Medizin

Gesichter, die man nie vergisst

ck/pm
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Große Augen, volle Lippen, ebenmäßige Gesichtszüge - dass Schauspielerin Angelina Jolie weltweit als Inbegriff weiblicher Attraktivität gilt, ist für PD Dr. Holger Wiese von der Friedrich-Schiller-Universität Jena kein Wunder.

"Ihr Gesicht vereint viele Faktoren, die ein Gesicht attraktiv machen“, sagt der Psychologe, der sich in seiner Forschungsarbeit vor allem mit der Wahrnehmung von Gesichtern befasst. „Zum einen empfinden wir sehr symmetrische und eher durchschnittliche Gesichter als attraktiv“, erklärt er. „Zum anderen zeichnen sich als besonders anziehend empfundene Menschen häufig durch zusätzliche Merkmale aus, die sie wiederum vom Durchschnitt abheben.“

Hauptsache auffallen

Neben Attraktivität garantieren diese Merkmale, wie große Augen oder ein markanter Mund, auch einen hohen Wiedererkennungswert. „An solche Gesichter erinnern wir uns ziemlich gut“, so Wiese. Wie er und seine Kollegen Carolin Altmann und Prof. Dr. Stefan Schweinberger jetzt in einer aktuellen Studie zeigen, lässt sich das aber nicht generell für attraktive Menschen sagen.

Attraktive Gesichter  ohne besonders auffällige Merkmale hinterlassen deutlich weniger ausgeprägte Eindrücke im Gedächtnis. „Wir konnten zeigen, dass sich Testpersonen sogar eher an unattraktive Gesichter erinnern als an attraktive, wenn diese keine besonders auffälligen Merkmale aufweisen“, sagt  Wiese.

Für ihre Untersuchung haben die Jenaer Psychologen Testpersonen Fotos von Gesichtern gezeigt, die je zur Hälfte als eher attraktiv oder eher unattraktiv, aber gleichermaßen markant eingeschätzt wurden. Die Probanden bekamen die Gesichter jeweils nur wenige Sekunden zu sehen, um sie sich einzuprägen. Während der anschließenden Testphase wurden ihnen wieder Gesichter gezeigt und sie mussten entscheiden, ob sie diese wiedererkennen.

Das Ergebnis hat die Forscher überrascht: „Bisher gingen wir davon aus, dass es generell leichter sei, sich als attraktiv empfundene Gesichter einzuprägen“, so Wiese, „einfach weil wir schöne Gesichter lieber betrachten.“ Aber so einfach ist es offenbar nicht. Vielmehr wird der Lernprozess im Falle attraktiver Gesichter durch emotionale Einflüsse gestört, die ein späteres Wiedererkennen erschweren. Dafür sprechen die EEG-Befunde aus der Gedächtnistestung der Probanden, auf die sich die Forscher in ihrer aktuellen Publikation stützen.

Du entschuldige, i kenn di

Zusätzlich hat die Untersuchung der Jenaer Psychologen einen weiteren interessanten Nebenaspekt ergeben: Im Fall von attraktiven Gesichtern haben die Forscher deutlich mehr falschpositive Ergebnisse ermittelt. Das heißt, die Probanden gaben in der Testphase an, ein Gesicht zu kennen, obwohl sie es zuvor noch nicht gesehen hatten. „Offensichtlich neigen wir gelegentlich dazu zu glauben, dass wir ein Gesicht wiedererkennen, einfach weil wir es attraktiv finden“, vermutet Wiese.

Wiese H et al.: Effects of attractiveness on face memory separated from distinctiveness: Evidence from event-related brain potentials. Neuropsychologia (2014), doi: 10.1016/j.neuropsychologia.2013.12.023

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