Repräsentative Studie

Jeder zweite Arzt bietet jetzt Videosprechstunden an

pr
In der Corona-Krise gewinnt die Videosprechstunde an Bedeutung: Über die Hälfte der Ärzte nutzt die Form der Behandlung inzwischen, 2017 waren das lediglich 1,8 Prozent.

Seit Beginn der Corona-Krise nutzen Mediziner verstärkt die Videosprechstunde. Für viele bleibt sie eine ergänzende Option zum Patientenkontakt auch nach der Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2020“ von der Stiftung Gesundheit und dem health innovation hub (hib) des Bundesgesundheitsministeriums.

Nur ein Drittel will keine Videosprechstunde

Das Ergebnis der bundesweiten Befragung: Insgesamt 52,3 Prozent der teilnehmenden Ärzte bieten sie an, 10,1 Prozent planen die Nutzung kurzfristig. Lediglich etwa ein Drittel (37,6 Prozent) der Ärzte bietet diese Möglichkeit nicht an und hat dies auch kurzfristig nicht vor.

In einer Befragung von 2017 verlief die Einführung von Videosprechstunden in Arztpraxen schleppend: Es hielten nur 1,8 Prozent ein solches Angebot bereit, 2,7 Prozent hatten es in Vorbereitung. 57,7 Prozent der Befragten hatten die Videosprechstunde 2017 noch strikt abgelehnt.

Auslöser für den deutlichen Anstieg: die Corona-Krise

Auslöser für den deutlichen Anstieg der Videonutzung war laut der Umfrage vor allem die Corona-Krise. So gaben 94,1 Prozent der Ärzte an, diese Kommunikationsform erst im Laufe des Jahres 2020 eingerichtet zu haben. Nur 5,9 Prozent hatten sie schon davor angeboten.

Aktuell durch die Pandemie hätten sich die Rahmenbedingungen für Ärzte und andere Heilberufe geändert, bilanzieren die Studienautoren. Es sei eine sehr stark gestiegene Nachfrage telemedizinischer Beratung durch Ärzte und ein entsprechendes Angebot von Videodienstanbietern zu verzeichnen. Mitte März wurde die Begrenzung der Abrechenbarkeit von Videosprechstunden von KBV und GKV-Spitzenverband auf 20 Prozent der behandelten Fälle für das 2. Quartal ausgesetzt wurde. Auch die KBV hatte zwischenzeitlich zum Einsatz von Videosprechstunden geraten.

Fachärzte nutzen die Videosprechstunde viel mehr als Hausärzte

Ärzte in der fachärztlichen Versorgung nutzen demzufolge die Videosprechstunde deutlich intensiver als Hausärzte: Zwei Drittel der Fachärzte nutzen die Möglichkeit bereits oder planen, diese kurzfristig einzurichten. Dagegen nutzt nur jeder zweite Hausarzt diesen Kommunikationsweg. Diese unterschiedliche Verteilung erklärt sich laut der Studienautoren durch das unterschiedliche Nutzungsverhalten der verschiedenen Fachgruppen. Die mit Abstand höchste Nutzungsrate zeigt sich bei den psychologisch-psychotherapeutisch-psychiatrisch Tätigen, die nicht in der hausärztlichen Versorgung aktiv sind.

Die Studie ergab auch einen Unterschied in der Geschlechterverteilung: Ärztinnen nutzen Videosprechstunden inzwischen – anders als in der Studie von 2017 - häufiger als ihre männlichen Kollegen. Nur 26,3 Prozent von ihnen lehnen die Videosprechstunde 2020 ab. Bei den Männern sind es noch 47,8 Prozent. Die Studie erklärt dies mit dem hohen Frauenanteil (70 Prozent der Befragten) vor allem im psychologisch-psychotherapeutisch- psychiatrischen Bereich, wo Videosprechstunden eine deutlich größere Rolle spielen als in anderen Fachgebieten.

Vorreiter sind die Jungen

Nach Alter betrachtet ist die mit Abstand stärkste Nutzergruppe Ärzte unter 40 Jahren: 80 Prozent von ihnen nutzen Videosprechstunden. Mit steigendem Alter nimmt der Anteil ab. Die größte Entwicklung sehen die Autoren in nächster Zeit in den beiden Altersgruppen über 50 Jahren: Dort gaben jeweils gut 10 Prozent an, Videosprechstunden kurzfristig einführen zu wollen.

Auch Patienten fragen verstärkt aktiv nach Videosprechstunden

Auf die grundsätzliche Frage, ob sich die aktuelle Covid-19-Pandemie auf die Nutzung von Videosprechstunden auswirkt, gibt es eine deutliche Antwort: Bei fast 90 Prozent der Befragten, die Videosprechstunden anbieten, ist dies der Fall. Nur jeder zehnte Arzt gibt an, dass sich die Pandemie nicht auf die Nutzung von Videosprechstunden in seiner Praxis auswirkt.

Fast ein Drittel der Ärzte sagten, dass ihre Patienten vermehrt aktiv nach Videosprechstunden fragen. Dies halten die Autoren für einen beachtlichen Wert, da Videosprechstunden vor der Pandemie noch kaum angeboten wurden und daher vielen Patienten noch nicht als mögliche Form der Arzt-Patienten-Interaktion bekannt sein dürften. 22,1 Prozent der Befragten gaben an, dass sich der Bedarf der Patienten geändert habe und sie im Rahmen der Videosprechstunden mehr informieren und beruhigen müssten als zuvor.

Gründe für die Nicht-Nutzung

Häufigster Grund für die Nicht-Nutzung von Videosprechstunden ist die Überzeugung, dass Videosprechstunden keine gute Form der Arzt-Patient-Interaktion darstellen (43,5 Prozent der Nicht-Nutzer). Auf Platz 2 rangiert das Argument, der organisatorische und rechtliche Aufwand sei zu hoch. Knapp ein Viertel (24 Prozent) der Nicht-Nutzer gab dies als Grund an. 21,3 Prozent von ihnen bieten keine Videosprechstunden an, weil sie sich noch nicht mit der Technik auseinandergesetzt haben. Unter den weiteren Argumenten für die Nicht-Nutzung sticht heraus, dass lediglich 11 Prozent der Nicht-Nutzer Bedenken hinsichtlich der Vertraulichkeit und des Datenschutzes anführten. Ende 2017 war der Datenschutz noch die zweithäufigste Sorge der Ärzte angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Arztberufs (53,3 Prozent).

Von 1.700 auf circa 25.000 Praxen

Als Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Corona-Pandemie eine Initialzündung für die Nutzung von Videosprechstunden bewirkt habe. Sie beziehen sich dabei auch auf Angaben der KBV, wonach die Anzahl der Arztpraxen, die Videosprechstunden anbieten, von 1.700 im Februar 2020 auf etwa 25.000 im April gestiegen sind.

Bemerkenswert sei zudem, dass offenbar vermehrt die Patienten als Treiber der Entwicklung auftreten würden: Bei fast einem Drittel der Ärzte, die jetzt Videosprechstunden anbieten, sei diese neue Form der Interaktion von Seiten der Patienten aktiv nachgefragt worden.

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