VR zeigt die richtige Aufbereitung

Hier lernen ZFA-Azubis im virtuellen Steriraum

mg
Praxis
An der Beruflichen Schule für medizinische Fachberufe auf der Elbinsel Wilhelmsburg, Hamburg, können angehende Zahnmedizinische Fachangestellte im Virtual Reality (VR)-Steriraum den Instrumentenkreislauf durchspielen. Das Projekt ist bundesweit einmalig und könnte schon bald Schule machen.

Die Berufsschullehrerin Anke Fuhlendorf betreut das Projekt seit knapp einem Jahr. Für sie liegen die Vorteile auf der Hand: „Viele finden es sehr anregend und sind Naturtalente oder auch schon geübt durch eigenes Gaming. Diese SchülerInnen berichten von großer Motivation und Spaß. Es gibt aber natürlich auch einen vorsichtigeren Teil, der erstmal das Handling üben muss, das aber auch gern tut."

So wurde der virtuelle Steriraum entwickelt

Das Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr hat das Projekt KoDiA („Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt") mithilfe des Wiederaufbaufonds der EU (NextGenerationEU) ins Leben gerufen, Partner ist der Landesbetrieb HIBB (Hamburger Institut für Berufliche Bildung) als Schulträger. Die technische Entwicklung der VR-Simulation übernahm die Bundeswehruniversität München mit dem ITIS-Institut für Technik intelligenter Systeme.

Lediglich einige wenige kämen nicht mit der VR-Technik klar. Sie klagten über Schwindel und Übelkeit, ein bekanntes Phänomen in Zusammenhang mit Virtuell-Reality-Anwendungen: die Cyberkrankheit. Fuhlendorf: „Die SchülerInnen müssen sich dann langsam herantasten und so desensibilisieren.“

Nur wenn sich die Symptome gar nicht bessern, scheidet das Unterrichtsangebot für die Betroffenen aus. „So ist es ja aber immer, man erreicht nie alle Personen mit einem Angebot“, sagt die Lehrerin. „Darum soll es ja ein breitgefächertes Lernangebot geben.“

Das VR-Programm zeigt für alle sichtbar die Fehler

Für alle, die nicht cyberkrank werden, sei die Neuerung ein Segen, da die Vermittlung des Instrumentenkreislaufs zum Gruppenerlebnis wird. Die Anwendung kann jederzeit pausiert werden, die Schüler können Fragen zur Handlung stellen oder beantworten und sagen, was man als Nächstes tun soll und was man nicht vergessen darf.

Die Klasse wird aber auch in die Analyse einbezogen, weil das VR-Programm Fehler markieren und so Lernanlässe liefern kann, erklärt Fuhlendorf. „Das wäre in einem echten Sterilisationsraum so nicht abbildbar.“ Außerdem können die Schülerinnen und Schüler mithilfe von 360-Grad-Bildern den digitalen Klassenraum erkunden, auf vier Niveaustufen damit zusammenhängende Aufgaben lösen oder Gerlerntes nachbereiten.

Auch Schulleiter Stefan Kurbjuhn ist begeistert. Seiner Ansicht nach wird das bereits implementierte Individualisierungskonzept der Schule durch das Projekt „auf eine neue Ebene gehoben“. In einer digitalisierten Welt sei es unerlässlich, dass Bildungseinrichtungen den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden und die digitalen Kompetenzen von Auszubildenden fördern, sagt er dem HZB.

Die KI kann auch Stresssituationen simulieren

In einer ersten Projektstufe bildet der virtuelle Sterilisationsraum nur die Aufbereitung von Instrumenten ab, erklärt Fuhlendorf. Für die Zukunft sei aber auch denkbar, dass die Lehrerinnen und Lehrer mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz (KI) passgenaue virtuelle Szenarien entwickeln, die dann praxisrelevante Problemsituationen nachbilden.

Die Anwenderinnen und Anwender könnten zum Beispiel durch Geräusche und optische Reize gezielt in Stresssituationen gebracht werden, in denen sie Entscheidungen treffen müssen: Soll ich schnell noch die Instrumententrays in das Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) stellen oder sofort loslaufen, wenn die vorgesetzte Kollegin nach Unterstützung ruft? Komme ich rechtzeitig zurück, um das RDG fertig zu befüllen, oder hat das inzwischen eine andere Kollegin gemacht und wirft mir vor, unzuverlässig zu sein? Falls ja, wie gehe ich dann damit um? Solche Szenarien könnten künftig sogar einen Mehrspielermodus bieten, prognostiziert Fuhlendorf.

Auch wenn es noch nicht soweit ist, steht schon jetzt fest: Die VR-Brillen sind für Lehrer und Schüler gleichermaßen attraktiv, auch weil der Unterricht abwechslungsreicher und aktiver wird. Den experimentellen Pilotstatus hat die Technik schon so gut wie hinter sich – und könnte darum bald für anderen Einrichtungen in Deutschland interessant werden.

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