Debatte um Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes

Kommt jetzt die bundesweite Notbremse im Eilverfahren?

pr
Die von Bund und Regierung geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes sorgt für Ärger. Ab einer Corona-Inzidenz von 100 sollen bundesweit einheitliche Maßnahmen greifen. Mehr zu Kritikpunkten und Zeitplan.

Das Infektionsschutzgesetz soll nach dem Willen von Bund und Regierung nachgeschärft werden, um angesichts steigender Infektionszahlen die dritte Corona-Welle zu brechen. Mit einer Änderung des bestehenden Gesetzes sollen nun Voraussetzungen geschaffen werden, um bundesweit einheitliche Regeln zu schaffen, wenn in einer Region die Sieben-Tage-Inzidenz den Wert von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner übersteigt.

Bereits Anfang März hatten Bund und Länder vereinbart, dass in diesem Fall eine Notbremse greifen und Lockerungen von Corona-Maßnahmen wieder zurückgenommen werden müssten, was aber nicht überall zur Anwendung kam. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte daraufhin angekündigt, einzugreifen.

Der Entwurf soll morgen im Kabinett beraten werden

Der Entwurf eines „Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ liegt nun vor und soll morgen im Bundeskabinett beraten werden. Die Länder sollen über den Bundesrat eingebunden werden.

Vor allem geht es um folgende Regelungen:

  • Im Falle des Überschreitens des Inzidenzwerts von 100 soll es einen harten, regionalen Lockdown geben.

  • Private Zusammenkünfte sollen auf die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person beschränkt werden.

  • Es sollen Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr greifen. Ausnahmen sind etwa Notfälle oder berufliche Gründe.

  • Geschäfte müssen schließen – ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Apotheken, Drogerien und Tankstellen.

  • Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen.

  • Wo möglich, soll Arbeit im Homeoffice erfolgen.

  • Schulen und Kitas sollen nur bei Inzidenz unter 200 offenbleiben.

Kritik kommt von der Opposition, aber auch von der SPD

FDP, Grüne und Linke haben zwar angedeutet, über das geplante Gesetz mit sich reden zu lassen. Dennoch wird derzeit über die geplanten Maßnahmen heftig gestritten. Strittig ist zum Beispiel eine Testpflicht in Unternehmen. So hatten sich SPD-Vertreter dafür ausgesprochen, während dies aus Kreisen der CDU/CSU und der Arbeitgeber abgelehnt wird.

Weiterhin hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Linder signalisiert, die Ausgangssperren nicht mittragen zu wollen. Sie seien bis auf wenige Ausnahmefälle unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich fragwürdig, außerdem sei sie epidemiologisch nicht wirksam. Auch die Linken sehen darin einen tiefen Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Bürger. Gesetzliche Regelungen in der Arbeitswelt seien weiteren Verschärfungen im Privatleben wie Ausgangssperren vorzuziehen, betonte der Sprecher der Linken, Dr. Achim Kessler.

Sind Ausgangssperren überhaupt verfassungskonform?

Einen „radikalen Wellenbrecher“ gegen das Infektionsgeschehen forderte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Katrin Göring Eckardt. Sie will vor allem die Arbeitswelt in den Focus nehmen. Es gebe immer noch keine Verpflichtung der Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu testen, wo Präsenzarbeit unabdingbar sei. Die AfD lehnte die Pläne ab und forderte, den Lockdown zu beenden.

Derweil zweifeln Juristen daran, dass das generelle nächtliche Ausgangssperren bereits ab einer Inzidenz von 100 verfassungsgemäß sind: Der frühere Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Jens Gnisa, sprach von einer Nichtachtung der Justiz, wenn solche Ausgangssperren verhängt würden, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt worden sei. Auch seien die strengen Kontaktbeschränkungen aus seiner Sicht rechtlich zweifelhaft. Ähnlich hatte sich bereits im März der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner von der Universität Augsburg öffentlich geäußert: Eine Ausgangsbeschränkung bereits ab einer Inzidenz von 100 sei vermutlich rechtswidrig.

Das Gesetz könnte schon zum 19. April gelten

Um die Novelle des Infektionsschutzgesetzes in einem Eilverfahren durch das parlamentarische Verfahren zu bringen, wird eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigt. Der Zeitplan für das Gesetzgebungsvorhaben ist noch nicht ganz klar. Nach bisher bekannt gewordenen Plänen soll das Bundeskabinett schon morgen einen Entwurf beschließen. Danach geht es in den Bundestag, der im Eilverfahren beschließen könnte, im Extremfall schon kommende Woche. Der Bundesrat könnte abschließend zu einer Sondersitzung am 16. April zusammenkommen. Dann würde das Gesetz schon zum 19. April gelten. Bei einem längeren Bundestagsverfahren, wenn die Opposition die Verkürzung nicht mitmachen sollte, ist der 26. April angedacht.

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