Kieferorthopäden schreiben Brief an Jens Spahn
Es sei zwar "leider richtig, dass in der Vergangenheit in einigen Fällen kieferorthopädisch tätige Zahnärzte und Kieferorthopäden dadurch auffällig geworden sind, dass sie die Regelversorgung abgewartet oder die Durchführung einer Behandlung sogar von der Leistung von Zuzahlungen abhängig gemacht haben", heißt es zu Beginn des Schreibens der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) und dem Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) an Spahn. Doch "zumindest bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt" könne man die diesbezügliche Kritik des Bundesrechnungshofs "nicht (mehr) nachvollziehen".
Vorab hatte die DGKFO zu den vom Bundesrechnungshof aufgeworfenen wissenschaftlichen Fragen und der ihnen innewohnenden Kritik für die gemeinsame Stellungnahme mit dem BDK ein 12-seitiges Positionspapier erarbeitet, das den Wert der Kieferorthopädie als präventive und kurative Maßnahme aus der bestehenden Forschungsliteratur herleitet.
Das Fazit: Die Kieferorthopädie sei ein "auf verschiedenen medizinischen Wirkebenen hochgradig präventiv ausgerichtetes Fach" und auf verschiedenen Ebenen, unter anderem der Atmung, Überwachung und Korrektur von Störungen der Gebissentwicklung, der Wiederherstellung der Kaueffizienz, der Korrektur von überzähligen beziehungsweise fehlenden Zähnen sowie bei interdisziplinären Therapiepfaden ein "unverzichtbarer Bestandteil der dentofazialen Diagnostik und Therapie".
BDK sieht Indizien für fehlerhafte Daten beim Rechnungshof
Anschließend arbeitete der BDK die Anmerkungen des Bundesrechnungshofs vom 24. April einzeln ab - die unter anderem auch den Nutzen der kieferorthopädischen Versorgung in Zweifel zieht. In seiner Stellungnahme verdeutlicht der BDK, dass die kieferorthopädische Behandlung zu den wenigen Leistungen in der GKV gehört, die "in jedem Einzelfall nicht nur auf Entscheidung des Vertrags(zahn)arztes, sondern auch auf Entscheidung der Krankenkasse durchgeführt wird".
Die Feststellung des Bundesrechnungshofs, wonach sich die Kosten pro kieferorthopädischem Behandlungsfall von 2008 bis 2016 ungefähr verdoppelt haben, kritisiert der BDK als "nicht nachvollziehbar" und verweist auf Statistiken des Bundes, wonach die Gesamtkostenentwicklung in diesem Zeitraum nur etwa 32 Prozent betragen hat. Als mögliche Ursache für die Differenz vermutet der BDK, dass seitens des Bundesrechnungshofs eine fehlerhaften Anzahl der Abrechnungsfälle beziehungsweise Leistungsfälle zugrunde gelegt wurde. Indiz für diese These sei, dass die vom Rechnungshof zugrundegelegten Werte nicht mit denen der KZBV-Statistik übereinstimmen.
Bundesmantelvertrag sichert schon jetzt Informationsfluss
Auch den Vorwurf, die Krankenkassen hätten keinen ausreichenden Einblick, welche kieferorthopädischen Behandlungen ihre Versicherten erhielten, weist der BDK als unbegründet zurück. "Diese Feststellung ist im Hinblick auf die auf der Grundlage des Bundesmantelvertrages durch die Kieferorthopäden bereitzustellenden Informationen nicht nachvollziehbar", heißt es.
Art der Behandlung und Alter des Patienten sowie die zugrundeliegende Diagnose ergäben sich unmittelbar aus dem Behandlungsplan, die Dauer der Behandlungen aus den abgerechneten Abschlägen nach Nr. 120 BEMA-Z. Darüber hinaus sei die Verlängerung der Behandlung zu beantragen und ein unplanmäßiger Behandlungsverlauf der Krankenkasse anzuzeigen, stellt der Berufsverband klar. "Es liegen also den Krankenkassen eine Vielzahl von Daten zu den angefragten Themen vor."
Untersuchungen zur Versorgungslage - wie sie der Bundesrechnungshof für die Kieferorthopädie vorgeschlagen hat - begrüßt der BDK zwar grundsätzlich, verweist aber auf die methodischen Schwierigkeiten: "Es ist aus zahnmedizinischer Sicht nicht vertretbar, ein repräsentatives Kollektiv von Minderjährigen unbehandelt zu lassen, um zu beweisen, dass diese langfristig Nachteile in der Mundgesundheit erleiden."
Auch die sonst grundsätzlich wünschenswerte Entwicklung von Qualitätsindikatoren sei in der Kieferorthopädie schwierig: "Da jedoch die (...) Behandlung stark von Motivation und Mitarbeit der - minderjährigen - Patienten abhängt, ist bei der Forderung nach einer bestimmten Ergebnisqualität Vorsicht geboten. Auch eine allen Anforderungen gerecht werdende Behandlung muss nicht notwendigerweise erfolgreich sein."