Keine Zwangsöffnung der AOKen
Aus dem ursprünglichen Referentenentwurf eines „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“ ist im jetzt vorliegenden Kabinettsentwurf ein „Faire Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG)“ geworden: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist von seinem ursprünglichen und sehr umstrittenen Plan abgerückt, die regional begrenzten Krankenkassen (vor allem die AOKen) bundesweit zu öffnen.
Nunmehr enthält der Gesetzesentwurf vor allem Reformen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA), des Organisations- und Wettbewerbsrechts der Krankenkassen und der Strukturen des GKV-Spitzenverbandes. Gerade die bundesweite Öffnung war von den Kassen, den Bundesländern wie auch von der SPD stark kritisiert worden.
Der Gesetzentwurf soll darauf abzielen,
mit systematischen Verbesserungen des Risikostrukturausgleichs zum fairen Wettbewerb der Krankenkassen beizutragen und Risikoselektionsanreize der Krankenkassen gegenüber den Versicherten weiter zu verringern,
die wettbewerblichen Rahmenbedingungen für die Krankenkassen durch Anpassungen des Haftungssystems und der Verhaltensregeln für einen fairen Wettbewerb zu modernisieren sowie
etwaige nicht refinanzierte Tarifsteigerungen in der krankenhäuslichen Pflege über einen einjährigen Zuschlag auszugleichen.
Folgende Maßnahmen sind in dem Kabinettsentwurf vorgesehen:
Der Risikostrukturausgleich soll zukünftig die regionale Verteilung der Versicherten und alle Krankheiten berücksichtigen, so dass die Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten entfällt.
Zudem wird ein Risikopool für besonders teure Fälle der Krankenkassen und eine Vorsorge-Pauschale zur Förderung von Präventionsmaßnahmen durch die Krankenkassen eingeführt.
Die Manipulationsresistenz des Risikostrukturausgleichs soll weiter gestärkt werden. So werden Datenmeldungen mit erheblichen statistischen Auffälligkeiten im Ausgleichsverfahren nicht mehr berücksichtigt und die Möglichkeiten des Bundesversicherungsamts, die Datengrundlage für den Risikostrukturausgleich zu prüfen, werden erweitert. Zudem wird das bisherige Verbot der Diagnosevergütung in Verträgen der Krankenkassen neu formuliert.
Um Nachbesserungsbedarf beim Risikostrukturausgleich durch wissenschaftlichen Sachverstand schnell zu erkennen, soll eine verpflichtende regelmäßige Evaluation durch den wissenschaftlichen Beirat beim Bundesversicherungsamt eingeführt werden.
Das Haftungssystem zur Verteilung der Lasten nach Auflösung, Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse wird neu geregelt.
Die Verhaltensregeln für den Wettbewerb und insbesondere für Werbemaßnahmen werden genauer festgelegt und die Klagemöglichkeiten der Krankenkassen untereinander bei Verstößen erweitert.
Die Strukturen des GKV-Spitzenverbandes werden weiterentwickelt. Ein neues Gremium, der sogenannte Lenkungs- und Koordinierungsausschuss, soll zu mehr Transparenz bei versorgungsbezogenen Entscheidungen des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes führen und bei den Mitgliedskassen auch zu mehr Akzeptanz beitragen.
Darüber hinaus sind Regelungen zur Stärkung einer angemessenen Repräsentanz von Frauen im Vorstand, im Lenkungs- und Koordinierungsausschuss sowie auch im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes vorgesehen. Das ursprüngliche Vorhaben, die Vertreter der sozialen Selbstverwaltung (Arbeitgeber und Gewerkschaften) durch hauptamtliche Kassenvorstände zu ersetzen, wurde gestrichen.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der sogenannten Aufsichtsbehördentagung werden konkretisiert, um Transparenz, Abstimmung und Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden zu stärken.
Für einen pauschalen Ausgleich etwaiger nicht refinanzierter Tarifsteigerungen beim Pflegepersonal wird ein Rechnungszuschlag für Krankenhäuser eingeführt. Zur Kompensation der entstehenden Mehrkosten werden einmalig Mittel der Liquiditätsreserve den Einnahmen des Gesundheitsfonds zugeführt.
Das Bundeskabinett könnte sich möglicherweise bereits am 9. Oktober mit dem neuen Entwurf befassen.
Kassenreaktionen auf die neuen Reformpläne
Der AOK-Bundesverband begrüßt den Wegfall der zunächst geplanten Zwangsöffnung regionaler Krankenkassen. Damit wäre ein einseitiger Preiswettbewerb zu Lasten von regionalen Versorgungsinteressen losgetreten worden – gegen den Widerstand der Bundesländer und nicht zum Nutzen der Versicherten. Die im Risikostrukturausgleich vorgesehene Regionalkomponente schwächt jedoch nach Meinung der AOK den ländlichen Raum und zementiert die Überversorgung in Ballungsräumen.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) begrüßt das vorgelegte Gesamtpaket zur Weiterentwicklung des Morbi-RSA als stimmig, es solle schnell umgesetzt werden. Die Regelungen zum einheitlichen Aufsichtshandeln seien jedoch nur ein kleiner Anfang und sollten im parlamentarischen Verfahren konsequenter gefasst werden. Gut sei, dass die Soziale Selbstverwaltung weiterhin den Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes besetze.
Die Barmer spricht von beim Gesetzentwurf von einem Meilenstein hin zu einem echten solidarischen und fairen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen.
Für den BKK-Dachverband ist das Gesamtpaket stimmig. Es dürfe aber nun nicht mehr aufgeschnürt werden.