Pionier der Versorgungsforschung

Gerd Glaeske ist tot

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Der Gesundheitswissenschaftler und Versorgungsforscher Prof. Dr. Gerd Glaeske im Alter von 77 Jahren nach langer Krankheit gestorben.

Glaeske war seit 23 Jahren Professor für Arzneimittelanwendungsforschung am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Er starb am 27. Mai.

Er zeichnete zahlreiche wissenschaftliche Publikationen. Allein in der internationalen Fachdatenbank für medizinische Literatur pubmed.gov finden sich mehr als 140 Veröffentlichungen mit seiner (Co-)Autorenschaft. Darüber hinaus wirkte er als (Mit-)Herausgeber des „Lehrbuchs für Versorgungsforschung“ maßgeblich daran mit, das Fach Versorgungsforschung in Deutschland zu etablieren.

Bekannt wurde er mit den „Bitteren Pillen“

Berühmt wurde das 1983 erschienene Medikamenten-Nachschlagewerk „Bittere Pillen“ (1983), für das er als fachlicher Berater zur Verfügung stand. Dieses Buch wurde über Jahrzehnte als „die Bibel" zur Verhinderung von Arzneimittelmissbrauch bezeichnet. Es folgten eine Vielzahl von Publikationen für die Stiftung Warentest und Bücher, die sich direkt an die Patienten richteten, begleitet von zahlreichen Interviews, Hörfunk- und Fernsehbeiträgen.

Er verstand sich als Anwalt der Patienten

"Gerd Glaeske verstand seine Arbeit konsequent im Dienst der Wissenschaft und im Auftrag der Patientinnen und Patienten", betont sein Kollege vom SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik in Bremen, Prof. Dr. Philip Manow, in seinem Nachruf. "Vorrangig bedeutete das für ihn, die medizinische Versorgung mit Arzneimitteln unter dem Gesichtspunkt der Evidenz zu analysieren – sowie Nutzen und Risiken abzuschätzen und zu bewerten. Kritische Entwicklungen sprach er offen an und wandte sich bewusst gegen geschönte Studiendaten der Industrie. Die daraus entstehenden juristischen Auseinandersetzungen nahm er in Kauf. Hierbei verstand er sich immer und vor allem als Anwalt der Patientinnen und Patienten und im Einsatz für ein sozial gerechteres Gesundheitswesen."

Über seine gesamte berufliche Laufbahn folgte er demnach dabei drei zentralen Fragestellungen: Wo und in welchen Krankheitsbereichen kommt es zur Über-, Unter- oder Fehlversorgung mit Arzneimitteln, welche Alternativen bieten Pharmaindustrie und Gesundheitswesen und wie können Politik und Gesetzgeber den Prozess der Arzneimittelversorgung im Interesse der Patienten verbessern?

Zu Gerd Glaeske

  • Glaeske studierte Pharmazie in Aachen und Hamburg, wo er auch promovierte. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er 1981 am Bremer Institut für Sozialmedizin und Präventionsforschung (BIPS).

  • Von 1988 bis 1992 arbeitete er für die AOK Mettmann und analysierte dort die Versorgungsstrukturen, regionale und fachärztliche Unterschiede und Fehlentwicklungen. Diese Arbeiten gelten als Beginn der Versorgungsforschung. Danach wechselte er nach Wuppertal zur Barmer Ersatzkasse und arbeitete bis 1999 bei verschiedenen Krankenkassen wie auch beim Verband der Ersatzkassen (vdek).

  • Von 2003 bis 2009 war Glaeske Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, 2003 bis 2018 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für Wissenschaftliche Aufklärung (BZgA), von 2008 bis 2013 Mitglied in der Betäubungsmittelkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), von 2007 bis 2009 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim BVA.

  • Ab 2006 Mitglied war er im Vorstand des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF), bis 2014 im geschäftsführenden Vorstand, 2015 zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit ernannt, ab 2008 Mitherausgeber der Zeitschrift Prävention und Gesundheitsforschung, ab 2010 stellvertretender Sprecher des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.1999 übernahm er an der Universität Bremen eine Stiftungsprofessur für Arzneimittelanwendungsforschung am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS). Zudem leitete er die Forschungseinheit „Arzneimittelberatung und Arzneimittelinformation“.

  • Ab 2007 hatte er die Position des Co-Leiters der Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung am ZeS sowie später der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung des SOCIUM der Universität Bremen inne.

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