Kostenfaktor zulasten der Rendite. Nur einer der 19 Standorte in Investorenhand bildet weiter. Insofern dürfte sich unter diesen Bedingungen der erhebliche Pathologenmangel, vielleicht sogar der Ärztemangel, noch verschärfen. Weiterbildung ist aber für das Fach existenziell,“ erklärte er vor den Journalisten.

Dass der Aufkauf von Praxen durch Fremdinvestoren auch juristische Probleme mit sich bringt, skizzierte BZÄK-Präsident Engel am Beispiel des zahnärztlichen Bereichs. Den Kammern seien hier die Hände gebunden. Arztgruppengleiche MVZ könnten sich als juristische Personen der Fachaufsicht durch die Zahnärztekammern entziehen. Dieses Defizit werde auch nicht durch die Pflichtmitgliedschaft bei der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer ausgeglichen, da diese nicht den Aufgaben und Zielen der Heilberufe-Kammergesetze der Länder verpflichtet sei.

Zudem würden für juristische Personen derzeit nicht die allgemeinen Berufspflichten nach § 2 der Musterberufsordnung gelten: Sie seien nicht verpflichtet, auf Anfragen der Kammer zu antworten, trügen keine persönliche Verantwortung für die Qualität der zahnärztlichen Behandlung, seien nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet und hätten auch keine Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst. Für Engel ein Teufelskreis, der nicht so ohne Weiteres zu durchbrechen sei.

Der Verlust von Vertragsarztsitzen - auch für die Pathologen Anlass zur Sorge

Der Verlust von Vertragsarztsitzen durch Veräußerung an Krankenhausträger oder kapitalgelenkte MVZ ist auch für die Pathologen ein Anlass zur Sorge. „Dadurch gehen diese Sitze für die unabhängige Ärzteschaft verloren“, zeigte sich Präsident Bürrig überzeugt.

Noch ein kritischer Punkt für ihn: Probleme bei der Weitergabe von Praxen am Ende des Berufslebens. Wichtig sei, für beruflichen Nachwuchs Perspektiven zu schaffen, damit diese auch bereit seien, in freier Praxis Verantwortung zu übernehmen, statt sich in einer investorengesteuerten Einrichtung anstellen zu lassen. Für Bürrig ist ganz klar: Die Weisungsfreiheit des Arztes muss offensiv verteidigt werden. Das gilt für Krankenhäuser gleich welcher Trägerschaft ebenso wie für Investoren-MVZ.“

Eine Idee: ein diagnostisches MVZ mit vielen ärztlichen Teilhabern

Der Bundesverband Deutscher Pathologen fördert deshalb die freiberufliche ärztliche Niederlassung als Alternative zu den MVZ in Investorenhand. Er engagiert sich zum Beispiel für eine Unterstützung bei Praxisübergaben von Alt an Jung. Es gelte, den jungen Kollegen Mut zu machen und Wege zu finden, damit sie bereit seien, unternehmerisches Risiko in Freiberuflichkeit zu tragen, erklärte Bürrig. Eine Idee dabei: ein diagnostisches MVZ, dass von Gesellschaftern aus vielen ärztlichen Teilhabern gegründet wird.

Engel verwies seinerseits auf das Engagement des zahnärztlichen Berufssandes, junge Kolleginnen und Kollegen für die Niederlassung zu gewinnen – und dabei gleichzeitig zu respektieren, dass die junge Generation oft das Angestelltenverhältnis favorisiert. Auch angestellte Zahnärzte seien Freiberufler, es gelte, die Vorteile von Freiberuflichkeit herauszustellen.

In der Zahnmedizin sind die Schlupflöcher immer noch groß genug

Was gesetzliche Regelungen angeht, verwies Engel auf das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Dort seien dem ungezügelten Treiben der Investoren-MVZ mittels einer Monopolregelung Grenzen gesetzt worden, erklärte er.

„Unsere berufsrechtlichen Forderungen nach zahnärztlicher Leitung und Einflussbeschränkung des Kapitals wurden aber nicht erhört. Damit sind die Schlupflöcher immer noch groß genug, um in modifizierter Form weitere Dentalketten unter Beteiligung berufsfremder Investoren zu gründen. Und ich kann nur warnen: Einmal Blut geleckt im medizinischen Sektor, bieten sich auch weitere medizinische Berufsstände wie die Pathologen als Ziel an.“ 

Freier Beruf Pathologie

    

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