Kassen legen sich mit Gesundheitsminister Bahr an
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) berichtet, erklärten der Spitzenverband der 140 Kassen sowie die Verbände der Kranken- und Pflegekassen in einer der Zeitung vorliegenden Protestnote an Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), das Vorhaben der Koalition, über das am Montag der Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten soll, sei "ein ungerechtfertigter und unsachgerechter Eingriff in die Rechte der sozialen Selbstverwaltung."
Im Begleitschreiben wird nachdrücklich die Rücknahme der Anträge verlangt. "Notwendig ist es vielmehr, die Autonomie der Selbstverwaltung zu stärken und ihren Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern, statt sie einzuschränken", heißt es laut Zeitung in dem Brief, den die von Arbeitgebern und Gewerkschaft gestellten Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Spitzenverbands unterschrieben haben.
DGB: Aushöhlung der sozialen Selbstverwaltung
In einer parallel dazu abgegebenen Erklärung warnen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vor einer "weiteren Aushöhlung der sozialen Selbstverwaltung". Deren Mitglieder gingen verantwortungsvoll mit den Geldern der Beitragszahler um. Ansonsten müsste die Aufsicht schon heute öfter einschreiten. "Es gibt also keinen Grund, die Spielräume der Selbstverwaltung weiter einzuschränken."
Die Koalition will das Sozialrecht so ändern, berichtet die FAZ, dass die Verträge der Vorstände der Körperschaften und Verbände, also auch der Ärzte und Zahnärzte sowie der Medizinischen Dienste der Kassen, nicht nachträglich kontrolliert, sondern vorab genehmigt werden. Sie begründet das mit schlechten Erfahrungen, weil Vertragsänderungen nachträglich nur schwer durchgesetzt werden könnten. Die Regierung will auch Genehmigungspflichten für das Mieten von Büros einführen, wenn es um Mietzeiten von mehr als 10 Jahren und Flächen von 7.500 Quadratmeter geht.
Kritik: der Vorstoß widerspreche den Ordnungsprinzipien der Sozialversicherung
Die Verwaltungsräte der Kassen sehen dafür keinen Grund. Die Koalition habe strukturelle Missstände, die ein Handeln der Politik notwendig machten, nicht belegt. Die Eingriffe seien falsch, weil die bisherige Rechtsaufsicht der Aufsichtsbehörden de facto in eine Fachaufsicht umgewandelt werde, heißt es. Die Selbstverwalter könnten Verträge nicht mehr eigenverantwortlich abschließen. Das widerspreche Ordnungsprinzipien der Sozialversicherung mit ihren demokratisch gewählten Vertretern. Personalkompetenzen seien ein Kernbereich der Selbstverwaltung. Durch die Veröffentlichung der Bezüge werde für Transparenz gesorgt.
Hintergrund: Große Kassen mit Millionen Mitgliedern, Tausenden Beschäftigten und milliardenschweren Etats zahlen ihren Vorstandsvorsitzenden im Jahr bis zu 275.000 Euro. Besser bezahlt werden nur die Chefs der Selbstverwaltung der Ärzte mit bis zu 320.000 Euro im Jahr.