Glasflakes für die Praxisluft
In Putze eingearbeitete poröse Gläser sollen laut Forschern am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg helfen, die Raumfeuchtigkeit optimal zu regulieren. Vor allem durch verschärfte Dämmstandards kann es zu hoher Feuchtigkeit in Wohnräumen kommen - der Hauptursache für Schimmel.
Laut der aktuellen Energieeinsparverordnung müssen Außenbauteile von Neubauten und sanierten Altbauten luftdicht ausgeführt werden, damit möglichst keine Wärme entweicht. Die Kehrseite der Medaille: Die Feuchtigkeit bleibt in den Zimmern gefangen. "Feuchteregulierende Baustoffe gewinnen daher immer mehr an Bedeutung", sagt Ferdinand Somorowsky, Wissenschaftler am ISC.
Porengröße gezielt beeinflussen
Die Forscher entwickeln gemeinsam mit der Universität Bayreuth Zusätze für Farben und Putze, die ausgleichend auf die Raumfeuchte wirken. Als Additive verwenden sie künstlich hergestellte poröse Gläser, deren Porengröße, -volumen und Partikelform sich gezielt beeinflussen lassen - ein Vorteil dieser Materialien gegenüber natürlichen Werkstoffen.
Glasflakes nehmen Wasser besonders schnell auf
Die Glaspartikel, die insbesondere in der Form von Flakes untersucht wurden, nehmen Wasser aus der Raumluft besonders schnell auf, speichern es und geben es langsam wieder ab. "Wasser ist als unsichtbarer Dampf ein Bestandteil der Luft. Damit das Raumklima angenehm ist und bleibt, muss das Wasser, das wir beim Duschen, Kochen und Schwitzen zusätzlich an die Raumluft abgeben, irgendwie auch wieder abgeführt werden", erläutert Somorowsky das Procedere.
Wände und Decken bieten große Flächen, die für das Feuchtemanagement genutzt werden können. "Wenn wir die Glaspartikel in Gipse, Putze und Farben für Innenwände einbringen, können sie täglich und jahreszeitlich bedingte Feuchteschwankungen abfedern. Die Praxis- oder Wohnräume sind dann einfach behaglicher. 95 bis 98 Prozent der bislang erhältlichen Putze haben keine Zusätze", berichtet er.
Individuell an verschiedene Räume angepasst
Bei dem speziellen Glas können sich demzufolge Poren bilden, die man gezielt einstellen kann. Im Gegensatz zu anderen Materialien mit Sorptionseigenschaften wie Zeolithe oder Keramiken ließen sich runde Partikel, Fasern und Flakes produzieren. Möglich seien Füllstoffe mit Porengrößen zwischen wenigen Nano- bis zu mehreren Mikrometern.
"Da sich die Porosität und die Größe der Poren exakt einstellen lässt, kann man die Feuchtigkeit effektiv regulieren. Indem wir die Porengröße minimal verändern, passen wir das Material für unterschiedliche Temperaturen und verschiedene Anwendungen wie Wohn-, Feucht – oder Kellerräume an", sagt der Forscher. Die ungiftigen und nicht brennbaren porösen Gläser seien preisgünstig und seien in Vorversuchen in großen Mengen von mehreren 100 Kilogramm hergestellt worden.
In zwei Jahren am Markt
Wie sie berichten, haben die Wissenschaftler in Tests nachgewiesen, dass Putze mit eingearbeiteten Glasflakes im Vergleich zu Zeolithen und Holzfaserplatten, die ebenfalls zur Feuchteregulierung verwendet werden, deutlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen und diese auch wieder vollständig abgeben können.
Derzeit werde geprüft, wie sich die glasbasierten Werkstoffe unter zusätzlichen Farbschichten und Tapeten verhalten. Die Forscher gehen davon aus, dass es noch etwa zwei Jahre dauern wird, bis die umweltfreundlichen, feuchteregulierenden Putze in den Fachhandel kommen.