Impfstoff: Kassen können Verträge nicht kündigen
Zugrunde lag der Fall eines Hannoveraner Pharmaherstellers, der mit 11 Krankenkassen Rabattverträge über Grippeimpfstoffe für den nächsten und übernächsten Winter geschlossen hatte. Als Gegenleistung für den Rabatt verpflichteten sich die Kassen zur ausschließlichen Versorgung ihrer Versicherten mit diesen Medikamenten.
Möglich waren solche Exklusivverträge erst seit dem Jahr 2015 durch eine gesetzliche Neuregelung (§ 132e Abs. 2 SGB V), mit dem Grundgedanken, dass der niedrigere Preis durch höheren Umsatz ausgeglichen werden sollte. Nachdem diese Norm jedoch durch den Gesetzgeber 2017 ersatzlos zurückgenommen wurde, kündigten die Kassen die Verträge mit dem Hersteller und schlossen neue Rabattverträge mit Apothekerverbänden.
Neues Recht greift nicht in alte Verträge ein
Nach ihrer Ansicht entfallen ab 2017 die Exklusivität aller Verträge - diese Auffassung habe auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einem Rundschreiben vertreten. Demgegenüber hat sich der Hersteller auf den Standpunkt gestellt, dass neues Recht nicht in alte Verträge eingreife. Die Angelegenheit sei eilbedürftig, da Impfstoffe saisonal produziert würden und nur begrenzt haltbar seien. Es drohe ein Schaden bis zu 1,8 Millionen Euro.
Die Interpretation des BMG ist rechtlich unerheblich
Diese Auffassung bestätigten die Richter nun im Ergebnis: Der Gesetzgeber habe keinen Eingriff in laufende Verträge geregelt, da er sich der Rückwirkungsproblematik bewusst gewesen sei und in den Gesetzesmaterialien lediglich ausgeführt habe:„Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden.“Die gegenteilige Interpretation des BMG sei rechtlich unerheblich, da sie nicht in das legislative Verfahren eingeflossen sei. Zu möglichen Schadensersatzansprüchen aufgrund der konkurrierenden Neuverträge mit den Apothekerverbänden hat sich das LSG mangels eigener Zuständigkeit nicht geäußert.
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen,L 4 KR 307/17 B ERBeschluss vom 20. Juli 2017