Im System angekommen
Tagung statt rauschender Party und Selbstbeweihräucherung: Zum Jubiläum hatte das Kölner IQWiG einen bunten Mix aus Vertretern englischer und französischer Mitbewerber, Wissenschaft, Medien, Wissen- und Ärzteschaft eingeladen.
Diese warfen, wie von Institutsleiter Prof. Dr. med. Jürgen Windeler beabsichtigt, nicht nur einen lobenden Blick auf das Erreichte, sondern unterzogen das Institut auch einer kritischen Bestandsaufnahme. Mit konkreten Überlegungen und Vorschlägen wagten sie auch einen Blick in die Zukunft - dahingehend, was für medizinische und gesundheitspolitische Aufgaben auf das Institut in den nächsten Jahren zukommen und wie es mit der evidenzbasierten Medizin weitergeht.
Vision und Wirklichkeit
Selbstredend lobten alle Referenten die professionellen und hochwissenschaftlichen Expertisen des Instituts. Dies war, auch das wurde immer wieder betont, vor zehn Jahren nicht selbstverständlich, da dem Institut viel Gegenwind aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesundheitspolitik entgegen geblasen wurde.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, der sich seinerzeit nach eigener Aussage stark für die Gründung eines derartigen Instituts einsetzte, etwa machte keinen Hehl daraus, dass das IQWiG anfänglich unter vielen skeptischen Blicken aus Politik und Selbstverwaltung zu agieren hatte. “Als man damals sagte, man wolle mehr Qualität und Qualitätssicherung im Gesundheitssystem implantieren, wurde dies oft als Affront gesehen, weil viele sich fragten, ob das bisher Getane nicht genug sei. Aber dies war nie intendiert. Es sollte von Anfang an vielmehr darum gehen, das was im System vorhanden ist, auf den Prüfstand zu stellen.“
EinPartner der Player
Weil das IQWiG aber mittlerweile „im System angekommen sei“, wie Spahn formulierte, lud er das Institut dazu ein, aus der "Wagenburg", herauszukommen. „Fühlen sie sich als Partner der Player“ so Spahn. Wissend, dass das Institut nicht nur Freunde hat und auch den Interessen der Pharmabranche, Politik oder der Parteien der Selbstverwaltung ausgesetzt ist. "Aber so ist das in der Selbstverwaltung eben“, fügte der CDU-Politiker hinzu.
Spahn stellte in Aussicht, dass auf das IQWiG noch viele Aufgaben im Bereich der frühen Nutzenbewertungen oder der evidenzbasierten Medizin warteten, das Kontingent sei noch lange nicht erschöpft, auch nicht mit der Gründung eines weiteren Qualitätsinstituts im Gesundheitswesen.
Totgesagte leben länger
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank-Ulrich Montgomery, thematisierte die Schwierigkeiten, die gerade auch die Ärzteschaft mit dem IQWiG hatte. „Vor zehn Jahren hatte mancher gedacht, dass sich das Institut von selbst erledigt“, so Montgomery.
Doch angesichts des enormen medizinischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung, die völlig andere Krankheitsbilder mit sich bringt, sei es immer wichtiger, die Frage der Wirtschaftlichkeit, der Qualität und der Versorgungsselbstverständlichkeit medizinischer Leistungen zu stellen. Allesamt Aufgabenbereiche, in denen sich das Institut mit seiner Arbeit hervorragend positioniert habe.
Priorisierung statt Rationierung
Für die Zukunft sah der Ärztepräsident in der Attestierung von Medizinprodukten oder bei der Frage der Gewichtung von Gesundheitsleistungen weitere Betätigungsfelder für das Institut. Das IQWiG könne mithelfen, eine der zentralen Fragen im Gesundheitssystem zu beantworten: Ob man weiterhin der Bevölkerung alle verfügbaren Gesundheitsleistungen zu jeder Zeit und in vollem Umfange zur Verfügung stellen wolle, oder ob es nicht ratsamer sei, sich darüber Gedanken zu machen, wie man angesichts endlicher und knapper Ressourcen im Gesundheitswesen die vorhandenen Mittel am zweckmäßigsten einsetzt.
Montgomery zufolge gehe es nicht darum, medizinische Leistungen zu streichen und den GKV-Katalog auszudünnen. Vielmehr könne das IQWiG mithelfen, „die Frage einer von Intellekt geprägten Priorisierung statt einer von der Situation abhängigen Rationierung, wie sie ohnehin im medizinischen Alltag stattfindet, zu klären“. Man könne nicht länger die Ärzte allein lassen bei dieser täglich zu entscheidenden Frage, hier seien Politik und Gesellschaft gefordert, im gesellschaftlichen Diskurs einen Konsens herzustellen.
Mit Einführung der ersten Disease Management Programme begann die gesetzliche Verankerung der evidenzbasierten Medizin in Deutschland. Seit 2004 überprüft das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – im gesetzlichen Auftrag – die medizinische Evidenz zum Nutzen von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für Patienten.