Kliniknovelle steht in der Kritik
Der lang erwartete Referentenentwurf für das neue Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Wochenende vorgestellt hatte, ist in der Fachwelt vielfach mit Kritik aufgenommen worden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht von einem „Verkennen der realen Versorgungssituation“. Sie kritisiert die geplanten sektorenübergreifenden Versorgungszentren, die weit für die ambulante Versorgung geöffnet werden sollen und die auch für die hausärztliche Versorgung ermächtigt werden sollen.
Hier dränge sich, so die KBV, die Frage auf, woher die Hausärzte kommen sollen, die dort arbeiten sollen? Schließlich herrsche in dem betroffenen Gebiet ein Mangel an Hausärzten. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband befürchtet massive negative Auswirkung auf die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung. Statt diese zu stärken, werde lieber immer mehr Geld in die ineffizienten Krankenhausstrukturen umgeleitet. Verlierer seien vor allem die Patientinnen und Patienten, die statt von ihrer wohnortnahen Hausarztpraxis in anonymen Krankenhäusern versorgt würden.
DKG spricht von Affront gegenüber den Ländern
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) betrachtet den Entwurf als einen Affront gegenüber den Bundesländern und eine Absage an das Ziel gleichwertiger Lebensbedingungen in Stadt und Land bei der Gesundheitsversorgung. Die Krankenhausversorgung werde sich nach diesem Gesetzentwurf sehr stark in den größeren Krankenhäusern und verdichteten Regionen konzentrieren. Der aktuell laufende kalte Strukturwandel, der bereits den Boden für diesen Umbau der Krankenhauslandschaft bereite, werde mit dem Entwurf nicht gestoppt, sondern von der Ampelregierung toleriert und weiter tatenlos hingenommen, so die DKG.
Unterstützung kommt hingegen von den Krankenkassen. „Das Ziel, die Versorgung durch mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit und eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser zu verbessern, ist richtig“, betont etwa der Verband der Ersatzkassen (vdek). Dazu bedürfe es einer verbindlichen Definition von Leistungsgruppen auf Basis bundeseinheitlicher Qualitätsstandards. Für die Versorgung sei essenziell, dass die Klinikreform mit einer Reform des Rettungsdienstes und der Notfallversorgung zeitnah verknüpft werde. Gleichzeitig warnt der Verband jedoch, dass der geplante Umbau mit einem Transformationsfonds, der überwiegend aus den Beiträgen der GKV-Versicherten und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber finanziert werden soll, zu Beitragssatzerhöhungen führe.
AOK: „Geplante Finanzierung ist unfair und kontraproduktiv“
Skeptisch zeigte sich die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Sie kritisierte, die geplante Finanzierung sei „nicht nur unfair gegenüber den Beitragszahlenden, sondern auch kontraproduktiv“. Mittelfristig könne eine solche Mammutaufgabe nur von allen Beteiligten gemeinsam getragen werden.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge sagte gegenüber „Bild am Sonntag (BAMS)“, die Vorschläge zur Finanzierung seien „völlig unausgegoren“ und führten zu weiterer Verunsicherung. „Das Kliniksterben geht ungehindert weiter“, betonte er. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) zeigte sich – ebenfalls in der BAMS – entsetzt über Lauterbachs Pläne, die nun über die Medien bekannt geworden seien. Sie erinnerte an die schleppende Vorbereitung des Gesetzes. „Lauterbach wollte den Ländern eigentlich Anfang Dezember einen Entwurf für die Krankenhausreform vorlegen. Monatelang hat er die Reform blockiert.“ Jetzt wolle er „seine Sicht auf die Reform mit aller Macht durchdrücken“, zitiert die BAMS die Ministerin.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte laut Medienberichten, die Reform werde „am Reißbrett und mit dem Rechenschieber“ gemacht. Es fehle der Blick in die Praxis und auf den Patienten. Der Krankenhausalltag gleiche weiterhin einem Dschungel. Es gebe keine Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitenden.