HIV-Heilung unter Stammzelltherapie
Ein internationales Forscherteam, an dem Ärzte und Wissenschaftler aus Hamburg und Köln federführend beteiligt waren, hat im Fachjournal „Nature Medicine“ den über mehr als zehn Jahre umfangreich dokumentierten Fall einer gelungenen Eradikation des HI-Virus mittels einer Stammzelltransplantation vorgestellt. Der sogenannte „Düsseldorfer Patient“ ist der weltweit dritte Patient, bei dem das nachweislich gelungen ist. In der nun veröffentlichten Studie wurde der erfolgreiche Heilungsprozess dieses Patienten erstmalig detailliert virologisch und immunologisch charakterisiert.
Eine Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) galt bislang als unheilbar. Grund dafür ist, dass das Virus im Genom infizierter Zellen für lange Zeiten „schläft“ und dadurch sowohl für das Immunsystem als auch für antivirale Medikamente unsichtbar und unerreichbar wird.
Der „Düsseldorfer Patient“
Der am Universitätsklinikum Düsseldorf aufgrund seiner HIV-Infektion behandelte Patient hatte wegen einer Blutkrebserkrankung eine Stammzelltransplantation erhalten. Wie in den Fällen der ersten beiden „Berlin“- und „London“-genannten Patienten erhielt der Düsseldorf-Patient Stammzellen von einem gesunden Spender, in dessen Genom eine Mutation im Gen für den HIV-1-Co-Rezeptor CCR5 vorliegt. Diese Mutation macht es den meisten HI-Viren unmöglich, in menschliche CD4+ T-Lymphozyten – ihre wichtigsten Zielzellen – einzudringen.
Im Anschluss an die Transplantation wurde der Patient über fast zehn Jahre hinweg sorgfältig virologisch und immunologisch überwacht. Dabei analysierten die Forscher Blut- und Gewebeproben des Patienten mit verschiedensten sensitiven Techniken, um sowohl den Verlauf der Immunantworten gegen HIV als auch die weitere Präsenz oder gar eine Vermehrung des Virus engmaschig zu überwachen und aufzuspüren. Bereits kurz nach Transplantation und über den Verlauf der Studienjahre hinweg wurden dabei weder vermehrungsfähiges Virus noch Antikörper oder reaktive Immunzellen gegen HIV detektiert. Vor mittlerweile mehr als vier Jahren wurde dann auch die antivirale Therapie gegen HIV abgesetzt. Zehn Jahre nach Transplantation und mehr als vier Jahre nach Beendigung der anti-HIV-Therapie konnte der Düsseldorf-Patient von dem internationalen Forschungskonsortium als geheilt erklärt werden.
Neue HIV-Therapie ante portas?
Im Hinblick auf einen möglichen Durchbruch zu einer Heilung von HIV bleiben die Studienautoren zurückhaltend. Die detaillierte Charakterisierung einzelner Fälle von HIV-1-Heilung nach einer Stammzelltransplantation gebe zwar wichtige Informationen, „ist jedoch von Natur aus anekdotisch“. Es fehle „die Aussagekraft kontrollierter prospektiver Studien“, betonen die Autoren.
Dem naheliegenden Gedanken, die Stammzelltransplantation nicht nur im Zusammenhang mit der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen einzusetzen, sondern auch zur primären HIV-Therapie, steht die Tatsache gegenüber, „dass die Stammzelltransplantation mit Spendern mit einer CCR5 32/32-Mutation weder ein risikoarmes noch ein leicht skalierbares Verfahren ist“, führen die Autoren aus. Allerdings könne man die seltene HIV-protektive Mutation künftig möglicherweise mittels gentherapeutischer Verfahren in Wildtyp-Stammzelltransplantate einfügen. So ließe sich der in den bisherigen Patientenfällen gefundene Ansatz erweitern.
Die Studie ist unter Open Access-Lizenz erschienen und ist hier herunterladbar.
Jensen, BE.O., Knops, E., Cords, L. et al. Eingehende virologische und immunologische Charakterisierung der HIV-1-Heilung nach CCR5Δ32/Δ32 allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation. Nat Med (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02213-x