KI ist bereits Alltag in Klinik und Praxis
Der Digitalverband Bitkom hat mit dem Hartmannbund mehr als 600 Medizinerinnen und Mediziner in Krankenhäusern und Praxen zur Nutzung von KI in ihrem Berufsalltag befragt. Aus den Antworten geht hervor, dass sich ihr Einsatz in Krankenhäusern seit 2022 verdoppelt hat: 18 Prozent der Klinikärztinnen und -ärzte hilft sie heute beispielsweise bei der Auswertung bildgebender Verfahren.
Großes Interesse, aber auch hohe Erwartungen
Fast acht von zehn der befragten Ärztinnen und Ärzte bewerten KI demzufolge als „riesige Chance für die Medizin“. Zwei Drittel finden, dass ihr Einsatz in der Medizin in Deutschland besonders gefördert werden sollte, 60 Prozent glauben sogar, eine KI werde in bestimmten Fällen bessere Diagnosen stellen als ein Mensch. Gleichzeitig verlangen 76 Prozent eine strenge Regulierung von KI für die Medizin.
Mehr Support gewünscht im Umgang mit der ePA
Die Mehrheit der befragten Medizinerinnen und Mediziner befürwortet die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA), braucht aber mehr Unterstützung beim Praxiseinsatz. 68 Prozent sind ihr gegenüber aufgeschlossen (jeweils 34 Prozent „sehr aufgeschlossen“ und „eher aufgeschlossen“). Gleichzeitig fühlen sich drei Viertel nicht genug auf ihren Einsatz vorbereitet (45 Prozent antworteten auf diese Frage mit „nein“ und 32 Prozent mit „eher nein“).
Vorteile der ePA sind für sie die Vermeidung von Doppeluntersuchungen (73 Prozent), die Möglichkeit zur schnelleren Diagnose durch Einblick in die Krankengeschichte (60 Prozent), die Vermeidung von Wechselwirkungen bei der Medikation (59 Prozent) und mehr Transparenz für Ärztinnen und Ärzte insgesamt (58 Prozent). 43 Prozent denken, mit der ePA werde die Digitalisierung des Gesundheitssystems insgesamt vorangetrieben und 34 Prozent erwarten ein Mehr an Transparenz auch für die Patienten. 26 Prozent heben die Möglichkeit der Nutzung der Daten für Forschungszwecke hervor.
86 Prozent glauben nicht, dass die Arbeit mit der ePA technisch reibungslos funktioniert. 66 Prozent fürchten Datenmissbrauch und 62 Prozent einen hohen technischen Aufwand, 61 Prozent eine Überforderung der Ärzteschaft und des Praxispersonals. Es geben aber auch 41 Prozent an, sich auf die Arbeit mit der ePA zu freuen – und mehr als die Hälfte (54 Prozent) hätte eine frühere Einführung begrüßt.
Robotik ist in Kliniken bereits weit verbreitet
In 26 Prozent der Kliniken unterstützen Roboter bereits OPs und Eingriffe, bei einem Zehntel ist Virtual Reality (VR) für Trainingszwecke oder OPs im Einsatz. In 28 Prozent werden andere Ärzte via Telemedizin zu Fällen beratend konsultiert, in 3 Prozent Fachleute per Video zu Untersuchungen oder OPs dazugeschaltet.
Laut den Angaben der Befragten gibt es auch für Patienten in Kliniken schon viele telemedizinische Angebote, etwa eine Überwachung des Gesundheitszustandes via Remote-Monitoring (10 Prozent), durch Video-Sprechstunden (8 Prozent) oder die Analyse von Vitaldaten aus Gesundheits-Apps oder Fitness-Trackern (4 Prozent).
„Nur wenn wir die ePA alltagstauglich, kompatibel und leicht bedienbar gestalten und das medizinische Personal konsequent mitnehmen, wird sie im Praxisbetrieb wirklich zum Fortschritt.“
Dr. med. Klaus Reinhardt, Bundesvorsitzender des Hartmannbundes
In der Krankenhausverwaltung werden digitale Technologien demnach bei einem Fünftel der Befragten eingesetzt, etwa in Form von Tablet-gestützten Patientenaufnahmen (21 Prozent), Online-Plattformen zum Patientenmanagement (21 Prozent) oder digitalen Aufklärungsbögen (20 Prozent).
Aber auch in den Praxen verbreiten sich digitale Lösungen. Video-Sprechstunden werden bei 25 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in den Praxis oder MVZ angeboten, bei 21 Prozent Fitness-Tracker und -Apps ausgewertet. Mehr als jede dritte Praxis hat eine Online-Terminvereinbarung, bei 17 Prozent der befragten Praxisärztinnen und -ärzte finden digitale Aufklärungsbögen und bei 13 Prozent Tablet-gestützte Patientenaufnahmen Verwendung.
Zwei Drittel kritisieren mangelnde Marktreife digitaler Anwendungen
Dass die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen nicht noch weiter fortgeschritten ist, liegt nach Ansicht der großen Mehrheit aller befragten Ärztinnen und Ärzte an der Komplexität des Systems (81 Prozent). 57 Prozent machen langfristige Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren als Hindernis aus und 47 Prozent sehen eine insgesamt zu starke Regulierung des Gesundheitssektors. Zwei Drittel kritisieren eine mangelnde Marktreife der vorhandenen digitalen Anwendungen.
Die fehlende Digitalkompetenz der Patienten und der Ärzte wird von jeweils 42 Prozent als Bremse wahrgenommen. 19 Prozent vermuten zudem eine mangelnde Offenheit der Patienten gegenüber digitalen Lösungen in diesem Kontext.
Behindern strenge Datenschutzvorgaben Innovationen?
Ein weiteres großes Hindernis ist aus Sicht der Medizinerinnen und Mediziner auch eine zu strenge Auslegung des Datenschutzes (59 Prozent). Viele Befragte sehen darin sogar den zentralen Hemmschuh für medizinischen Fortschritt: 72 Prozent sind der Meinung, dass strenge Datenschutzvorgaben häufig Innovationen behindern – 2020 lag dieser Wert noch bei 60 Prozent.
„KI kann kann Arztpraxen und Kliniken spürbar entlasten – durch präzisere Diagnosen, automatisierte Dokumentation und intelligente Terminsteuerung. So bleibt mehr Zeit für das Wesentliche: die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“
Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst
Mehr als die Hälfte (55 Prozent) fordert mittlerweile eine weniger strenge Auslegung der Vorschriften, um die Versorgung zu verbessern – ebenfalls ein starker Zuwachs im Vergleich zu 2020 (32 Prozent). Umgekehrt halten aber auch 22 Prozent den Datenschutz im Gesundheitswesen für zu lasch.
Für die Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom mit Unterstützung des Hartmannbundes wurden 616 Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen in Kliniken und Praxen in Deutschland online vom 20. Januar bis zum 2. März befragt. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber „ein aussagekräftiges Stimmungsbild für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland“, schreibt der Branchenverband.